Ja zum Systemwechsel bei Organspende

Die Schweiz erhält neue Regelungen für die Entnahme von Spenderorganen. Laut der Hochrechnung von gfs.bern im Auftrag der SRG haben die Stimmenden Änderungen des Transplantationsgesetzes mit 59 Prozent Ja angenommen.

In der Schweiz sollen Organe künftig grundsätzlich entnommen werden dürfen, wenn Verstorbene dies zu Lebzeiten nicht ausdrücklich abgelehnt haben. Das hat das Stimmvolk entschieden. (Themenbild) © KEYSTONE/MARTIAL TREZZINI

Die Fehlerquote der Hochrechnung liegt bei plus-minus 3 Prozentpunkten, wie gfs.bern mitteilte. Laut Urs Bieri von gfs.bern stand für die Stimmenden das Anliegen im Vordergrund, mit gespendeten Organen Leben zu retten, wie er gegenüber Radio SRF sagte. Es sei eine kollektive Entscheidung gewesen, die Organe zur Verfügung zu stellen und dafür etwas Selbstbestimmung abzugeben.

Das Ja überrascht nicht: In den beiden jüngsten Umfragen von Tamedia und SRG war die Vorlage auf einen Ja-Anteil von 61 Prozent gekommen. Diese Quoten blieben während der Abstimmungskampagne nahezu unverändert.

Die Schweiz wechselt nun bei der Organspende von einer Zustimmungsregelung zu einer Widerspruchsregelung. Neu ist jeder und jede grundsätzlich Organspender oder -spenderin, wenn er oder sie zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat. Die Schweiz nimmt damit den von mehreren europäischen Ländern gewählten Weg.

Einbezug der Angehörigen

"Erweitert" wird die Schweizer Form der Widerspruchslösung genannt, weil enge Angehörige befragt werden können zum mutmasslichen Willen des oder der Verstorbenen. Dies ist dann der Fall, wenn die verstorbene Person ihren Willen nicht schriftlich kundgetan hat.

Die Änderungen im Transplantationsgesetz sind ein indirekter Gegenvorschlag zur radikaler formulierten Volksinitiative "Organspende fördern - Leben retten". Die Initiative regelte im Gegensatz zur Gesetzesänderung den Einbezug der Angehörigen nicht. Da der Gegenvorschlag in Kraft tritt, wird sie zurückgezogen.

Die Umstellung auf die neuen Regelungen erfolgt frühestens 2023. Denn zunächst muss das neue Register vorbereitet werden, in das der Spenderwille oder aber die Ablehnung einer Spende eingetragen werden kann. Zudem schreibt das Gesetz vor, die Bevölkerung regelmässig und umfassend über die neue Regelung zu informieren.

Antwort auf Organmangel

An der Urne haben sich jene Kräfte durchgesetzt, die den Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung als Antwort sehen auf den Organmangel in der Schweiz. Zwar wären laut Umfragen viele Menschen bereit, ein Organ zu spenden. Viele schreiben ihren Willen aber nicht nieder.

Befragte Angehörige, die nicht Bescheid wissen, lehnen die Organspende deshalb häufig ab. Die "erweiterte Widerspruchslösung" erhöht laut den Befürwortern die Chancen für Kranke, rascher ein gesundes Organ zu erhalten, weil grundsätzlich von einer Zustimmung der Verstorbenen zur Organentnahme ausgegangen werden kann.

Ende März warteten laut der Stiftung Swisstransplant in der Schweiz 1462 Menschen auf ein Spendeorgan. Pro Woche würden eine bis zwei Personen sterben, weil für sie in der Wartezeit kein passendes Organ gefunden werde, schrieb das Befürworter-Komitee. In der Schweiz gebe es dreimal so viel Menschen, die auf ein Organ warteten als verfügbare Organe.

Umstrittene körperliche Unversehrtheit

Gegen den Systemwechsel war ein unabhängiges und überparteiliches Referendumskomitee unter dem Titel "Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung" angetreten. Es argumentierte, dass wissenschaftlich nicht belegt sei, dass die Widerspruchslösung tatsächlich zu mehr Organspenden führe.

Es sei zudem ethisch fragwürdig, mündige Menschen zu Organspendern zu machen, die zu Lebzeiten nicht widersprochen hätten. Wer eine Organentnahme nicht explizit ablehne, über dessen Körper verfügten nach dem Tod andere, von Rechts wegen. Dabei garantiere die Verfassung das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

Dem Komitee erscheint es zudem nicht machbar, dass alle Menschen in der Schweiz ausreichend über die Regelung zur Organentnahme informiert sind - etwa weil sie die Sprache nicht sprechen oder sich nicht mit ihrem eigenen Tod befassen wollen. Eine solche Informationspflicht sieht das Gesetz neu vor.

SDA
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