Der Traum lebt weiter
Die Sehnsucht in Freiburg nach dem ersten Meistertitel von Gottéron ist ungebrochen.
Mit dem Halbfinaleinzug ist die erste Playoff-Hürde geschafft. "44 Jahre in der Nationalliga A, jetzt ist es an der Zeit, die Meisterschaft zu gewinnen." Das ist nur einer von vielen Schriftzügen auf den zahlreichen Spruchbändern, die den Zaun entlang der schmucken Freiburger Arena zieren und die Gottéron-Spieler in diesen Tagen daran erinnern, auf welcher Mission sie sich befinden.
Im Schweizer Eishockey gibt es keine andere Stadt, die so sehr nach dem Titel lechzt wie Freiburg. Vier Mal kam Freiburg-Gottéron seit der Einführung der Playoffs dem Meisterpokal schon sehr nahe, musste sich 1992, 1993, 1994 und 2013 jedoch jeweils im Playoff-Final geschlagen geben.
Den Schmährufen der gegnerischen Fans ("Nie Schweizer Meister, ihr werdet nie Schweizer Meister") bietet Gottérons Klubhistorie jedenfalls keine Gegenargumente. Doch das soll sich in diesem Frühjahr endlich ändern.
Spürbare Erleichterung
Mit dem 4:2-Heimsieg am Donnerstagabend gegen Lugano ist die Zuversicht zurück, nachdem die Leidensgeschichte in einer hart umkämpften Viertelfinalserie gegen die Tessiner um ein weiteres Kapitel erweitert zu werden drohte. Zum ausgelassenen Freiburger Jubel nach dem gewonnenen siebten Spiel schwang in der elektrisierenden Atmosphäre deshalb auch eine grosse Portion Erleichterung mit. "Die Last, die von unseren Schultern fällt, ist enorm", sagte etwa Captain Julien Sprunger. "Eine Niederlage heute wäre für den Klub und die Fans eine Katastrophe gewesen."
Verheerend wäre ein Ausscheiden des Qualifikations-Zweiten auch für Christian Dubé gewesen. Denn viel Zählbares hat für die Freiburger unter der Regentschaft des Franko-Kanadiers in den Playoffs bislang noch nicht herausgeschaut, seitdem er ab der Saison 2015/16 zunächst Sportchef war, und ab Oktober 2019 im Doppelamt auch Trainer ist. Es ist dies erst das zweite Mal in dieser Zeitspanne, dass Gottéron eine Playoff-Serie im Best-of-7-Modus für sich entscheidet. 2022 im Viertelfinal gegen Lausanne war zuvor das einzige Freiburger Erfolgserlebnis gewesen.
Nun ist der erste Beweis geliefert, dass die Ausgabe 2023/24 von Freiburg-Gottéron nicht nur elegant durch die Qualifikation tanzt, sondern auch Playoff-tauglich ist. Allerdings hätte Spiel 7 gegen Lugano auf beide Seiten kippen können. Letztlich hielt ein überragender Reto Berra im Freiburger Tor mit einigen Glanzparaden im Schlussdrittel den Heimsieg und das Weiterkommen fest.
Doch noch ist nichts erreicht, das weiss auch Christoph Bertschy. "Das ist erst der erste Schritt auf unserem Weg zum ganz grossen Ziel", sagt der Freiburger Stürmer, der mit seinen Goals zum 2:0 und 4:2 zu einem guten Zeitpunkt eine persönliche Flaute von 16 Spielen ohne Torerfolg beendet hatte.
Stolz trotz Ernüchterung bei Thürkauf
Lugano hätte in der Schlussphase die Möglichkeit gehabt, während einer vierminütigen Überzahlsituation den Ausgleich zu erzielen. Doch das Powerplay der Tessiner schlug fehl, wie schon so oft in dieser Saison. So machte sich bei den Bianconeri mit dem neuerlichen Verpassen der Halbfinals (seit dem Finalvorstoss 2018) grosse Ernüchterung breit. "Es ist extrem schade. Wir haben gespürt, dass heute etwas in der Luft liegt", hielt Calvin Thürkauf fest.
Luganos Captain, der als Torschütze und Passgeber bei beiden Treffern der Gäste den Stock im Spiel hatte, fand nach dem Saisonende aber auch lobende Worte für sein Team. "Wir können stolz sein, was wir als Mannschaft in diesen Playoffs geleistet haben. Niemand hätte nach den zwei Niederlagen zu Beginn gedacht, dass wir in dieser Serie über sieben Spiele gehen."
Tatsächlich trug der mutige Spielstil mit viel Puckbesitz in der ersten kompletten Saison unter dem jungen Trainer Luca Gianinazzi Früchte. Lugano ist es in den vergangenen Monaten immer wieder gelungen, trotz verletzungsbedingter Absenzen teils mehrerer Teamstützen Lösungen zu finden. Ein entscheidender Nachteil im Playoff sei wohl gewesen, dass sie als schlechter klassierte Mannschaft in Spiel 7 kein Heimspiel bestreiten konnten, meinte Thürkauf. "Daran müssen wir arbeiten. Das Fundament für die Zukunft ist gelegt."
Romand-Derby im Halbfinal?
Für Gottéron geht es am Ostermontag mit dem ersten Halbfinal-Heimspiel weiter. Auf welchen Gegner die Freiburger treffen werden, entscheidet sich erst am Samstag. Gewinnt Lausanne Spiel 7 zuhause gegen Davos, kommt es zum Romand-Derby mit den Waadtländern. Verliert Lausanne gegen den Rekordmeister, wird der Sieger aus dem Duell zwischen Zug und Bern Gottérons Halbfinalgegner sein. "Für uns ist egal, gegen wen wir spielen", meint Sprunger "Wir haben Vertrauen in uns und wissen, dass wir alle Mannschaften schlagen können."
Dass in den Viertelfinals drei von vier Serien erst in einem siebten Match entschieden werden, kommt zwar selten vor, ist aber kein Novum. Mit der Einführung des Best-of-7-Modus gingen bei der Premiere 1998 sogar sämtliche vier Viertelfinal-Serien über die volle Distanz. Das Ganze wiederholte sich 2013; es war jener Frühling, als Freiburg-Gottéron in der Finalserie gegen Bern zwei Siege zum Meistertitel fehlten. Damals schon dabei: Julien Sprunger und sein Ende dieser Saison zurücktretender Kumpel Andrej Bykow. Die beiden Routiniers haben mit Gottéron noch eine Mission zu erfüllen. Die Meisterprüfung steht ihnen bevor.