Wettkampf-Stätten als künftige Bauleichen?

Milliarden werden für Olympische Spiele in topmoderne Wettkampf-Stätten investiert, die nur zwei Wochen lang gebraucht werden. Auch in Peking werden viele Bauleichen zurück bleiben.

Die topmoderne Olympia-Sprungschanze in Zhangjiakou © KEYSTONE/PETER KLAUNZER
Die topmoderne Olympia-Sprungschanze in Zhangjiakou © KEYSTONE/PETER KLAUNZER
Die topmoderne Olympia-Sprungschanze in Zhangjiakou © KEYSTONE/PETER KLAUNZER
Die topmoderne Olympia-Sprungschanze in Zhangjiakou © KEYSTONE/PETER KLAUNZER
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Leuchttürme wurden in vergangenen Zeiten gebaut, um Schiffe vor gefährlichen Gestaden zu warnen. Die meisten erfüllten Jahrhunderte lang treu ihren Zweck. Heutzutage sollen Leuchttürme im übertragenen Sinn vor allem Aufmerksamkeit generieren und Leute anlocken.

Ein solcher steht in den Bergen von Zhangjiakou, während der eben zu Ende gegangenen Spiele von Peking das Herz des Schneesports. Von weit her leuchtet das Oval auf der Spitze der Skisprung-Schanzen einem Ufo gleich über das Tal. Selbst zwei Tage nach den letzten Wettkampf-Sprüngen strahlte es hell durch die Nacht. Man ist in China stolz auf das eindrückliche Bauwerk, Energie sparen ist da zweitrangig.

120 Kilometer weiter südlich in Yanqing schlängelt sich die modernste, komplett überdachte Bob-Bahn der Welt einem Drachen gleich ins Tal. Am besten lässt sie sich aus einer Gondel betrachten, die ins nationale alpine Skicenter in den Xiaohaituo-Bergen führt. Es sind drei der Leuchttürme, die für die ersten Winterspiele im bisher kaum Wintersport-affinen China erstellt wurden - und deshalb längerfristig kaum gebraucht werden.

Athen und Rio als Mahnmal

Die Bilder der verfallenden, von Unkraut überwucherten Stätten der Sommerspiele von 2004 in Athen, deren Kosten Griechenland fast in den Bankrott trieben, sind ein trauriges Mahnmal für die fehlende Nachhaltigkeit sportlicher Grossanlässe. Viele der Austragungsorte von Rio de Janeiro 2016 sind bereits nach weniger als sechs Jahren nicht mehr zu gebrauchen - weil das Geld für den Unterhalt fehlt und vor allem, weil sie eben gar nicht mehr gebraucht werden.

Die Finanzen dürften in China das kleinere Problem sein. Genaue Zahlen zu den Kosten der Spiele von Peking sind schwer zu erhalten. Wer nachfragt, wird mit der - lächerlich tiefen - Zahl von 3,9 Milliarden Dollar abgespeist. Experten gehen von einem bis zu zehnmal so hohen Betrag aus. Umstritten ist dabei, ob Infrastruktur-Kosten wie der Ausbau der Autobahn oder die Konstruktion eines Hochgeschwindigkeits-Zugs in die Berge den Olympia-Kosten zugeschlagen werden sollen. Immerhin besteht die Chance, dass sie mittelfristig zu mehr Besuchern in den Hotels und Skigebieten führen. Ein erklärtes Ziel Chinas bei der Ausrichtung der Spiele ist die Förderung des Winter-Tourismus unter der eigenen Bevölkerung.

Unbestritten ist, dass die Ausgaben für Skisprung-Schanzen, Eiskanal und Abfahrts-Strecken kaum je rentieren werden. Es sind Anlagen, die sich für den Breitensport nicht eignen und für Sportarten, in denen Chinesen auch nach sechs Jahren intensiver Olympia-Vorbereitung international nicht konkurrenzfähig sind.

Was die einzelnen Sportstätten kosteten, ist kaum zu verifizieren. Es dürften jeweils mehrere hundert Millionen sein. Die Skisprung-Anlage soll im Sommer als Fussballstadion und für Grasski genützt werden. Insgesamt droht den Sportstätten aber das gleiche Schicksal wie in Sotschi (Spiele 2014) oder Pyeongchang (2018). Sie werden nicht mehr gebraucht, schon gar nicht in diesen Dimensionen.

Ein logistischer Albtraum

"Es ist sehr wichtig, künftig Weltcups und Weltmeisterschaften in diesen prachtvollen Sportstätten auszutragen", sagte der Schweizer IOC-Olympiadirektor Christophe Dubi. Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben, denn die Sportler sehen das ganz anders. "Nie mehr China", meinte die dreifache Schlittel-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger nach ihrer Abreise. "Wer kommt auf die Idee, an einem so kalten und windigen Ort Biathlon-Wettkämpfe durchzuführen?", fragte sich der Schweizer Benjamin Weger. "An sich haben sie da schon eine coole Strecke gebaut", lobte die deutsche Abfahrts-Vierte Kira Weidle. "Aber die Reise ist natürlich schon extrem, das braucht man jetzt nicht unbedingt in einem eh schon sehr engen Weltcup-Kalender."

Das zeigt ein Problem in den meisten Winter-Sportarten auf. Der Kalender ist bereits vollgepackt und stark auf Europa und - zum Teil - Nordamerika ausgerichtet. Die Schweiz musste bereits hart kämpfen, um mit der neu gebauten Anlage in Lenzerheide in den Biathlon-Weltcup aufgenommen zu werden. Bis 2026 sind sämtliche Weltcup-Orte bereits fixiert. Logistisch wäre ein China-Abstecher ein Albtraum, und von staatlicher Stelle ist das Interesse nach den - aus ihrer Sicht - erfolgreichen Winterspielen kaum mehr gross.

Keine Spur von Nachhaltigkeit

Offiziell sollen die Wettkampfstätten in erster Linie als Trainingsbasis für chinesische Spitzensportler dienen. "Mit diesen idealen Anlagen springen die Chinesen in zehn Jahren vielleicht vorne mit", gibt sich der vierfache Olympiasieger Simon Ammann vorsichtig optimistisch. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass die staatliche Unterstützung für den Winter-Spitzensport nun wieder deutlich reduziert wird.

In den Eis-Sportarten wie Shorttrack oder Curling können sich die Chinesen vielleicht langfristig im Spitzenfeld halten, im Schnee, wo sie es selbst auf die Heimspiele ausser im Freestyle-Bereich nicht hinbekommen haben, dürfte sich dies kaum ändern. Und so werden aus den Leuchttürmen wohl auch hier Olympia-Leichen.

SDA
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