Die Kita-Komplexität
Einheitliche Preise und Bedingungen in der Kinderbetreuung: Das will eine Freiburger Allianz erreichen. Die Frage ist nur, wie.

Kinderbetreuung kostet. Aber sie kostet nicht überall gleich viel. Eltern müssen für einen Platz in einer Kindertagesstätte (Kita) mal tiefer, mal weniger tief in die Tasche greifen - je nachdem, in welcher Freiburger Gemeinde sie wohnen und wo sie ihr Kind betreuen lassen. Die Gemeinden, welche die ansässigen Kitas finanziell unterstützen, machen mit diesen gemäss eigener Richtlinien aus, welchen Anteil der Kita-Kosten sie übernehmen. Die Eltern zahlen für diese subventionierten Kita-Plätze umso mehr, je höher ihr Einkommen und ihr Vermögen ist. Nicht nur die Kosten für einen Kita-Platz variieren, auch das Betreuungsangebot unterscheidet sich von Ort zu Ort. Die Anmeldefristen für einen Betreuungsplatz sind teils lange und an gewissen Orten übersteigt die Nachfrage nach Kita-Plätzen das Angebot.
An den grossen Unterschieden in der Kinderbetreuung stören sich viele: Eltern, Politikerinnen und Kita-Betreibende. Diverse Fachkräfte der Kinderbetreuung haben sich nun zusammengeschlossen und kämpfen gemeinsam für ihre Interessen. Dafür haben sie die "Freiburger Allianz der Akteure in der Kinderbetreuung" gegründet.
Was wollen die Akteure in der Kinderbetreuung?
Diese "Freiburger Allianz" will die Bedingungen der über siebzig Kitas im Kanton Freiburg vereinheitlichen und an politischem Gewicht zulegen. "Wir haben gemerkt, dass wir uns zusammenschliessen sollten, damit nicht jeder in seiner Ecke etwas rumbastelt und wir mit einer Stimme sprechen können," sagt Bettina Sager aus dem Vorstand der Allianz. Man strebe eine Gesetzesänderung an, damit sowohl die Arbeitsbedingungen des Personals, wie auch das Angebot an Kita-Plätzen vereinheitlicht werden. Schliesslich möchte die Allianz auch, dass die Kita-Plätze überall gleich viel kosten.
Gegen einheitliche Preise wehrt sich hingegen Frédéric Baudin, CEO der Gruppe "pop e poppa", die in mehreren Freiburger Gemeinden private Kitas betreibt. "Mitten in der Stadt Freiburg oder auf dem Land in Giffers hat es nicht dieselben Mietzinsen und andere Bedingungen", sagt Baudin. Eine Kita in der Stadt gebe neben mehr Miete beispielsweise auch mehr Geld für Fahrten aus, der nächste Wald sei weiter weg. Eine Vereinheitlichung der Kosten für Kita-Plätze hätte zur Folge, dass er mit seinen Kitas ein weniger gutes Angebot bieten könne. Denn für sein Angebot müsse er mehr verrechnen als andere Kitas, etwa auch weil seine Kitas eine bessere Qualitäts-Kontrolle aufwiesen, sagt Baudin weiter.
Betreuungs-Gutscheine als Lösung?
Statt einer Vereinheitlichung der Kita-Tarife fordert Baudin eine direkte Subventionierung der Eltern. Dies etwa in Form von sogenannten Betreuungsgutscheinen. Diese Gutscheine könnten Eltern ortsunabhängig für einen Kita-Platz einlösen. Also beispielsweise auch in der Kita, die in der Nähe von ihrem Arbeitsplatz liegt und nicht unbedingt in ihrem Wohnort.
Eine gute Kinderbetreuung unabhängig vom Wohnort ist auch Simone Fehr wichtig. Sie leitet die Region Deutschsprachiges Mittelland beim Verband Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse). Und auch sie spricht sich vehement gegen die von der Freiburger Allianz geforderten Einheitstarife aus. Die Kitas müssten bei der Tarifgestaltung einen Spielraum haben. Punkto Qualität müsse man mehr wollen als die Mindeststandards, weil Qualität ein entscheidender Faktor sei. Dafür brauche es aber mehr finanzielle Mittel für genügend qualifiziertes Personal und für einheitliche, zeitgemässe Qualitätsstandards. "Es ist jetzt nicht mehr die Zeit der Visionen, sondern, dass man an die Arbeit geht", sagt Simone Fehr weiter. An die Arbeit müssen laut Simone Fehr die Politik und die Gemeinden. Letztere sind es, die genügend viele Kita-Plätze schaffen müssen. In der Realität sei das Angebot aber gerade in ländlichen Regionen häufig nicht ausreichend.
Simone Fehr findet es ausserdem unbefriedigend, dass im Kanton Freiburg die Verantwortung für die Organisation und Subventionierung der Kita-Plätze bei den Gemeinden liegt. "Das ist sehr ineffizient und führt zu sehr viel Ungleichheit und Wildwuchs," sagt Fehr. Sie befürwortet daher ebenfalls das Modell der Betreuungsgutscheine, die Eltern mehr Spielraum bei der Wahl einer Kita einräumen würde.
Eine Gemeinde, die bereits mit Betreuungsgutscheinen arbeitet, ist die Gemeinde Murten. Mit der direkten Unterstützung der Eltern in Form der Gutscheine fahre man bisher sehr gut, sagt Gemeinderat Markus Ith. In einer Vereinheitlichung der Tarife sieht er Gefahren und meint, "dass gewisse private Anbieter wegen einer zu tiefen Plafonierung ihr Business-Modell nicht mehr betreiben könnten. Es wäre schade, dies mit so einer staatlichen Massnahme zu gefährden."
Was sagen Gemeinden und Politik?
Noch stärkere Auswirkungen hätte eine Vereinheitlichung der Kita-Kosten und Bedingungen wohl auf eher finanzschwächere, kleinere Gemeinden. "Ich gehe für Gemeinden in Randgebieten und weniger gut situierte davon aus, dass man mehr ins Budget nehmen müsste," sagt Daniel Bürdel, der Syndic von Plaffeien. Das Modell der Betreuungsgutscheine sieht er für Plaffeien und das Sense-Oberland als weniger geeignet als für Agglomerationen oder städtische Gebiete.
Der Schmittner Gemeinderat und Grossrat Markus Julmy sagt, vom sozialen Aspekt her fände er es nicht korrekt, wenn die Kita-Tarife vereinheitlicht würden, vom wirtschaftlichen Aspekt her aber schon. Und er befürchtet vor allem für finanzschwache Gemeinden grosse finanzielle Herausforderungen im Falle einer Vereinheitlichung. Betreuungsgutschriften seien in Schmitten zurzeit kein Thema, da die Gemeinde den Bedarf bald vollständig abdecken sowie verwalten und finanzieren könne.
Auf eine Motion aus dem Grossen Rat mit dem Anliegen von Betreuungsgutscheinen hatte der Freiburger Staatsrat schon vor zwei Jahren geantwortet, dass nicht alle Betreuungseinrichtungen dieselben Betriebskosten hätten. Ein Gutschein-System könne so zu einer Ungleichbehandlung führen.
Für eine neue, einheitliche Finanzierung der Kinderbetreuung im Kanton Freiburg braucht es also noch einige gesellschaftliche und politische Debatten.