Diskussion zur Umsiedlung von Tälern

Die Präsidentin der Gebirgskantone, Carmelia Maissen, hat vor einer "verkürzten und zynischen Sicht" auf die Umsiedlung von Alpentälern gewarnt. Auch ETH-Professor David Bresch betonte, dass es in der Diskussion neben den Finanzen auch um Emotionen und Heimat gehe.

Die Besiedlung des Berggebiets sei seit je einem Wandel unterworfen, sagte die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen (Mitte) zur "NZZ am Sonntag". (Archivbild) © KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

In Einzelfällen könne es zu Umsiedlungen kommen, sagte die Bündner Regierungsrätin (Mitte) in einem Interview mit der "NZZ am Sonntag". "Wir werden sicher keine ganzen Täler aufgeben", sagte Maissen. Es sei aber eine Tatsache, dass die Besiedlung seit je einem Wandel unterworfen war. Das werde auch in Zukunft so sein.

Siedlungsfläche und Infrastruktur hätten in den letzten Jahren zugenommen. Dadurch seien die Gebiete verletzlicher geworden, sagte die Präsidentin der Gebirgskantone. Man dürfe aber nicht vergessen: "Die letzten Tage haben auch gezeigt, dass wir die letzten 50 Jahre sehr viel richtig gemacht haben", sagte Maissen.

Klimaszenarien einbeziehen

Nun gilt es laut der Regierungsrätin die Unwetter zu analysieren. Unter Berücksichtigung von Klimaszenarien müsse vorausschauend evaluiert werden, wo die Schwachstellen liegen.

Die Klimaerwärmung sei bisher bei der Erstellung der Gefahrenkarten nicht berücksichtigt worden, sagte ETH-Professor Bresch in einem Interview mit der "SonntagsZeitung". Das müsse sich ändern. "Solange die Klimaerwärmung anhält, solange werden die Evakuierungen zunehmen", sagte der Professor für Wetter- und Klimarisiken. Das Phänomen sei nicht neu. Auch die Schäden würden zunehmen.

Emotionaler und finanzieller Nutzen

Ob sich der finanzielle Aufwand für Schutzmassnahmen lohne, lasse sich nicht pauschal für ein Gebiet beantworten, sagte Bresch. Die Frage stelle sich aber für einzelne, sehr exponierte Lagen. Er appellierte an die Eigenverantwortung. "Man muss sich auch ehrlich fragen: Warum bin ich hier, warum habe ich diese Liegenschaft gekauft?". Der Nutzen sei nicht nur finanziell zu beziffern, sondern auch "hoch emotional".

Die Diskussion der Umsiedlung werde aus rein monetärer Sicht geführt, kritisierte Maissen. Eine Umsiedlung sei ein schwerer Eingriff für die Betroffenen, die ihre Heimat verlören, sagte die Präsidentin der Regierungskonferenz der Kantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis.

Neben der Bergbevölkerung werde auch die Leistung der Berggebiete für das ganze Land ausser acht gelassen: Die Stromproduktion, Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur und Erholungsgebiete. Die dezentrale Besiedlung sei in der Bundesverfassung verankert. "Darum müssen wir alles, was möglich und sinnvoll ist, unternehmen, dass dies so bleibt", sagte Maissen.

SDA
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