Erfrischende Welle in der Schweizer Unterwäsche-Industrie

Dominique Boschung aus Düdingen hat mit einer langjährigen Freundin ein Label für nachhaltige Unterwäsche und Bademode gegründet.

Quasi aus der eigenen Not aktiv geworden: Dominique Boschung-Schaad. © Frapp

LANUE ET LENU heisst das Label, das Dominique Boschung-Schaad vor rund drei Jahren mit ihrer langjährigen Freundin gegründet hat. Es steht für nachhaltig produzierte Unterwäsche für Frau und Mann.

Wie die Idee entstand, warum jedoch zuerst Bademode produziert wurde und wofür ein Crowdfunding gestartet wurde, erzählt Dominique, Co-Founderin, Inhaberin und Geschäftsführerin im Interview.

Nadina Schneuwly, RadioFr: Wie ist die Idee zur Gründung des Start-ups entstanden und wie kam es zu LANUE ET LENU?

Dominique Boschung-Schaad: Die Idee entstand aus einem eigenen Bedürfnis. Im Gespräch mit meiner Kollegin haben wir gemerkt, dass schöne, nachhaltige Unterwäsche aus der Schweiz nicht existiert. Daraus entstand die Idee, dass wir das selbst machen könnten.

Dann haben wir geschaut, was es braucht, um eine Kollektion selbst zu machen.

Wir haben nach Schneidereien und Schnitttechnikern gesucht und sind irgendwann fündig geworden. Im Jahr 2022 haben wir - damals noch in Portugal - unsere erste Kollektion auf den Markt gebracht. Das war Bademode und ein Sommerkleid.

Es lief gut, wenn auch mit Verspätung: Alles ging etwas länger, auch wegen Corona. Wir konnten erst ein Jahr später produzieren als geplant. Da wir jedoch mit der portugiesischen Produktion nicht so zufrieden waren, haben wir uns auf die Suche nach Alternativen gemacht. Wir haben in Deutschland eine Schneiderei von einer Frau gefunden, die selbst ein Modelabel hat.

Die Zusammenarbeit gut passt, sie macht lässige Sachen und wir sind super happy. Wir haben dann im Jahr 2023 auch nochmals eine Sommerkollektion gemacht und dort im Erzgebirge in Deutschland produziert.

Ihr wolltet Unterwäsche machen, habt aber Bademode gemacht. Wie kam es dazu?

Genau. Ursprünglich wollten wir Unterwäsche machen und dachten uns, dass ja Bademode nahe ist und wir ja beides machen könnten. Als wir dann so weit waren, dass wir in die Musterung gehen konnten, war halt Herbst.

Da eine Kollektion rund dreiviertel Jahre Vorlaufzeit braucht, haben wir gedacht, jetzt könnten wir diesen Sommer nutzen und Bademode machen.

Und deswegen war das dann noch nicht Unterwäsche, sondern Bademode. Im Folgejahr ist es nochmals ähnlich gelaufen. Wir haben aber schon angefangen, die Schnittentwicklung für die Unterwäsche zu machen.

Dabei haben wir gemerkt, dass Lingerie viel mehr Zeit braucht als Bademode.

Obwohl ja die Bademode auch sehr eng ist, muss Unterwäsche irgendwie trotzdem besser sitzen. Und es sind sensiblere Stoffe. Die Entwicklung dauerte länger, von daher war es für uns gar nicht so schlecht, dass wir die Erfahrungen in der Bademode gemacht haben.

Und jetzt habt ihr ein Crowdfunding am Laufen für die erste Lingerie-Kollektion.

Genau, wir sind jetzt eigentlich so weit, dass wir mit der Produktion starten können. Wir haben viele Musterrunden gemacht, waren auf Messen, um passende Stoffe auszusuchen, haben Produktionspartner, Muster, die gut passen, ein Fitting gemacht für die verschiedenen Grössen...

Wir sind wirklich bereit.

Was jetzt noch fehlt, sind finanzielle Mittel. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, zum ersten Mal ein Crowdfunding auszuprobieren. Es läuft - und ich hoffe sehr, dass wir unseren Wunsch verwirklichen können, diese Unterwäsche-Kollektion zu starten.

Das funktioniert so, dass Interessierte euch mit Geldbeträgen unterstützen können, damit ihr überhaupt in die Produktion gehen könnt?

Ja. Wir haben verschiedene «Goodies». Das sind Produkte, die man über das Crowdfunding kaufen kann, ab 50 Franken. Da haben wir zum einen die Produkte, die es bereits bei uns im Shop gibt, aber eben auch die zukünftigen Lingerie-Produkte.

Es gibt auch die Möglichkeit, beim nächsten Fotoshooting bei uns dabei zu sein.

Das ist immer ein tolles Event - und die Fotos von sich darf man behalten. Ein Goodie ist, dass man im nächsten Designprozess dabei sein kann und dann auch ein gewisses Mitspracherecht hat. So sieht man mal, wie so ein Prozess abläuft, von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt.

Wie läuft dieser Prozess ab?

Von der Idee bis zum Produkt vergeht viel Zeit. Wir starten immer mit einem Moodboard für jeden Artikel, den wir produzieren werden. Dort sammeln wir Fotos - mit Text, was uns an diesen Fotos gefällt und was wir bei unseren Sachen anders machen wollen. Da sind Stoffbeispiele drauf und das geht dann zu unseren zwei Schnitttechnikerinnen in Berlin. Sie machen anhand dieser Ideen und Fotos einen Papierschnitt, der zurück zu mir kommt.

Ich nähe dann im Atelier in Düdingen die ersten Muster, schon aus einem möglichst ähnlichen Stoff.

Dann schauen wir zusammen mit den Schnitttechnikerinnen die Muster an und überlegen, was es für Anpassungen braucht. Dann geht das in eine zweite Runde, und - wenn es sein muss - auch noch in eine dritte. Anschliessend geht es in die Musterproduktion bei der Schneiderei, wo man schaut, ob die Grössen und alle Materialien stimmen. Wenn alles gut ist, sind wir bereit für die Produktion.

Die Körper sind vielfältig. Wie macht ihr das, dass alle etwas Passendes finden?

Das ist eine Herausforderung. Am Anfang wollten wir eine möglichst grosse Grössenrange anbieten. Es ist jedoch relativ schwierig, gerade im Unterwäschebereich, weil man mit verschiedenen Grössen nicht die gleichen Herausforderungen hat.

Man kann nicht einfach das gleiche Produkt grösser machen und dann passt es.

Also haben wir uns momentan geeinigt, dass wir einfach eine gewisse Grösserange anbieten. Wenn weitere Grössen gewünscht werden, werden wir das Angebot Schritt für Schritt anpassen.

Nachhaltige Produktion kann mit höheren Kosten und logistischen Herausforderungen verbunden sein. Wie geht LANUE ET LENU damit um, damit es für die Kundschaft dennoch erschwinglich bleibt?

Das ist nicht ganz einfach. Schon nur der Stoff, den wir kaufen, ist deutlich kostenintensiver als günstige Produkte. Deshalb müssen wir ein paar Abstriche machen.

Wir wissen, dass wir nicht die gleichen Preise haben wie viele Fast Fashion-Anbieter.

Wir haben aber das Gefühl, dass die Qualität, die wir bieten, den Preis wert ist und man dadurch länger Freude am Produkt hat und dadurch auch bereit ist, ein bisschen mehr dafür zu bezahlen.

Du hast über die Stoffe gesprochen. Kannst du uns über die Materialien für eure Unterwäsche-Kollektion erzählen?

Wir haben zwei verschiedene Materialien, quasi zwei Teile einer Kollektion. Das eine ist eine Spitze aus einem recycelten Material, in Norditalien produziert, in der Nähe von Mailand.

Wir schauen bei allen Materialien, dass sie aus Europa stammen. Das ist uns extrem wichtig.

Wenn möglich, Stoffe aus natürlichem Ursprung. Bei gewissen Produkten ist es nicht möglich, wie bei der Bademode. Da kann man nicht Baumwolle wählen, weil es zu wenig gut trocknen würde. Oder auch die Spitze, die Polyesteranteile enthält. Aber wir schauen immer, dass sie aus recycelter Qualität ist.

Der zweite Stoff, den wir haben, ist Tencel. Der ist aus Eukalyptusholz und in der Türkei hergestellt. Tencel hat ganz besondere Eigenschaften: atmungsaktiv, kühlend auf der Haut und super angenehm. Ich mag es sehr auf der Haut.

In der Modebranche gibt es oft Kritik bezüglich Greenwashing und unzureichender Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeitsansprüche. Wie gewährleistet LANUE ET LENU, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen nicht nur ein Marketing-Gag sind, sondern tatsächlich in der gesamten Lieferkette umgesetzt werden?

Wir prüfen alle unsere Partner. Auch bei der Produktion selbst sind wir regelmässig auf Besuch.

Die Frau, die für uns produziert, produziert nur für nachhaltige Marken.

Ihr ist es auch wichtig, nachhaltige Partner zu haben. Das ist viel wert. Und bei den Stoffen schauen wir, ob Bioqualität möglich ist, ob recycelte Qualität möglich ist, ob Produktion in Europa möglich ist. Das sind unsere Kriterien, an die wir uns halten. Wenn das nicht möglich ist, beziehen wir es nicht.

Als Umweltingenieurin kombinierst du deine Leidenschaft für Nachhaltigkeit mit dem Handwerk des Nähens. Welche innovativen Ansätze oder Ideen bringst du in Bezug auf Kreislaufwirtschaft in euer Unternehmen ein?

Für mich ist LANUE ET LENU die Möglichkeit, diese beiden Teile meines Lebens zu verbinden. Also das Thema Nachhaltigkeit durch meinen Job und mein Studium - mit meiner grossen Leidenschaft für das Nähen. Ich nähe seit vielen Jahre und schon lange alle meine Kleidungsstücke und die Kleidung meiner Familie. Es ist mir wichtig, zu wissen, woher ein Stoff kommt und zu überlegen, ob das überhaupt Sinn macht. Betreffend Greenwashing: Es gibt viele Dinge, die auf den ersten Blick oder auf das Erste gut tönen. Wenn du es genauer anschaust, merkst du, das ist vielleicht gar nichts.

Ich bin wissbegierig und will genau schauen, ob es stimmt und ob es wirklich Sinn macht.

Was die Kreislaufwirtschaft betrifft, ist das eigentlich ein Teil meines Jobs, bei dem wir Unternehmen dazu beraten, wie sie zur Kreislaufwirtschaft kommen können. Das ist unsere Vision mit LANUE ET LENU. Wir sind natürlich noch nicht dort, wo wir gerne wären, aber das ist eines unserer grossen Unternehmensziele für später.

Es Dinge gibt, die auf den ersten Blick nachhaltig aussehen, die auf den zweiten Blick eigentlich gar nicht sind. Gibt es da einen typischen Irrtum, den du aufklären möchtest?

Gerade in der Fast-Fashion-Branche, wo sich Unternehmen immer wieder besser darstellen, als sie es sind. Ich glaube, es macht sicher Sinn, anzuschauen, wo produziert wird.

Aus asiatischen Drittstaatländern kann es - aus meiner Erfahrung - einfach nicht nachhaltig sein.

Auch wenn dann irgendwie "Green Line" oder ähnliches draufsteht. Wenn es in Bangladesch produziert wird, dann können für mich ethische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit nicht stimmen.

Wer das Projekt unterstützen möchte, findet auf Crowdify verschiedene Möglichkeiten dazu - und Goodies.

Links Dominique, rechts Monica, die Co-Gründerinnen von LANUE ET LENU (Bild: Instagram @lanue_et_lenu)

RadioFr. / Frapp - Nadina Schneuwly
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