"Bei Aufsteigern gibt es kein Wunschkonzert"
Die Zehnerliga in der Super League ist Geschichte. Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, spricht über das Ende einer Ära, die Herausforderungen der Aufsteiger und die kommende Zwölferliga.
Claudius Schäfer, nach 20 Jahren geht die Ära der Zehnerliga in der Super League zu Ende. Mit welchen Gefühlen verabschieden Sie sich?
"Mit gemischten. Einerseits hatten wir zum 20. Geburtstag eine tolle Saison mit einem historischen Publikumsrekord. Andererseits ist es auch schön, nach dieser erfolgreichen Zeit einen Wechsel zu haben. Jetzt kommt die Zwölferliga mit neuen, spannenden Teams. Klubs, die wahrscheinlich nicht viele auf der Rechnung hatten."
Sie sagen es: Die Aufstockung auf zwölf Teams erfolgt ausgerechnet nach der Saison mit dem höchsten Zuschauerschnitt. Wurde hier ohne Not ein Erfolgsmodell begraben?
"Es war allen bewusst, dass wir den Zuschauerschnitt bei zwölf Teams wahrscheinlich nicht halten können. Dafür werden mit den zusätzlichen Spielen insgesamt noch mehr Menschen die Stadien besuchen. Wir lassen die Zwölferliga auf uns zukommen und werden nach ein paar Jahren ein erstes Fazit ziehen. Am Schluss bestimmen unsere Mitglieder, die Klubs, wie die Reise weitergeht."
Was sagen Sie dazu, dass gleich drei Klubs aus dem Kanton Waadt aufgestiegen sind?
"Für den Kanton ist es eine Erfolgsgeschichte. Es wird viele Derbys geben, die auf grosses Publikumsinteresse stossen werden. Es gibt aber auch neun andere Teams in der Super League, die auf der Landeskarte insgesamt schön verteilt sind."
Lausanne-Ouchy hatte in der abgelaufenen Saison durchschnittlich 1200 Fans pro Spiel. Hätten Sie sich einen Aufsteiger mit grösserer Fanbasis gewünscht?
"Es ist kein Wunschkonzert. Es steigen die Klubs auf, die sich sportlich qualifizieren und die Lizenz erhalten. Es gab schon immer Vereine, die mehr, und solche, die weniger Zuschauer anziehen. Der FC Stade Lausanne-Ouchy ist 2000 durch die Fusion zweier Traditionsklubs entstanden und hat sich seither aus dem Amateurfussball hochgearbeitet. Das ist doch eine interessante Geschichte. Beim Barrage-Rückspiel waren über 10'000 Fans im Stadion. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass das immer so sein wird, aber der Aufstieg in die Super League wird sicher einen positiven Effekt haben."
Wird die Liga weniger attraktiv?
"Dass es sportlich weniger attraktiv wird, kann ich mir nicht vorstellen. Aber wie gesagt: Ein erstes Fazit können wir erst in ein paar Jahren ziehen."
Kurz nach dem Aufstieg wurden Yverdons Stadionprobleme bekannt. Wie konnte das passieren?
"Situationen wie diese sind bekannt: Ein Klub stellt alle Dokumente zusammen, gibt sie bei der Lizenzkommission ein und plötzlich kommt es zu Änderungen am eingereichten Dossier. In diesem Fall bei der Infrastruktur. Deshalb hat die Lizenzkommission dem Klub mitgeteilt, diesen Bereich noch einmal zu überprüfen. Der Entscheid wird Anfang nächste Woche erwartet. Bis dahin kann ich nicht mehr dazu sagen."
Mit dem FC Sion ist ein Traditionsverein abgestiegen, der 17 Jahre in der höchsten Liga war.
"Die Super League verliert einen attraktiven Klub aus einem fussballbegeisterten Kanton. Das ist anderen Klubs auch schon passiert. Ich denke zum Beispiel an den FC Zürich, der danach gestärkt zurückgekehrt ist. Ich kann mir vorstellen, dass es dem FC Sion ähnlich ergehen könnte."
Auch sonst war es eine ereignisreiche Saison. Beim FC Luzern werden die Besitzverhältnisse gerichtlich bestritten. Fürchten Sie weitere Unruhen rund um den Verein?
"Leider waren die Schlichtungsversuche, die der Stadtpräsident und ich in diesem Konflikt unternommen haben, nicht erfolgreich. Nun laufen die Rechtsverfahren und wir warten die Urteile ab. Im Moment ist es relativ ruhig rund um den Klub, auch dank dem sportlichen Erfolg. Ich hoffe, das bleibt so."
Bei den Grasshoppers prüfen die chinesischen Besitzer offenbar Übernahmeangebote. Viele Schlüsselpositionen sind nicht besetzt.
"Es ist eine neue Realität im Fussball, dass Klubs ausländische Eigentümer bekommen und die Identität des Vereins sich ändert. Nach dem Fall Tschagajew bei Xamax schaut die Liga bei Übernahmen sehr genau hin. Aber wenn alle Voraussetzungen erfüllt werden, gilt es solche Besitzerwechsel zu akzeptieren."
Schliesslich der ehemalige Ligakrösus Basel, der immer noch mit einem grossen strukturellen Defizit kämpft. Was passiert, wenn sich der Klub nicht für die Conference League qualifiziert?
"Eine zu grosse Abhängigkeit von Einnahmen aus europäischen Wettbewerben betrachten wir sehr kritisch. Ein Klub wie der FC Basel möchte international spielen und erfolgreich sein. Dafür braucht es die nötige Qualität im Kader. Mit der in Basel herrschenden Struktur geht es in dieser Konstellation nicht anders, als gewisse Risiken einzugehen. Aber dann gehe ich davon aus, dass die Mittel vorhanden sind, allfällige Verluste abzufedern."
Auf der anderen Seite steht der dominante BSC Young Boys, der kommende Saison nur eine Runde überstehen muss, um in der Gruppenphase der Champions League zu spielen.
"Für die Spieler, Fans und die Klubfinanzen ist eine Champions-League-Qualifikation das Schönste. Eine Herausforderung ist es für die Ausgeglichenheit in der Liga, wenn ein Verein plötzlich Einnahmen generiert von 30 Millionen Franken und mehr. Deshalb setzen wir uns seit Jahren für mehr UEFA-Solidaritätsgelder ein, die den Klubs zugutekommen, die nicht europäisch unterwegs sind. Das würde die allgemeine Attraktivität der Liga steigern."
Wie wichtig ist in dieser Hinsicht die vor zwei Jahren lancierte Conference League?
"Sie ist sehr wichtig. Nach anfänglichen Zweifeln ist klar, dass auch dieser Wettbewerb auf breites Interesse stösst. In der Gruppenphase sind die Prämien der UEFA für Schweizer Klubs höher als diejenigen der SFL in der heimischen Liga. Zudem ist es deutlich einfacher als in der Champions League, den UEFA-Koeffizienten aufzubessern. Auch dank der durch den FC Basel in dieser Saison gesammelten Punkte steht die Schweiz im Ranking viel besser da als noch vor ein paar Jahren und spielt wieder um einen direkten Platz in der Champions League."
Hilft die Zwölferliga, dass die Schweiz im Europa-Klassement weiter hochklettert?
"Die Teams waren in der Zehnerliga schon sehr kompetitiv unterwegs. Es wird sich zeigen, wie es mit der Zwölferliga sein wird. Grosse Auswirkungen auf das europäische Abschneiden erwarte ich nicht."
Was konkret erhoffen Sie sich von der Zwölferliga?
"Wir haben lange diskutiert, wie gross die Liga sein soll. Nach vielen Gesprächen haben sich die Klubs erst auf die Anzahl der Teams, etwas später auch auf den Modus geeinigt. Nun werden wir beobachten, wie sich das neue Modell entwickelt. Es sind neue Teams dabei, es wird viele interessante Begegnungen geben. Darauf freue ich mich."
Mit dem Modus kann es passieren, dass ein Team dreimal auswärts und nur einmal daheim gegen ein anderes antritt. Diskussionen sind vorprogrammiert.
"Es ist ein Modus, der stark von den Klubs und den Fans propagiert wurde. Im Entscheidungsprozess wurden alle Vor- und Nachteile detailliert aufgezeigt. Auch dieses mögliche Szenario der ungleichen Anzahl Heim- und Auswärtsspiele ist bekannt. Komplett ausschliessen kann ich es nicht, aber ich gehe nicht davon aus, dass es grosse Diskussionen geben wird."