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Von Nähe und Erkenntnis

Auf dem Album "Hello Future Me" richtet Emilie Zoé den Blick stärker nach Innen. Entstanden ist ein wohldosierter, subtiler Sound mit viel Raum für's Gegenüber.

"Hello Future Me" von Emilie Zoé touchiert durch viel Gefühl für Raum und Nähe. © Léa Martinez

Mit ihrem versierten Songwriting hat sich Emilie Zoé in den letzten Jahren zu einem Fixstern der alternativen Musikszene gemausert. Durch ihr feinfühliges Changieren zwischen emotionaler Nähe und energiegeladener Entgrenzung bewies die Lausannerin im In- und Ausland ihre Fähigkeit, Bühne und Publikum im Moment zu bannen. Ein Talent, das 2020 bereits mit dem Musikpreis des Bundesamts für Kultur gewürdigt wurde. Ihr berückend tuchfühliger Sound in Lo-fi-Manier klingt bald erdig, bald schwebend, was zusammen mit ihrem leicht-heiseren, dringlichen Gesang eine enorme Gravitas generiert. Auf ihrem neuen Album Hello Future Me behält sie die zentralen Elemente ihrer Musik bei, lässt aber mehr Raum und Nähe zu.

Hoher Arbeitsethos und akribische Suche

Nebst der atmosphärischen Kunstfertigkeit beeindruckt Emilie Zoé durch ihre Produktivität. In den letzten zwei Jahren hat sie nicht nur an ihrem Album gearbeitet, sondern auch mit ihrem Drummer Nicolas Pittet und Franz Treichler der Young Gods erfolgreich das Projekt /A\ lanciert, mit der Finster-Metal Combo Abraham einige Songs aufgenommen und zusammen mit Christian Garcia-Gaucher den Filmsoundtrack Pigeons geschaffen. "Der Kontext und die Kollaborationen entscheiden, wie gut die Arbeit vorankommt", wie Emilie Zoé meint. Wenn alles stimmt, könne ein sehr kreatives Momentum entstehen.

Für ihr neues Album Hello Future Me hat sie sich fast anderthalb Jahre Zeit genommen, hat nach dem richtigen Feeling gesucht und sich akribisch dem Rohschliff der neuen Songs gewidmet. Die acht finalen Stücke auf dem Album haben ein breiteres Instrumentarium als die oftmals auf Stimme, Saiten und Schlagzeug reduzierten Songs auf bisherigen Veröffentlichungen. Es war ihr ein grosses Bedürfnis, jenes Instrument für die Endversionen der Songs beizubehalten, auf dem die Rohfassungen entstanden sind. So klunkert auf dem Opener "Across the Border" ein leicht verzogenes Klavier nebst ihrer Stimme daher, gleich darauf folgt mit "Parent's House" robustes Gitarrenspiel und fadengerade Drums, die in Combo mit der nun fast hauchend klingenden Stimme an Cat Powers "Cross Bones Style" erinnert und auf "Roses on Fire" entfacht eine flirrende Synthie-Orgel die flackernden Takte des Stücks. Eine wunderbare Klang- und Stimmungspalette, die Emilie Zoé kontinuierlich erweitert.

Möglichkeitsräume

Am meisten Zeit lässt sie sich aber auf dem Titelstück Hello Future Me, wobei sie irgendwo in der Hälfte der knapp sieben Minuten im Augenblick zu verharren scheint und den Raum öffnet. Der Titel des Stücks und des Albums referenzieren nicht etwa auf eine bestimmte Zäsur oder einen vermeintlichen Scheideweg in Zoés Vita, sondern auf ihr Fokus auf das Werdende und Verändernde. Die Musikerin versucht in ihren Texten eine zukünftige Version ihrer Innen- und Aussenwelt zu ersinnen, tiefgründige Fragen zu stellen, verhärtete Strukturen zu verflüssigen und Veränderung als zentraler Aspekt des Lebens anzunehmen.

Emilie Zoé greift dabei aber nicht auf plumpe Phrasen oder moralinsaure Hinweise zurück, sondern touchiert Undefinierbares, sucht via Introspektion nach Antworten auf Fragen des Menschlichen. Dabei lässt sie bewusst viel Raum für die Perspektiven und Interpretationen der Zuhörenden. Hello Future Me ist das wohl introspektivste Album von Emilie Zoé. Mit den Songs plädiert sie für mehr Aufmerksamkeit, mehr Fokus auf Details und einen geschärfteren Blick nach Innen, wodurch mehr Nähe zu sich, zu anderen entstehen kann und Veränderung als wunderbar dynamisierend empfunden wird.

Nächste Live-Daten in der Nähe:

17. Februar 2022, Les Docks, Lausanne

22. Februar 2022, Bad Bonn, Düdingen

RadioFr. - Valentin Brügger / rb
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