Weshalb die Argumente der Liga nicht gelten

Damien Brunner nahm nach einer Offside Entscheidung kein Blatt vor den Mund. Auch Christian Dubé echauffierte sich schon wegen derselben Thematik.

Damien Brunner platzte wegen fehlender Kameras auf den blauen Linien der Kragen. © KEYSTONE

Es brodelt in der National League. Grund dafür ist ein Interview von Biel Stürmer Damien Brunner, in dem er nach der 1:2 Niederlage gegen die ZSC Lions, die Liga kritisierte. Brunner bemängelte das Fehlen von Kameras auf Höhe der blauen Linie, sogenannte "Blue-Line Kameras". In der Tat können die Linienrichter bei einer Coaches Challenge nur auf die in der Mitte positionierte Kamera zugreifen. Bei der fraglichen Szene zwischen den ZSC Lions und Biel, war es für die Linienrichter darum unmöglich, den On-Ice Entscheid eindeutig zu widerlegen, weswegen das Tor für die Zürcher zählte.

Auch Dubé fluchte schon

Wegen des gleichen Ansinnens fluchte Gottéron-Trainer Christian Dubé. „Amateurliga!“ wetterte Dubé nach einer 2:4-Niederlage gegen Genf-Servette im Oktober. Relativ ähnlich tönt es von Biel-Stürmer Damien Brunner.

Alle jammerten in der Coronapandemie, man habe zu wenig Geld und nun habe praktisch jedes Team mehr als sechs Ausländerlizenzen gelöst, lässt sich Brunners Wutrede zusammenfassen. Und: Wieder heisse es bei solchen technischen Innovationen, das Geld fehle, dies sei schlicht unprofessionell.

Liga wehrt sich gegen Vorwürfe

Brunners Kritik richtet sich gegen "die da Oben", wie er im Interview sagt. Gemeint ist die National League. Deren Direktor Denis Vaucher nimmt die Kritik gelassen, wie er in einem Interview mit "MySports" zeigt. "Die Liga ist sowieso immer Schuld in solchen Situationen, das macht aber nichts, mit Kritik können wir umgehen," so Vaucher.

Der Berner versucht dann auch zu erklären, warum bis Anhin noch keine Kameras auf Höhe der blauen Linie platziert sind.

1. Fehlentscheide lassen sich auch mit zusätzlichen Kameras nicht vermeiden

"Im konkreten Fall steht ein Linienrichter direkt auf der blauen Linie und somit vor der potenziellen Kamera. Es braucht nur noch eine Person in der Kameralinie und man sieht nichts mehr."

Dass auch mit mehr Technik Fehler nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden können, bestreitet wohl niemand. Mehr Kameras bedeuten aber auch mehr unterschiedliche Winkel und damit reduziert sich die Gefahr von Fehlentscheidungen nur schon mathematisch. Erinnern wir uns zurück vor einigen Jahren, als die Schiedsrichter bei Torszenen nur wenige Kameras zur Verfügung hatten und das entsprechende Theater, welches dies teilweise mit sich zog. Seit die Schiedsrichter bei der Frage "war die Scheibe tatsächlich über der Linie?" auf Kameras von praktisch sämtlichen Winkeln zugreifen können, kommen solche Diskussionen nicht mehr vor. Das Argument "mehr Kameras bringen nichts" zieht also nicht.

2. Für Milimeterentscheide ist die Challenge nicht geeignet

"Es war nicht Sinn und Zweck als man die Challenge einführte, damit Milimeterentscheide zu korrigieren." Die Challenge sei ein Mittel, um klare Fehlentscheide zu verhindern.

Eine schöne Theorie seitens der Liga und (!) der Sportchefs, die das regulativ absegneten, jedoch in der Praxis schlicht nicht praktikabel. Hat das Mitglied des Staff, welches auf Höhe der blauen Linie sitzt, das Gefühl, eine Offside Situation liegt vor, so funkt er dem Trainer auf die Bank und dieser nimmt seine Challenge. In den wenigsten Fällen wird wohl gedacht, dies könnte eine Milimeterentscheidung sein, nehmen wir die Option nicht wahr, sofern ja eine falsche Challenge sowieso mit einer zwei Minutenstrafe sanktioniert wird. Kann dann eine Szene aufgrund nicht vorhandener Fernsehbilder nicht professionell entschlüsselt werden, steigt der Frust verständlicherweise.

3. Die Kosten

"Der tatsächliche Kostenpunkt wäre rund eine Million, um die Kameras in allen Stadien zu installieren. Hinzu kommen noch Gegebenheiten mit der Produktionsfirma, die das Ganze produzieren müssten. So trivial ist das nicht" MySports-Experte Timo Helbling fügt an, dass solche Situationen ja nicht allzu oft vorkommen würden und das Geld daher im Verhältnis ausgegeben werden müsse.

Diese Argumentation mutet doch etwas zynisch an. Bringen die 14 Clubs das Geld von etwas mehr als 71‘000 Franken pro Club tatsächlich nicht auf? Jeder Spieler bei Freiburg-Gottéron und auch bei den anderen Teams mit einem Profi-Vertrag dürfte in einer Saison mehr verdienen. Inzwischen hat es bereits fünf Trainerentlassungen gegeben in der aktuellen Saison und das Minimum von sechs Ausländern haben gerade mal noch Davos und Langnau unter Vertrag. Man braucht kein Genie zu sein, um die Frage zu beantworten, bringen die Clubs die 71‘000 Franken für die Kameras tatsächlich nicht auf?

Die Rechnungen der Clubs lauten jedoch anders: Neue Spieler und Trainer machen in der Regel das Team besser. Ein besseres Team führt zu mehr Punkten. Mehr Punkte führen zu mehr zufriedenen Zuschauern, die einen Match besuchen. Und mehr Zuschauer im Stadion führt schliesslich zu mehr Geld in der Clubkasse.

Zusätzliche Kameras führen bei den Clubs in erster Linie zu zusätzlichem Aufwand.

Spieler und Schiedsrichter zahlen Preis für unprofessionelles System

Die Videotechnik ist zweifellos nicht nur schlecht. In vielen Fällen half die Coaches Challenge bisher ein irreguläres Tor zu erkennen und entsprechend zu annullieren, auch schon bei Offside-Entscheidungen. Allerdings ist das Video-System, wie das Beispiel ZSC-Biel, aber auch Freiburg-Genf vom Oktober zeigt, nur halbfertig und daher nicht professionell. Im Moment zahlen Spieler und Schiedsrichter den Preis für die fehlende Professionalität.

Die Liga versteckt sich derweil hinter ihren Statuten, da die Sportchefs das Reglement ja abgesegnet haben. Allerdings sollte es auch Aufgabe der Liga sein, auf solche Lücken im System schon im Vorfeld aufmerksam zu machen und geeignete Lösungen zu suchen. Einfach mal nach dem Motto "Try-and-Error" zu probieren, führt eben genau zu Diskussionen um fehlende Professionalität. Von daher gesehen trifft Damien Brunner mit seiner Kritik absolut ins Schwarze.

Zum letzten Flammewärfer:

RadioFr. - Ivan Zgraggen
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