Oh du ewige Schicksals-Maschine

Die Deutschfreiburger Theatergruppe spielt eine eigene Inszenierung des Büchner-Klassikers Woyzeck und zeigt zeitenübergreifende Zerwürfnisse.

Wegen kontinuierlicher Unterdrückung und Demütigung verfällt Franz Woyzeck allmählich dem Wahn. © DFTG
Nebst starker psychischer Probleme und den Erwartungen, die seine Vorgesetzten und die Gesellschaft stellen, versucht der Soldat Franz Woyzeck sein uneheliches Kind und dessen Mutter Marie zu versorgen. Als sie ihn mit einem Militärkader betrügt, bringt Woyzeck Marie um. Hinter dieser kurzen Zusammenfassung des bekannten Stücks von Georg Büchner rattert die Schicksalsmaschine, von welcher der Protagonist Franz Woyzeck langsam zerrieben wird. Die Deutschfreiburger Theatergruppe zeigt mit "Woyzeck" erstmals eine Gruppeninszenierung von Christoph Blanc, Diana Gaudart und Max Widmer, die zudem auch die Hauptrollen im Freiburger Kellerpoche mimen.
Büchners Text blieb wegen seines frühen Todes im Jahr 1837 nur Fragment. "Die verschiedenen Szenen haben dadurch keinen zwingenden Ablauf, was aus technischer Sicht eine grosse Chance ist," wie Christoph Blanc sagte. Weiter bewegt sich die Inszenierung des Trios in einer zeitlichen Zwischenwelt, wodurch das in den 1830er Jahren entstandene Stück auch soziale Phänomene der Gegenwart paraphrasiert. Dieser zeitlose Aspekt Büchners Werk ist wichtig, wie Blanc meint. So ist die Kritik an meritokratischen Systematiken, die Mär vom sozialen und persönlichen Aufstieg durch reinen Arbeitseinsatz, auch heute erkennbar. Die "menschgemachte Maschine mahlt Mensch" zeitenübergreifend.
Durch die Szenenselektion und das involvierte Spiel des Regietrios entwickelt das Stück einen unheimlichen Drive, wobei der psychologische und emotionale Zerfall Woyzecks unter dem immer heisser werdenden Lichtkegel spürbar wird. Nicht nur das Publikum, sondern auch die Schauspielenden geraten laut Diana Gaudart in den Sog des Stücks. Besonders die Figur des Woyzeck, dessen fortlaufender Zerfall sich in seinem erratischen Gebaren und seinen zunehmenden emotionalen Ausbrüchen wiederspiegelt wirkt vereinnahmend. Das Einfühlen in ein solch getriebenen Charakter mit extremer werdenden psychischen Störungen war sehr anspruchsvoll, wie Max Widmer erzählt. Eine Aufgabe, die hier bemerkenswert gemeistert wurde.
Als weiteres besonderes Schmankerl ist bei der Inszenierung der Deutschfreiburger Theatergruppe das Mitwirken des Freiburger Musikers Thomas Jenny zu nennen, der das Stück durch vor Ort komponierte Musik untermalt und die Szenen durch einen bereichernden sonischen Aspekt ergänzt.
"Woyzeck" der Deutschfreiburger Theatergruppe ist eine emotional äusserst intensive Inszenierung mit verschiedenen Aggregatszuständen. Zudem baut das Regietrio interessante Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die auf die Zeitlosigkeit der im Werk inhärenten Thematiken verweisen. Ein Stück und vor allem eine starke Performance der Gruppe, was die eigene Gedanken- und Gefühlsmaschine anwirft.
Das Stück wird noch bis und mit 4. Dezember im Kellerpoche in der Freiburger Unterstadt aufgeführt.

RadioFr. - Valentin Brügger
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