Schweiz kämpft gegen mehrere Negativserien

Deutschland ist für die Schweiz immer ein besonderer Gegner. Seit 2004 resultierte gegen den grossen Nachbarn kein Sieg in einem entscheidenden Spiel mehr. In Riga soll sich dies am Donnerstag ändern.

Schlechte Erinnerungen: Deutschlands Marcel Noebels verwertet im Viertelfinal 2021 den entscheidenden Penalty gegen Leonardo Genoni © KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI
Enttäuschung pur bei Tristan Scherwey, Romain Löffel, Christoph Bertschy und Andres Ambühl (von links nach rechts) nach dem verlorenen Viertelfinal vor zwei Jahren © KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI
Der Frust der Schweizer über die Niederlage führt zu einer Massenschlägerei © KEYSTONE/ARNO BALZARINI
Der Schweizer Headcoach Sean Simpson stellt sich nach der "Schlacht von Mannheim" den Journalisten © KEYSTONE/ARNO BALZARINI
Yannic Seidenberg (Nummer 36) hat im Olympia-Viertelfinal 2018 soeben in der Verlängerung das spielentscheidende 2:1 für Deutschland erzielt © KEYSTONE/AP/FRANK FRANKLIN II
Der heutige Nationaltrainer Patrick Fischer (links) und Assistenztrainer Marcel Jenni (Mitte) freuen sich 2004 in Prag über den wichtigen 1:0-Sieg gegen Deutschland, im Hintergrund der damalige Nationaltrainer Ralph Krueger © KEYSTONE/ARNO BALZARINI
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Andres Ambühl muss nicht lange überlegen. Das letzte Gruppenspiel gegen Lettland ist zwar gerade eben zu Ende gegangen, doch der Schweizer Oldie kann den Schalter sofort umlegen. Drei bittere Niederlagen in den letzten drei K.o.-Duellen gegen die Deutschen? "0:1, glaub, dann in der Verlängerung und im Penaltyschiessen." Ambühl muss es wissen, er stand bei allen drei Enttäuschungen auf dem Eis.

Unrühmliche Schlacht von Mannheim

Die Bilanz gegen die Deutschen ist tatsächlich verrückt. In Gruppenspielen hat die Schweiz in den letzten 20 Jahren immer gewonnen. Sobald es aber um Alles oder Nichts ging, hatten die Deutschen stets die Nase vorn. Angefangen hat die Malaise 2010 in der "Schlacht von Mannheim". Ein Tor reichte den Deutschen zum Halbfinaleinzug, am Ende entlud sich der Frust der Schweizer in einer Massenschlägerei.

Es dauerte bis zu den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang, ehe die Chance zur Revanche kam. Die NHL-Spieler fehlten komplett, die ideale Chance auf einen Medaillengewinn? Mitnichten. Das mittlerweile von Patrick Fischer trainierte Team unterlag nach einem saftlosen Auftritt durch ein Gegentor nach 26 Sekunden der Verlängerung 1:2. "Ich sah die Mannschaft nicht einmal so, wie ich sie kenne", zeigte sich Fischer damals ernüchtert.

Diesmal dauerte es nur drei Jahre bis zum nächsten Versuch. 2021, ebenfalls in Riga, aber wegen Corona ohne Zuschauer. Die Schweizer führten 2:0, warteten im Schlussdrittel nach dem Anschlusstreffer wie das Kaninchen vor der Schlange, bis die Deutschen 44 Sekunden vor Schluss völlig verdient ausglichen. Im fälligen Penaltyschiessen versagten die Schweizer - inklusive Ambühl - dann völlig. Fischer sprach von "einer harten Lektion".

Viertelfinals wie ein Fluch

Nicht nur die Deutschen haben sich zu einem kleinen Trauma für die Schweizer Hockeyspieler entwickelt, auch die Viertelfinals wirken schon fast wie ein Fluch. Seit der WM-Silbermedaille von 2018 verlor man hintereinander durch ein Gegentor in der Schlusssekunde gegen Kanada (2019), eben gegen Deutschland im Penaltyschiessen (2021) und im letzten Jahr nach einer glänzenden Vorrunde mit sieben Siegen gegen die vermeintlich schlagbaren USA (0:3).

Das Selbstvertrauen ist auch diesmal gross, der Respekt vor den Deutschen allerdings auch. "Es war immer sehr eng", erinnert sich Andres Ambühl. "Das erwarte ich auch jetzt." Schmunzelnd fügt das 39-jährige Davoser Urgestein an: "Aber mit anderem Ausgang."

Erinnerung an Prag

Neun Spieler sind vom Team, das 2021 den Deutschen unterlag, wieder dabei, andere - wie Captain Nino Niederreiter - können unbelasteter antreten. Der NHL-Star der Winnipeg Jets gab 2010 als 17-Jähriger sein WM-Debüt, war aber gegen Deutschland überzählig. Im Übrigen haben nicht alle im Team nur negative Erinnerungen an den grossen Nachbarn. "Ich habe gegen Deutschland öfter gewonnen als verloren", betont Patrick Fischer.

Tatsächlich war er beim letzten wichtigen Sieg gegen die deutsche Auswahl 2004 in Prag dabei - als Spieler wie auch Ambühl. Damals in Prag war es zwar ein Vorrundenspiel, faktisch allerdings ein Achtelfinal, denn es ging in der letzten Runde um den Einzug in die Viertelfinals. Die Schweiz gewann durch einen Treffer von Valentin Wirz 1:0, Goalie Martin Gerber feierte einen Shutout.

Selbstbewusste Deutsche

Es wäre also Zeit für einen neuerlichen Triumph gegen Deutschland. Doch aufgepasst: Diese spielten eine gute Vorrunde, auch wenn es nur zum 4. Platz reichte. Die ersten drei Partien gegen Schweden, Finnland und die USA gingen in Tampere mit jeweils einem Tor Differenz verloren, danach gewann das Team des ehemaligen Lugano- und ZSC-Meistertrainers Harold Kreis viermal deutlich. Am Mittwochnachmittag kam das Team in Riga an und kündigte sich mit lauter Musik aus der Garderobe an.

Falsche Bescheidenheit ist nicht das Ding der Deutschen. "Die Schweizer werden das Spiel bestimmt nicht diktieren. Wir werden schon auf Augenhöhe gegen die antreten", meinte Kreis selbstbewusst. Und SCB-Stürmer Dominik Kahun vermutet: "Sie haben das grosse Ziel, Weltmeister zu werden. Dafür tun sie alles." Und die Deutschen möchten diese Suppe nur zu gerne wieder versalzen.

Der Druck liegt jedenfalls bei den Schweizern. Sie müssen gleich mehrere Dämonen vertreiben. Wer zu den Grossen gehören will, muss endlich wieder einmal einen Viertelfinal gewinnen - egal, wer der Gegner ist.

SDA
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