Das Lebenswerk in Flammen

Der gebürtige Sensler Autor Ivo Stritt verbrannte sein gesamtes literarisches Werk in einer Performance. Das Feuer soll heilen.

Wertvolle Buchstaben millionenfach im Feuer am Ufer des Schiffenensees. © RadioFr.

Ivo Stritt ist ein Wiederholungstäter. Schon 2014 hat er eine aufsehenerregende Performance hingelegt. 1000 selbst geschriebene Texte hat er damals während fünf Stunden vorgelesen und im Anschluss geschreddert. Schon damals hat er sich von seinem Fundus getrennt, welcher jedoch nur aus Texten bestanden hat, die er während einer gewissen Periode auf seinem Balkon geschrieben hatte. Schon damals wollte er einen Lebensabschnitt beenden.

Texte voller Abgründe

Auch letzten Mittwoch sollte die Aktion einen Lebensabschnitt zu Ende führen. Diesmal war das Vorgehen aber viel radikaler. Von all seinen geschriebenen Texten - kurze, ganz kurze, wenige Sekunden lange, lange, Prosa, Lyrik, Romane - sollte kein einziger übrig bleiben. Er hatte sich sogar darum bemüht, Texte einzufordern, die bei Bekannten gelagert worden sein könnten. So wurden an diesem denkwürdigen Abend am Schiffenensee in Düdingen nahe Bad Bonn (welches auch der Veranstalter war) auch Werke aus seiner Frühphase vorgetragen. Der heute 53-jährige hatte schon mit 16 Jahren eindrückliche Texte auf einem beachtlich hohen literarischen Niveau geschrieben. Das spätere Werk glänzt(e) zum Teil mit herausragender Lyrik.

Diese Texte sollten der Allgemeinheit gehören. Man sollte sie sicherstellen. So wie damals bei Kafka.

Rund 50 Zentimeter hohe Papierstapel lagen neben dem Feuer, dazu etwa fünfzehn vollgeschriebene Büchlein, die er vor dem Verbrennen fein säuberlich nach Kunststoff und Papier getrennt hat. Nicht einmal wenn jemand, so wie ein anwesender Gymi-Deutschlehrer, darum gebeten hätte, hätte Stritt einen Text vor den Flammen gerettet. Am Schluss war nur noch Feuer, Papier im Feuer, tausende von Seiten, nicht Schutt, aber Asche.

Schonungslos, auch mit Strassennamen

Stritt schonte in seinen Texten weder sich noch andere. Bitterböse bis verstörende Aussagen, manchmal auch versöhnliche Worte, waren zu hören. Sogar mit den Strassennamen seiner Wahlheimat Bern hat er sich angelegt. Was auf -weg endet, so wie Tulpenweg, wurde in einer langen Auflistung kurzerhand zu "Tulpen weg" aufgetrennt. Alles weg, auch der "Waffen weg". Geniale Idee.

Ivo Stritt beim Lesen seiner Texte bevor sie verbrannt wurden
Ivo Stritt beim Lesen eines Textes kurz bevor er in Flammen aufging. 

Auf dass das Feuer seine reinigende Wirkung auch auf Stritts künftiges (Schreiber)Leben entfalte, und er seine nach eigenen Aussagen Schreibblockade überwinde. Und: Er möchte nicht mehr über sich schreiben. 

Frapp - Mario Corpataux
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