"Ich habe keine Struktur, weder im Hirn noch sonst wo"
Luisa Carnal lebt seit fast zwanzig Jahren mit einer ADHS Diagnose. Die Pflegefachfrau in Ausbildung erzählt, wie sie damit zurechtkommt.
Zum ersten Mal mit der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert wurde Luisa mit sechs Jahren. Damals habe das ihr Leben aber noch nicht so stark beeinflusst. Das typische Bild von ADHS als Bubenkrankheit mit dem Zappelphilipp, der sich im Unterricht nicht stillhalten kann, treffe nicht auf alle zu. Luisa war in der Schule eher unscheinbar und blieb gerne für sich.
Manchmal ist es sehr anstrengend mich selbst zu sein und manchmal ist es aber auch toll. Ich kann mich beispielsweise über kleine Dinge so sehr freuen, wie andere Menschen am besten Tag ihres Lebens. Ich habe immer schon sehr stark gefühlt.
Mit ADHS nimmt man MEHR wahr
Zum Problem wurde das ADHS dann erst im zweiten Lehrjahr. Luisa fühlte sich eingeengt und reiz-überflutet. Man nehme oft an, dass Menschen mit ADHS weniger wahrnehmen als andere. Es heisst ja auch Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Tatsächlich nehmen Menschen mit ADHS aber eher alles gleichzeitig war.
In meinem Kopf habe ich immer tausend Gedanken. Ich denke an fünf Sachen gleichzeitig aber selten etwas zu Ende.
Diese Denkweise sei aber nicht nur negativ. In ihrem Job als Pflegefachfrau sei das Wahrnehmen von Stimmungen und Verhaltensänderungen beispielsweise klinisch oft relevanter als eine Blutdruckmessung.
Die Problematik der ADHS Medikamente
Luisa hat auch schon verschiedenste Medikamente ausprobiert. Diese fühlten sich zu Beginn meistens sehr gut an. Man könne dann auch mal einen Gedanken zu Ende denken und einen Punkt setzten. "Ich weiss noch, wie ich mir dann plötzlich richtig genial vorkam!" Die Medikamente haben aber auch Nachteile. Bei Luisa liess die positive Wirkung oft schnell nach und die Nebenwirkungen nahmen zu.
Das sind dann halt auch nicht einfach nur ein paar Vitaminchen. Andere Menschen würden von Drogen sprechen.
Luisa habe daher bis heute noch nicht wirklich den für sie stimmigen Umgang mit den ADHS Medikamenten gefunden. Neuerdings nehme sie keine Stimulanzien mehr, sondern eine Art Antidepressivum. Bis jetzt ohne Nebenwirkungen aber es sei noch zu früh, um ein Urteil zu fällen.
Ein grosses Problem sei hier auch das überlastete Gesundheitssystem. Das fange bei der Diagnoseabklärung an und höre bei der fehlenden psychiatrischen Begleitung auf. Häufig werden ADHS-Medikamente auch von Hausarztpraxen verschrieben und dies teilweise eher willkürlich.
Schwieriges Energiemanagement
Das Schwierigste sei aber die Erkenntnis, dass Menschen mit ADHS für Dinge, die für andere Menschen banal und alltäglich sind, sehr viel Energie brauchen.
Ich kann in fünf Minuten packen oder in zwei Stunden aber etwas dazwischen gibt es nicht.
In solchen Momenten denke sie dann schon auch oft: "Diese Energie hätte ich jetzt für etwas anderes brauchen können". Und diese Momente seien auch nicht selten, sondern täglich.
Was ihr in schwierigen Momenten helfe, sei mit sich selbst zu sprechen:
Beim Reden kann man immer nur ein Wort auf einmal sagen. Das hilft.
Das ganze Gespräch über ADHS gibt es hier: