Clare O’Dea über «Der Tag, an dem die Männer Nein sagten»
Pünktlich zum 50. Jubiläum vom Frauenstimmrecht hat die irisch-freiburgische Journalistin Clare O’Dea einen Roman zu diesem Thema geschrieben.
Clare O’Deas Roman mit dem Titel «Der Tag, an dem die Männer Nein sagten» spielt sich im Kanton Freiburg und Umgebung im Jahr 1959 ab, als das Frauenstimmrecht abgelehnt wurde. Wir haben mit Clare über die geschlechterspezifischen Ungleichheiten von damals und heute, die Besonderheiten von Freiburg und die Smartphone-Welt gesprochen.
Im Jahr 1959 wurde das Frauenstimmrecht abgelehnt, in diesem Jahr spielt dein Buch. Worum geht es genau?
Es ist eine Geschichte über vier Frauen, die durch das Schicksal eines Verdingkindes miteinander verbunden sind. Die Handlung spielt von morgens bis abends des Abstimmungssonntags - ein sehr wichtiger Tag für alle vier Frauen, aber nicht unbedingt wegen der Abstimmung.
War der Veröffentlichungszeitpunkt zum 50. Jubiläum des Frauenstimmrechts explizit so geplant?
Eigentlich ist es eher ein Zufall, dass das Buch so nah am 7. Februar 2021 geschrieben wurde.
Wie bist du auf das Thema gekommen?
Die Geschichte von 1959 hat mein Interesse geweckt, als ich ein Interview mit der Frauenstimmrechtlerin Marthe Gosteli führte und sie mir über ihre Enttäuschung an diesem Tag erzählt hat. Wir können es uns heute nicht vorstellen. Oder vielleicht nur durch individuelle Geschichten, wie die in meinem Buch.
Welches sind die wichtigsten geschlechterspezifischen Ungleichheiten von damals und heute?
Die schlimmste Ungerechtigkeit ist vorbei - zumindest in der Schweiz. Das Gefühl, dass Frauen weniger wert waren, war fest im Alltag verankert – weniger klug, weniger wichtig. Frauen hatten kaum eine Präsenz im öffentlichen Leben und sie waren rechtlich, vor allem in der Ehe, mehr wie Kinder als Erwachsene. Heute wissen Mädchen und Frauen, dass sie gleichwertig und gleich klug sind wie Männer. Trotzdem treffen sie in ihrem Leben ähnliche Hürden an: Sexismus in der Arbeitswelt, sexuelle Gewalt, Doppelbelastung im Haushalt und Beruf usw.
Woher kam die Inspiration für dieses Buch?
Ich liebe es, persönliche Geschichten von Personen mit einer reichen Lebenserfahrung zu hören. Durch meine Arbeit als Journalistin und in meinem Privatleben habe ich dutzende spannende und oft schockierende Stories gehört. Von Heimkindern, Zwangsadoptionen, Armut und Diskriminierungen. Diese liegen nicht sehr weit in der Vergangenheit. Die Inspiration ist überall. Die genaue Idee von vier Frauen hatte ich während eines Spazierganges mit meinem Hund Lucky im Wald.
«Manchmal möchte ich den Schweizer:innen zuflüstern, dass nicht immer alles perfekt sein muss!»
Du hast auch das Buch «The Naked Swiss» geschrieben, in dem du kritisch auf deine zweite Heimat blickst. Wie sind sie denn nun, die Schweizer*innen?
Ja, kritisch aber auch mit Zuneigung. Schweizer*innen haben hohe Erwartungen ans Leben und legen viel Gewicht auf Qualität. Meistens ist diese Einstellung positiv, zum Beispiel wenn es um Demokratie oder Essen geht. Aber es setzt die Gesellschaft auch ein bisschen unter Druck. Manchmal möchte ich den Schweizerinnen und Schweizern zuflüstern, dass nicht immer alles perfekt sein muss!
Was gefällt dir in der Schweiz besser als in Irland?
Das Gesundheitswesen, die zahlreichen Wanderwege und der Schnee.
Und speziell an der Region Freiburg?
Ich liebe die alte Architektur in Freiburg, von den Bauernhäusern mit ihren ‘Drive-in’ Scheunen zu den Häusern und die Brücken in der Basse Ville.
Wann hast du deine Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt?
Zuerst beim Lesen. Meine Grossmutter, die mit uns gewohnt hat, war Lehrerin und eine Leseratte. Sie hat uns Grosskindern gerne Bücher vorgelesen. Für mich waren Bücher etwas Wundervolles. Als junge Erwachsene fing ich an, davon zu träumen, selber einmal kreativ zu schreiben. Schriftsteller*innen sind sehr beliebt in Irland. Die Schweizer gewinnen den Nobelpreis für Physik, die Iren für Literatur (bisher allerdings noch keine Frauen!).
Ist die Lust zum Schreiben bei dir stets gleich stark vorhanden oder musst du dich selbst manchmal zum Schreiben motivieren?
Ich schreibe phasenweise. Die Idee muss stark genug sein, um mich zu motivieren. Das ist der Motor. Wenn ich schon drin bin, schreibe ich täglich bis ich zum Ende komme. Dann brauche ich Erholung und frische Inspiration bevor das nächste Projekt beginnt.
Wo schreibst du am liebsten? Hast du feste Arbeitszeiten oder wachst du mitten in der Nacht mit einer Idee auf und legst los?
Ich kann überall schreiben, an meinem Pult zu Hause oder am Küchentisch, in einem Café oder im Zug. Es muss zwangweise ausserhalb von meiner (besser) bezahlten Arbeit bleiben, zum Beispiel am Abend oder am Wochenende.
«Eine Kurzgeschichte war von einer Todesanzeige in einer regionalen Tageszeitung inspiriert.»
Wie, wo und wann entstehen die besten Ideen?
Im Alltag, zum Beispiel in Gesprächen oder allein beim Spazieren. Eine Kurzgeschichte, welche Erfolg in Irland hatte, war von einer Todesanzeige in einer regionalen Tageszeitung inspiriert.
Als Journalistin bist du ja selbst leidenschaftliche Menschenbeobachterin... Fällt es dir schwer, hier keine Gegenfragen zu stellen? :-)
Nein, man hat zu wenig Chancen im Leben, Einzelheiten über sich zu erzählen (ausser in der Therapie :-)). Ich geniesse es!
Schreibst du auch privat viel? Lieber schreiben (SMS, WhatsApp) oder telefonieren?
Ich habe früher viele Briefe geschrieben, jetzt kommen meine Briefe per Email. Sonst lieber tippen als sprechen. Das gehört zur Smartphone-Welt.
Was hast du für Hobbies ausser Schreiben?
Ich habe einen kleinen Gemüsegarten, der mir viel Vergnügen bereitet. Wanderungen mag ich auch, vorallem im Kanton Freiburg. So kann ich meine direkte Umgebung besser kennenlernen. Ich denke immer, es wäre schön in einem Chor zu singen, aber die Zeit fehlt mir im Moment mit drei Kindern und meiner Arbeit als freischaffende Journalistin und Übersetzerin.
Was ist dein Plan für die Zukunft in Bezug auf die Schriftstellerei? Werden wir noch mehr von dir lesen?
Ich arbeite an einem Roman über zwei Kinder auf der Flucht. Die Geschichte spielt sich in einem Land, das von einer finsteren Firma regiert wird. Mal sehen, was es bringt. Klar ist, dass ich nicht aufhöre.
«Wenn es hier regnet, ist es nicht ‘wie in Irland’ sondern wie in der Schweiz.»
Welche Interview-Frage wolltest du schon immer gestellt bekommen und beantworten?
Nicht eine Frage, sondern eine Klärung. Es regnet nicht öfter in Irland als in der Schweiz. Wenn es hier regnet, ist es nicht ‘wie in Irland’ sondern wie in der Schweiz ;-)
- Die regionalen Fragen -
Wo in Deutschfreiburg gehst du gern zum Essen aus?
D’Ischhalla - Das Bistro in Düdingen. Ihr Club-Sandwich ist delicious und die Atmosphäre sehr sympathisch.
Der inspirierendste Ort in der Region für dich als Autorin?
Pierrafortscha. Ich liebe den Blick über die schönen Ackerfelder, Wälder und Berge.
Wo in unserer Region würdest du dein eigenes Buchhaus eröffnen?
Am Bahnhof. Wer braucht so viele verschiedene Tees? :-)
Über die Autorin:
Clare O’Dea (48) ist in Dublin geboren, wo sie Sprachwissenschaften studiert und als Journalistin gearbeitet hat. Nachdem sie einen Freiburger geheiratet hat, kam sie vor 17 Jahren nach Freiburg. Sie arbeitete mehrere Jahre bei Swissinfo und hat unter anderem das Buch «The Naked Swiss» (2016) / «Die wahre Schweiz» (2018) geschrieben.