Echte Begegnungen zulassen

Instrumente reichten für Kate Birch nicht mehr aus, um ihr Inneres auszudrücken. Ihr Album "The Fool" ist freie Entfaltung via Begegnungen.

"The Fool" entstand durch intensive und touchierende Begegnungsmomente. © zvg

Je nach Kontext füllen wir andere Rollen aus. Das Spektrum dessen, was wir als unsere Persönlichkeit ausweisen und wie wir in gegebenen Situationen agieren, kann sich unbestimmt ausbreiten. Ist jemand eher "Rebell", "Heldin", "Weise", "Schöpferin", um auf die Archetypen des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung zu verweisen, oder doch eher ein "Narr", eine "Närrin"?

Letzterem Archetyp hat Laura Schuler alias Kate Birch das Album The Fool gewidmet. Dieser Archetyp ist für die Musikerin unter anderem wegen des Attributs des Humors wichtig. "Dieser Archetyp ist insofern wichtig, weil er durch die Narrenfreiheit alles darf und kann, [...] was wichtig ist, um uns den aktuellen Ereignissen und anstehenden Wandlungen auf der Welt zu stellen."

Das Einfühlen in die närrische Rolle befreit zudem von eigenen Mustern. Laura Schuler selbst hat sich in der Entstehungsphase des Albums The Fool beispielsweise von eigenen Perfektionszwängen befreit. Gerade punkto Gesang erfuhr sie einen närrischen Schlüsselmoment, in dem die Violinistin und Komponistin ihre künstlerische Expression um das Verbale erweiterte, zwar Technik lernte, aber vor allem Gefühl obsiegen liess. Dementsprechend ist die Musik auf The Fool nebst kompositorischer und instrumentaler Versiertheit auch reich an Versuch und Spiel.

Schuler produziert und mischt ihre Musik gleich selbst und setzt auch hier bewusst auf Experimentierfreudigkeit. Gerade deshalb wirkt das Album sonisch enorm satt, vielschichtig oder wie ein Zuckerstock an Ideen.

Begegnung und Transformation

Die Texte auf The Fool berichten von spontanen Begegnungen. Bald narrativ, bald lyrisch verzettelt generieren die Texte bannend intime Austauschmomente. Das Stück "A Dancer Named Joy" beispielsweise entstammt einer spontanen Begegnung in New York mit einer 84-jährigen Frau. Einem Konzert eines Schlagzeugers lauschend unterhielt sich Schuler mit der Dame, die, wie sich herausstellte, ihr Leben lang Ballett tanzte, und sich nun dem Studium des Schlagzeugspiels widmen möchte. Ein weiterer Schlüsselmoment für Schuler, die das Ethos der Tänzerin im Song paraphrasierte.

Laura Schuler alias Kate Birch zeigt auf The Fool nicht nur Musik, die sich wie ein Imaginarium hörend erkunden lässt, sondern es ist auch eine sonische Öffnung hin zur Persona Laura Schuler. Und vielleicht wirkt das Narrativ des Albums so reich, weil darin viel gelebtes Leben der Künstlerin steckt. Hier ist wohl auch der Initialmoment auszumachen, den die Künstlerin zum Texten und Singen brachte. "Instrumentalmusik reichte einfach nicht mehr aus, um das zu erzählen, was in mir steckt", wie Schuler erklärt. Somit sind die Momente, die zu den Songs führten, nicht nur Begegnungen mit anderen Personen, sondern auch Auseinandersetzungen der Künstlerin mit sich selbst. "Auseinandersetzung passiert immer zuerst mit sich selbst und Begegnungen mit Mitmenschen spiegeln diese innere Auseinandersetzung wider."

RadioFr. - Valentin Brügger
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