Steiert: "Keine Freiburger Kuh muss wegzügeln"

Freiburg hat die Bauzonen massiv zurückgefahren, will die Zersiedelung stoppen und die Verdichtung fördern. Wo steht man heute?

Bauzonen werden im Kanton Freiburg immer rarer. Sie werden nur noch als letzte Möglichkeit und nach ausführlicher Prüfung gezont, so will es das nationale und kantonale Raumplanungsgesetz. © Keystone

Verdichtung, Bauzonen, Zersiedelung: Die Raumplanung ist ein heisses Eisen in der hiesigen Politik. Der zuständige Staatsrat Jean-François Steiert ist sich dessen bei der Präsentation des Raumplanungsberichtes 2011-2021 bewusst. Warum wächst der Kanton Freiburg schneller als andere? Warum sind die Bauzonen stark zurückgezont worden? Und welche Deutschfreiburger Gemeinde hat oder will noch keine Lösung?

Die Landwirtschaft

Jean-François Steiert hat genug politische Erfahrung, um zu wissen: Die Landwirtschaft ist ein wichtiger und populärer Akteur und Partner bei der Raumplanung: 

Wir wollen alle regionales Essen. Dafür braucht es Flächen für die Produktion. Diese sollten nicht unnötig bebaut werden.

Steiert spricht damit gezielt die Seele des Kantons Freiburg als Landwirtschafts-Kanton an, wohlverstanden, das scheint legitim. Es ist das erste Argument für dichteres Bauen und für weniger Bauzonen.

Die Demografie

Etwas plakativ könnte man sagen: Nicht nur bei den Kühen ist der Kanton Freiburg beliebt. Freiburg wies von 2011 bis 2021 nämlich das höchste prozentuale Bevölkerungswachstum der Schweiz auf. Mit 16 Prozent liegt dieser Wert rund sechs Prozent höher als der Schweizer Schnitt. In diesem Stil soll es laut dem Bundesamt für Statistik auch künftig weitergehen. Der Grund dafür sind vor allem interkantonale Zuzüger, welche von den Ballungszentren am Genfersee und von der Hauptstadtregion kommen. Mehr Platz zum Wohnen auf gleichem Raum, die Raumplanung hat ein zweites, kräftiges Argument für dichteres Bauen.

Die Mobilität

Schliesslich will Raumplanungsdirektor Jean-François Steiert auch vermehrt an Bahnlinien bauen. Denn die Freiburger gehören schweizweit zu den Spitzen-Pendlern. Das Verkehrsproblem könnte mit den kürzeren Wegen also gelöst werden und gleichzeitig die Lebens- und Arbeitsqualität der Freiburger Bevölkerung verbessern. Je mehr Zersiedelung, desto höher ist der Anteil des Autogebrauchs. Je dichteres Bauen entlang der Hauptachsen, desto mehr kann der öffentliche Verkehr benutzt werden. 

Dass verdichtetes Bauen nicht bedeutet, dass ein Quartier mit Blöcken und Hochhäusern bedeckt wird, zeige das Beispiel vom Burgquartier in der Stadt Freiburg. Jean-François Steiert unterstreicht: "Das Burgquartier ist das dichteste der Stadt und gleichzeitig das gefragteste und teuerste. Es zeigt sich, die Lebensqualität ist auch, oder vor allem, in dicht-gebauten Quartieren hoch. Die kurzen Distanzen sind vielleicht das stärkste Argument von allen. 

Wie steht Freiburg da? 

Ende der 1980er Jahren hatte der Kanton schweizweit noch die zweit-höchste Fläche an Bauzonen pro Kopf. Dank des neuen Raumplanungsgesetzes haben die Gemeinden viele Bauzonen zurückgezont und/oder keine neuen Bauzonen mehr eingezont. Heute steht Freiburg auf Rang 18. Eine Einzonung ist heute nur noch nach sorgfältiger Prüfung und bei fehlenden Alternativen eine Option, es ist die letzte Möglichkeit. Alle Freiburger Gemeinden haben mittlerweile durch einen Ortsplan die Bauzonen zurückgefahren. Aus Deutschfreiburger Sicht weist nur noch die Gemeinde Meyriez eine überdimensionale Bauzone auf. Bis diese Angelegenheit nicht geregelt ist, darf die Gemeinde keine neuen Zonen mehr schaffen. Die neuen Prinzipien der Bauzonen im Raumplanungsgesetz sind also in fast allen Freiburger Gemeinden angekommen. Ob wegen gesetzlichem Zwang vom Bundes- und Kantonsgesetz oder wegen inhaltlicher Überzeugungen scheint dabei eigentlich irrelevant. Staatsrat Jean-Francois Steiert freuts:

Wir sind auf dem guten Weg. Die Zersiedelung der 1980er und 1990er Jahren ist gestoppt.

Tatsächlich scheint sich die Zersiedelung stabilisiert und gar gestoppt zu haben. Wenn man nämlich die Verteilung der Freiburger Bevölkerung in den verschiedenen Wohnräumen anschaut, bleiben die Zahlen seit 2011 einigermassen stabil: Rund 35 Prozent leben in den städtischen Zentren Freiburg oder Bulle. Rund zehn Prozent leben in Regionalzentren wie Murten oder Tafers. Knapp zwanzig Prozent der Freiburgerinnen und Freiburger leben in städtischem Gebiet ohne Zentren und die restlichen 28 Prozent leben in ländlichen Dörfern. Die ersten zwei Kategorien will der Kanton Freiburg noch massiv nach oben schrauben. So ist es laut dem Raumplanungsbericht das Ziel, dass siebzig Prozent der Bevölkerung in der Kategorie eins oder zwei leben wird, also in Stadt- oder Regionalzentren. Der Wert der ländlichen Kategorien drei und vier soll auf total rund ein Drittel gesenkt werden. Davon ist Freiburg aber noch weit entfernt, sagt Jean-François Steiert:

Wir sind bei der Verdichtung noch nicht am Ziel angekommen.

Der Staatsrat zeigt sich zuversichtlich, dass diese Entwicklungen in Zukunft dank des Raumplanungsgesetzes erkennbar werden. Klarer als der genannte Optimismus scheint indes: Wenn man mit Jean-François Steiert über diesen Raumplanungsbericht spricht, merkt man, dass sehr viele Faktoren in einem komplexen Spannungsfeld agieren. Das Wohl der Freiburger Kühe scheint dabei auf den ersten Blick zwar etwas aus der Luft gegriffen, dürfte für die mehrheitsfähige und konsequente Umsetzung der Raumplanung allerdings einen unabdingbaren, politischen Akteur mobilisieren.

RadioFr. - Renato Forni
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