Jenseits vielgehörter Klänge

Mit Schisms beweist der Freiburger Martin Vonlanthen alias Kyoto Kafka ein weiteres Mal seine Qualität als Erschaffer enigmatischer Soundräume.

Schisms beinhaltet spannende und hörintensive Musik mit schier unendlichen Interpretationsräumen. © Martin Vonlanthen

Martin Vonlanthen schafft als Kyoto Kafka Musik, die in vielerlei Hinsicht exzeptionell ist. In den bisher veröffentlichten Songs und EPs vertonte Vonlanthen seine akribische Suche nach Ausdrucksmöglichkeiten des Zwischenweltlichen. Auch die im Titel des neuen Albums angesprochenen Schismas verweisen erneut auf die Auseinandersetzung mit den Brüchen und Sprüngen, die Vonlanthen in den vermeintlich festen Strukturen und Wahrnehmungsgebilden der Innen- und Aussenwelt findet.

Kyoto Kafka ist ein Enigma, ein Derwisch, der zu späten Stunden durch die Venen der Stadt streift, beobachtet, notiert, und dabei versucht, das Nachglühen des etikettierten Alltags in der demaskierenden Kühle der Nacht aufzuspüren. Die in diesem Dazwischen wahrnehmbaren Schwingungen verwendet Vonlanthen als Rohmaterial für seine Soundwelten zwischen Wohlklang und Dissonanz, zwischen leichten Wogen und krassen Überlagerungen.

Auf seiner Suche nach der passenden theoretischen Basis für seine Kompositionen auf Schisms hat sich Martin Vonlanthen unter anderem mit dem Schaffen des russischen Komponisten Iwan Wyschnegradski auseinandergesetzt, ein Pionier der mikrotonalen Musik, der für seine Werke mit Vierteltönen, also mit 24 Tonstufen in einer Oktave, gearbeitet hat. Damit kann ein reibender, schleifender Sound generiert werden, der das Motiv der Zwischenweltlichkeit in Vonlanthens Musik sonisch verstärkt.

Weiter öffnet Vonlanthen auch lyrisch die Pforten zu wandelbaren Interpretationsräumen. Die Texte auf Schisms beinhalten keine klaren Aussagen, sondern funktionieren auf unterschiedlichen Ebenen. Für Vonlanthen ist es wichtig, so zu schreiben, dass jede hörende Person eine subjektive Position einnehmen kann. Dies erzeugt zusammen mit der Musik einen unheimlichen Vortex, in dem sich immer wieder neue ephemere Verständniszugänge öffnen.

Bref, Schisms von Kyoto Kafka bewegt sich fern von all der fadgehörten sogenannt "gängiger" Musik. Martin Vonlanthen hat erneut enorm spannende und hörintensive Musik geschaffen, die auf einer gescheit komponierten Struktur fusst, und schier unendliche Zugangs- und Interpretationsräume konstruiert. Chapeau!

RadioFr. - Valentin Brügger
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