Milchbranche: Das weisse Gold tritt aus seinem Schatten

André Brodard, Direktor des Freiburgischen Milchverbands, bringt die Probleme auf den Punkt und spricht ein paar klärende Worte zur Milchbranche.

Welche verschiedenen Produktionsweisen gelangen in der Milchbranche zur Anwendung?

André Brodard Obwohl es nur eine Kuhmilch gibt, unterschiedet man doch zwei Produktionsweisen: Milch aus Silofütterung , die manchmal auch Molkereimilch genannt wird, und Milch aus silagefreier Fütterung. Die Letztere ist für Käsereien bestimmt. Der Unterschied liegt in der Fütterung. Bei der silagefreien Fütterung profitieren die Kühe im Sommer von Weidegras, und im Winter erhalten sie hauptsächlich getrocknetes Heu. Für die Produktion von Milch aus Silofütterung kann siliertes Gras oder Gras in Rundballen gefüttert werden. Diese Produktionsweise ist weniger herausfordernd und kostengünstiger: Sobald man über Gras verfügt und das Wetter stimmt, kann man es mähen und im trockenen Zustand weiter verarbeiten. Heu, das nicht im Silo gelagert wird, benötigt zusätzlich einen trockenen Boden und mehr Lagerraum. Neben diesen hier erwähnten Unterschieden existiert für beide Herstellungsarten eine Produktion sowohl für konventionelle Milch als auch für Biomilch.

Wer kümmert sich um die Milch, wenn sie einmal produziert ist?

Im Kanton Freiburg wurden im Jahr 2022 in 1176 Betrieben (beide Produktionsweisen zusammengenommen) insgesamt 356'351 Tonnen Milch produziert. Alle Milch, die produziert wird, geht an einen Käufer. Dabei kann es sich z. B. um einen Käser oder eine Molkerei handeln. Die vier grössten Molkereien (Cremo – das ist die grösste –, Elsa, Nestlé und Milco) erwerben 40 % der im Kanton produzierten Milch. Die übrigen 60 % werden von Dorfkäsereien gekauft. Mit diesem Begriff werden Käser bezeichnet, welche die Milch mithilfe von Geräten und Einrichtungen verarbeiten, die Milchproduzenten[1] gehören, die in sog. Milchverbänden zusammengeschlossen sind. Der Käser ist selbständig, er mietet die Geräte und Einrichtungen seiner Käserei von einem Milchverband. Dieser wiederum setzt sich zusammen aus den ihm angeschlossenen Milchproduzenten.

Wie weiss ein Produzent, welche Menge Milch er produzieren kann?

Jeder Produzent verfügt über ein Recht, Milch zu liefern. Liefert er an die Industrie, ist dieses Recht problemlos zu erwerben. Das Recht hingegen, Milch an eine Käserei zu liefern, ist abhängig von der Anzahl Kilos Käse, die einem Produktionsort von der Sortenorganisation Gruyère, resp. der Sortenorganisation Freiburger Vacherin zugewiesen wird. Man muss dem Milchverband angehören, der auf der Grundlage der zugewiesenen Quoten über die Aufteilung der Käsemenge entscheidet, die produziert werden soll. 2024 haben die beiden Sortenorganisationen auf den rückläufigen Markt reagiert und ihre Quoten verringert. Die Restriktionen betreffen die gesamte Milchbranche: Der Produzent erhält weniger Geld, der Käser und der Affineur verkaufen weniger Käse und die Milchverbände erzielen weniger Einnahmen von Seiten der Käser.

© Etat de Fribourg, Grangeneuve

Wie reagiert ein Produzent, der seine Milchproduktion für Käsereien zurückfahren muss?

Er kann sich dafür entscheiden, seinen Rinderbestand zu regulieren oder die überschüssige Milch an eine Molkerei zu liefern. Beide Möglichkeiten haben aber zur Folge, dass das Einkommen des Produzenten sinkt. Überschüssige Milch aus silagefreier Fütterung, die an eine Molkerei geliefert wird, wird nicht als solche bewertet, sie wird bezahlt wie Milch aus Silofütterung.

Welche Rolle übernimmt der Freiburgische Milchverband (FSFL)?

Im FSFL sind über 150 Milchbetriebe aus dem ganzen Kanton vertreten. Die wichtigste Aufgabe des FSFL ist das Management der Milchmenge. Bis 2003 existierte die Milchkontingentierung. Es war der Bund, der die Kontingente festlegte, und die Milchverbände übernahmen für den Bund die Verwaltung. Die Kontingentierung wurde 2009 abgeschafft, der Bund übertrug anschliessend das Mandat an die Verbände. Wir bestätigen jedem Produzenten die Anzahl von Kilos Milch, die ihm zugeteilt werden. Die Produzenten können jederzeit die Datenbank dbmilch einsehen, auf der sie nachschauen können, wieviel Milch sie bereits geliefert haben und wieviel sie noch liefern können. Der FSFL verfügt zudem über Vertreter in den Sortenorganisationen (Branchenorganisation Milch, Sortenorganisation Gruyère und Sortenorganisation Freiburger Vacherin), und zwar sowohl in den Vorständen als auch in den Delegiertenversammlungen. Oft kommt es auch vor, dass wir die Produzenten und Milchverbände beraten im Hinblick auf grössere Veränderungen, die sie betreffen, beispielswiese bei einer Betriebsübergabe oder bei einem Umbau der Einrichtungen und Geräte.

Wo steht die Milchproduktion im Kanton Freiburg im gesamtschweizerischen Vergleich?

Freiburg zeichnet verantwortlich für über 10 % der gesamten Milchproduktion. Wir sind übrigens der drittgrösste Milchverband der Schweiz. Die Freiburger Topographie ist günstig für Grasweiden und die Milchproduktion.

Wie beeinflusst das Klima die Milchproduktion?

Das Klima wird die Karten sicherlich neu mischen. Wir stellen fest, dass es immer schwieriger wird, im Wechselspiel von Trockenheit und Niederschlagsperioden qualitativ hochstehendes Heu zu produzieren. Im Tiefland, das rasch von der Trockenheit betroffen sein kann – etwa im Broyebezirk –, ist die Milchproduktion bereits stark zurückgegangen und wird ersetzt durch andere Anbaukulturen oder durch die Fleischproduktion. Ganz allgemein kann man sagen, dass wir mehr Milch werden importieren müssen, wenn die grossen Milchbetriebe im Tiefland ihre Produktion einstellen – und das ist eine schwierige Vorstellung.

Es ist aber ein Fakt, dass die Schweiz enorm viele Milchprodukte importiert…

Das stimmt. 2023 war das erste Jahr seit der Öffnung der gelben Linie, die den Import von Käse liberalisierte, in dem die Schweiz mehr Käse importierte als sie exportierte. Es handelt sich in erster Linie um Frisch- und Weichkäse. Bis 2021 haben die Exporte zugenommen, seither sind sie rückläufig. Verantwortlich dafür zeichnen der starke Franken und der Grosshandel, der eine imposante Palette von kostengünstig importierten Produkten anbietet.

Es wird oft vom Milchpreis gesprochen, wie ist der Stand der Dinge heute?

Der Grosshandel entscheidet über fast alles. Die beiden orangen Riesen kaufen fast 80 % der Produktion, das kann man nicht einfach ignorieren. Sie setzen den Durchschnittspreis für den Käse fest, was wiederum den Preisindex der Milch beeinflusst und die Erhöhungen verunmöglicht, die den Produzenten zustehen würden. Man unterscheidet drei Kategorien, mit denen der Milchpreis bestimmt wird. Der Milchpreis A gilt für Milch, der in der Schweiz zu Milchprodukten mit hohem Mehrwert verarbeitet wird. Zu diesen Milchprodukten gehören etwa die verschiedenen Käsearten. Der Milchpreis B gilt für Produkte, die in den Export gelangen, z. B. Milchpulver. Der Milchpreis C wird angewendet auf überschüssige Milch. Da wir aber in der Schweiz die gesamte Produktion verarbeiten, erfolgen unsere Zahlungen nicht unter dieser Regelung. Die Branchenorganisation Milch gibt jedes Quartal den Milchpreisindex bekannt, der vom Bundesamt für Landwirtschaft berechnet wird. Der Index setzt sich zusammen aus 23 Kriterien, auf welche die Produzenten überhaupt keinen Einfluss nehmen können. Gegenwärtig ist es so, dass der Milchpreis die Produktionskosten der Milchviehhalter nicht deckt. Alle möchten den Milchpreis erhöhen, aber die Konsumentinnen und Konsumenten müssen mitziehen!

[1] In diesem Blog schliesst der «Begriff» Produzent» auch Produzentinnen mit ein. Dasselbe gilt für den Begriff «Käser», der Käserinnen mitmeint.

Dieser Inhalt wird Ihnen von Christelle Grangier, selbständige Redaktorin für Terroir Fribourg zur Verfügung gestellt. 

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