Von Floskeln, Statistiken und Optimisten
Die ZSC Lions sind im Playoff noch ungeschlagen. Das zweite Halbfinalspiel in Zug zeigt jedoch, dass die Zürcher nicht unschlagbar sind. Trotzdem: Das 2:0 in der Serie hat einen enormen Wert.
Die Playoff-Zeit ist nicht nur die beste Zeit des Eishockey-Jahres, sie ist auch die Zeit der Floskeln. Die Protagonisten zeigen sich oft schmallippig. Man ist versucht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Alles, was die Leistung auf dem Eis negativ beeinflussen könnte, wird weit von sich gewiesen.
Ein Beispiel gefällig? "Wir nehmen Spiel für Spiel, Schritt für Schritt", sagte Siegtorschütze Sven Andrighetto nach dem 1:0 des ZSC am Mittwochabend in Zug. Phrasen wie diese sind keine Seltenheit, wenn es darum geht, einen Match oder einen Sieg zu analysieren.
In der entscheidenden Phase der Meisterschaft werden keine Punkte mehr verteilt, auch das Torverhältnis spielt keine Rolle. Der knappe Sieg des ZSC hat faktisch den gleichen Wert wie der gut zweihundert Kilometer weiter westlich nach 107 Minuten hart erkämpfe 3:2-Heimerfolg der Lausanner gegen Fribourg-Gottéron, womit es in dieser Serie 1:1 unentschieden steht.
Der Wert einer 2:0-Führung
Doch ist jeder Sieg in den Playoffs wirklich gleich viel wert? Ein Blick in die Statistikblätter gibt Aufschluss.
Seit Einführung des Best-of-7-Formats in der Saison 1997/98 wurden in der Nationalliga A respektive National League 175 solche Serien ausgetragen. In 79 Fällen reichte eine 2:0-Führung fürs Weiterkommen. Erst zwölf Mal setzte sich eine Mannschaft nach einem 0:2-Rückstand durch, fünf Mal davon sogar nach einem 0:3.
Es war also nichts als logisch, dass Lausanne und Gottéron in der Verlängerung bis weit nach Mitternacht so verbissen um den Sieg im zweiten Halbfinalspiel kämpften. Für den ZSC andererseits bedeuten der 1:0-Erfolg und das 2:0 in der Serie gegen Zug mehr als die halbe Miete.
2022 als Extramotivation
Aber da war doch was, im Playoff-Final vor zwei Jahren! Da führten die Zürcher sogar mit 3:0, ehe der EVZ das Blatt wendete und mit vier Siegen de suite zur erfolgreichen Titelverteidigung rauschte. Ist das noch präsent, Sven Andrighetto? "Angesprochen wird das im Team nicht. Aber allen, die dabei waren, ist es natürlich bewusst. Wir versuchen, das als Extramotivation mitzunehmen."
Auch diesmal benötigen die Zuger zwei Auswärtssiege, wollen sie den Kopf erneut aus der Schlinge ziehen. Aber: Ist das 2:0 in der Serie für den ZSC womöglich sogar mehr wert als die 3:0-Führung im Playoff-Final vor zwei Jahren? Logisch überlegt natürlich nicht, weil ein dritter Sieg die Ausgangslage stets verbessert.
Trotzdem gibt es Gründe, weshalb die diesjährige ZSC-Ausgabe sich gegen den EVZ nicht mehr vom Weg abbringen lässt. Zum einen kann Trainer Marc Crawford ohne Verletzte aus dem Vollen schöpfen, zum anderen sind die Zürcher frischer als ihr Gegner, der bereits drei Playoff-Spiele mehr in den Beinen hat.
Doch auch das muss kein Nachteil sein, wie Ausnahmen bestätigen. 2009 schaffte der HC Davos ein Kunststück, das im Schweizer Eishockey bis heute einmalig ist. Auf dem Weg zu seinem 29. von bisher 31 Meistertiteln ging der Schweizer Rekordmeister über die Maximaldistanz von 21 Playoff-Partien.
Das bessere Ausländer-Paket
Verglichen mit 2022 ist die ZSC-Mannschaft von heute sicher nochmals stärker besetzt. Das bestätigt auch Andrighetto: "Wir sind sehr breit aufgestellt." Das gilt insbesondere für die Ausländerpositionen. Mit Playoff-Topskorer Derek Grant, Rudolf Balcers und Jesper Fröden hat die Offensive der Lions auf diese Saison nochmals eine deutliche Aufwertung erhalten.
Dem EVZ hingegen fehlen mit Grégory Hofmann und dem Amerikaner Brian O'Neill aktuell zwei spielstarke Stürmer. Dazu versprüht Zugs Captain und Leitwolf Jan Kovar nach seiner im Oktober erlittenen Beinverletzung nicht mehr die gleiche Präsenz wie im Playoff-Final vor zwei Jahren.
Mehr als Zweckoptimismus beim EVZ
Trotz all der schlechten Vorzeichen hat man die Zuversicht beim EVZ noch nicht verloren. "Wir können viele gute Sachen ins nächste Spiel mitnehmen. Uns ist es gelungen, Chancen zu kreieren, nur ein Tor hat gefehlt", analysierte Verteidiger Dominik Schlumpf. Und tatsächlich: Hätte Marc Michaelis im Schlussdrittel nur eine seiner beiden Grosschancen verwertet, wäre die Partie zumindest in die Verlängerung gegangen.
Auch der Deutsche, der beim Stand von 0:0 und 0:1 das offene Zürcher Tor verfehlte, hält nichts von grossen Analysen. "In den Playoffs ist die mentale Stärke ausschlaggebend." Statistiken interessieren die Spieler nicht. Das gilt auch für Spiel 3 am Samstag in Zürich.