Imaginarium der jungen Freiburger Kunst

Der Raum für zeitgenössische Kunst an der Wallriss-Strasse in der Stadt Freiburg feiert das zehnjährige Bestehen mit Fest und Fanzine.

Kunstraum WallStreet x WallRiss in Freiburg. © Guillaume Baeriswyl

"Die Geschichte des Raumes ist vor allem auch eine Freundschaftsgeschichte," erklärt Remy Ugarte Vallejos, der Teil des aktuellen Teams des Kunstraumes WallStreet ist. Seit zehn Jahren haben eine ganze Reihe junger kunstschaffender- oder affiner Menschen den Ort belebt.

Eröffnet wurde der Raum 2013 als WallRiss – die Namensänderung zu WallStreet erfolgte 2020 – von Nicolas Brulhart und Lauris Paulus. "Das geschah aus einer Mischung aus Zufall und Notwendigkeit," erinnert sich Nicolas Brulhart. Nach einer nicht vollendeten Dissertation, kam er damals pleite nach Freiburg zurück. "Es regnete an dem Tag, ich sass in der Bibliothek und Lauris Paulus erzählte mir von der Möglichkeit, einen ehemaligen Second-Hand-Buchladen, der sehr günstig zu haben war, umzunutzen. Da konnte ich einfach nicht Nein sagen." So begannen der Künstler Paulus und der Kurator Brulhart mit der Schaffung eines Offspace (siehe unten) an der Strasse am Wallriss 10-12. Die beiden Räume sind durch einen schmalen Tunnel miteinander verbunden. Passend zum Strassennamen also, der sich von der alten Bezeichnung für einen Durchgang in der Stadtmauer ableitet, und schöne Metapher für die zwei Perspektiven von Paulus und Brulhart – Kunst und Theorie.

Einer der beiden Räume mit schmalem Durchgang zum zweiten. ©Guillaume Baeriswyl


Dynamisch bleiben

WallRiss bot hiesigen Kunstschaffenden einen Raum, um zu experimentieren, kreieren, präsentieren und um sich auszutauschen. Schnell bildete sich auch eine Community, die den Freiburger Kunstraum belebte. "Ich glaube, das hat gut funktioniert. Der Raum ist ja auch im Zentrum der Stadt, nahe der Uni. Wenn du da bei offenen Fenstern etwas Musik spielst, ist das Reinkommen ziemlich einfach", so Brulhart. In den darauffolgenden Jahren wurden im Kunstraum WallRiss eine Vielzahl an Ausstellungen lokaler, nationaler oder internationaler Kunstschaffender realisiert. Das Kurationsteam hat sich dabei stets gewandelt. "Es war das Ziel, dass sich der Raum organisch weiterentwickelt. Die Art der Alternative zur institutionalisierten oder normalisierten Kultur ändert sich ja mit der Zeit und entlang der gesellschaftlichen Entwicklungen. Somit ändert sich auch der Content und die Menschen, die diesen Inhalt einbringen", so Brulhart, der heute als Kurator der Freiburger Kunsthalle Fri-Art tätig ist.

Aus dem WallRiss in die Kunstwelt

Der Raum war aber nicht nur Spielplatz für die Freiburger Jungkunst, sondern auch wichtiger Lern- und Erfahrungsort. Einige ehemalige Mitglieder der Kurationsteams, wie etwa Grégory Sugnaux, Elise Corpataux oder Rebecca Solari sind heute auf internationaler Ebene aktiv. Aus dem gemeinsamen Momentum entstanden aber auch andere Initiativen, wie beispielsweise das auf dem Areal der Bluefactory situierte TRNSTN Radio, das vom ehemaligen WallRiss-Mitglied Guillaume Baeriswyl mitinitiiert wurde. "Synergie und Energie", die auch von den immer wieder wechselnden Teams generiert wurde. "So bleibt die Sache sehr aktuell und notwendig", so Brulhart. "Wenn ich das Programm von jetzt sehe, finde ich es immer sehr spannend, weil es to the point ist. Ich selber wäre nicht draufgekommen." 

Austausch, Kreation, Reflektion ©zvg

Das nötige Gleichgewicht

Heute wird der Kunstraum WallStreet von Nicolas Horvath, Margaux Huber und Remy Ugarte Vallejos geleitet. "Es ist magisch zu sehen, wie sich der Raum verändert hat und wie er über zehn Jahre hinweg existiert, ohne dass jemand steuert, was daraus wird", so Ugarte. Der Ort schafft neue Verbindungen zu Menschen, zu Themen, und entwickelt sich so stetig weiter. Das Wirken im WallStreet ist auch für die eigene Kunstkarriere wichtig.

Nebst den angesprochenen Kunstschaffenden, die mittlerweile auf internationaler Ebene agieren und so auch wichtige Referenzen für den Freiburger Kunstraum sind, haben junge Menschen hier die Chance, viele wichtige Erfahrungen zu sammeln und sich in Kreation und Kuration auszuprobieren. "Die Stärke eines solchen Ortes besteht auch darin, strukturelle Freiheit zu haben und wie gesagt unabhängig von Kontrolle oder Autorität zu sein", erläutert Ugarte. "Dadurch können wir schnell auf aktuelle Themen und Probleme reagieren, was in einem institutionellen Rahmen mehr Zeit benötigen würde. Dringlichkeiten sind hier wichtig, wie aktuell in Bezug auf LGBTQIA+-Themen zum Beispiel."

Obwohl die Equipe immer ein Auge auf die begrenzten Finanzen haben muss, sind sowohl Ugarte, als auch Brulhart dankbar, dass der Raum auch durch Instanzen wie der Agglo, der LoRo oder der Stadt Freiburg anerkennt wird, die hier einen wichtigen Nährboden mitunterstützen, auf welchem unter anderem die Kunstkoryphäen der Zukunft gedeihen können. Ist aber WallStreet als quasi etablierter Ort der Kunst nicht bereits institutionalisiert? "Es scheint so, ja, aber all das, worüber wir gesprochen haben, zeigt, dass das Chaos, das Schaffen und das gemeinsame Erleben immer noch präsent sind. Es geht darum, zu einem gewissen Grad institutionell zu agieren, um in der heutigen Welt aktiv sein zu können, aber gleichzeitig ist die Spontanität, Freiheit und Zugänglichkeit zu bewahren", meint Ugarte. "Es geht darum, dieses Gleichgewicht zu finden. Irgendwie haben wir das in den letzten zehn Jahren geschafft."

WallStreet Community ©wallstreet.support

Jubiläumsfest im WallStreet und im Fri-Son

Anlässlich des Jubiläums von WallRiss-WallStreet hat das Team ein Fanzine über die letzten zehn Jahre kreiert, das durch eine Vielzahl an Bildern die Essenz des Raums widerspiegeln soll. Vernissage plus Apéro findet am Samstag, 18. November im WallStreet statt, bevor sich die Festivität ins Fri-Son verlagert. Ehemalige und aktuelle Team-Mitglieder des Kunstraums haben ein fulminantes Programm aus elektronischen Sets, schwelendem Trap und explosiven Performances. Alle Infos auf der Internetseite von WallStreet oder Fri-Son.

17:30-21:00
book launch event, food & drinks
WallStreet
Dj-set by Sophie Liesellotte

22:00-05:00
Party im Fri-Son
Doors: 21:30

Hammer Band (live)
chaos clay (live)
Rắn Cạp Đuôi (live)
Mezita (dj-set)
mi-el (dj-set)
Emma dj (dj-set)
Videoinstallationen - chaos clay

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Museum und Offspace? Die Erklärung von Nicolas Brulhart:

RadioFr. - Valentin Brügger
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