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Die Rückkehr des treuen Vagabunden

Am Freitag lanciert «La Tour Vagabonde» die neue Saison in Freiburg. Auf dem Vorplatz der Poya-Kaserne hat der mobile Kulturort erstmals eine Raststätte für mehrere Jahre gefunden.

Ein Teil der Equipe "La Tour Vagabonde" © Marc Reidy

Die Atmosphäre im Tour Vagabonde ist ziemlich einzigartig. Im Innern der einem elisabethanischen Theaters nachempfundenen Struktur eröffnet sich den Besuchenden ein kreisförmiger Raum mit Bar, Bühne und Beizenmobiliar, worüber zwei offene Etagen bis hoch unter den Baldachin ragen. Der Turm ist ein Imaginarium gastronomischen, kulturellen und sozialen Erlebens. An Veranstaltungen wird die Bar gerne mal spontan zur Bühnenzunge umfunktioniert, Tanzensembles schwingen inmitten der poetisch-kitschigen Dekoration, basslastige Konzerte schäumen Biere auf und lockern starre Beine, das Bühnenlicht wird von den Fondueschwaden reflektiert – eine berauschende Melange an Sinnesreizen.

Es herrscht eine Offenheit für Vielfalt, eine starke Empfangskultur und Inklusivität

Rana Bassil, Administration Tour Vagabonde
Blaise Coursin und Rana Bassil. ©Marc Reidy

Neue Stabilität

«Ich finde, man fühlt eine gewisse Magie im Turm. Schon das Gebäude an sich ist unglaublich», meint Rana Bassil, die sich neu um die Administration des Tour Vagabonde kümmert. «Es herrscht eine Offenheit für Vielfalt, eine starke Empfangskultur und Inklusivität. Das habe ich hier immer gefühlt». Bereits seit 2012 gastiert der vagabundierende Kulturort in der Stadt Freiburg. Nach Stationen an der Zeughausstrasse, beim Thierryturm neben der Uni Miséricorde, auf dem Areal der Blue Factory und im Poya-Park, steht der Tour Vagabonde nun direkt vor dem Hauptgebäude der Poya-Kaserne, aus dem vorbeiziehenden Zug gut sichtbar.

Erstmals wird dem Turm nicht nur eine Rasterlaubnis von einigen Monaten gewährt, sondern gleich für mehrere Jahre. «Mit dem Kanton als Besitzerin des Poya-Areals haben wir einen dreijährigen Vertrag mit Aussicht auf Verlängerung und das Oberamt des Saanebezirk hat eine Baubewilligung für fünf Jahre genehmigt», erläutert Blaise Coursin, Programmverantwortlicher des Tour Vagabonde. Für die Verantwortlichen eröffnet dies noch nie dagewesene Perspektiven, musste der Turm doch an allen bisherigen Standorten entweder Bauprojekten weichen oder erhielt wegen Einsprachen von angrenzenden Wohnquartieren keine Baubewilligung.

Am Standort vor der Poya-Kaserne scheinen diese Probleme behoben zu sein. Bis mindestens 2033 steht das Areal in einer Übergangsphase mit einer vielfältigen Zwischennutzung. «Es ist für uns wirklich wie ein komplett neues Projekt. Bisher mussten wir kontinuierlich an die nächste Saison denken, freie Plätze finden, Bewilligungen beantragen etc. Das fällt nun weg und wir können uns voll und ganz auf den Inhalt und dessen Vermittlung fokussieren», so Coursin weiter.

Tour Vagabonde auf dem Vorplatz der Poya-Kaserne. ©Charly Rappo

Neue Strukturen

Die neuen Bedingungen ermöglichen es der Equipe auch die interne Organisation neu zu denken. «Wir versuchen eine professionellere Struktur zu etablieren, mit festen Stellen in den Bereichen Verwaltung, Programmation, Produktion, Technik, Bar und Küche. Bisher war das ziemlich fluid. In der ersten Etappe sprechen wir von neun Personen mit Pensen zwischen 15 und 30 Prozent. Die kommende Saison wird zeigen, ob das funktioniert», erklärt Rana Bassil. «Wir wollen uns weiterentwickeln.» Das zeigt sich auch beim Jahresbudget, welches mit 800-900'000 Franken den bisher grössten Betrag aufweist. «Das klingt vielleicht ziemlich ambitioniert, aber das sind relativ normale Zahle für Kulturstrukturen. Unsere Subventionsrate liegt jedoch aktuell noch bei rund 15 Prozent, aber wir sind mit den Instanzen in Kontakt und sind optimistisch, das Geld zu finden», so die Administratorin weiter.

Ich glaube daran. Am Anfang ist es immer schwierig, aber ich denke, dass die Dinge sich einrichten werden.

Blaise Coursin, Programmator Tour Vagabonde

Gleiche Werte

Programmtechnisch führt Blaise Coursin die Idee der letzten Saisons weiter und präsentiert ein breites Spektrum an Konzerten, Theater- und Tanzaufführungen, Zirkusvorstellungen, Cabaret oder auch Flohmärkten. «In Freiburg gibt es bereits ein sehr grosses Angebot an Konzerten, aber vor allem in den Bereichen Kleinkunst und Zirkus bieten wir ein neues oder zumindest anderes Angebot als die grösseren Strukturen», erläutert Coursin. Das Angebot soll vor allem zugänglich sein und wie bereits in den vergangenen Jahren ein sehr diverses Publikum über alle Alterskategorien hinweg anziehen. «Oft empfinden die Leute beispielsweise Theateraufführungen und zeitgenössische Performances als elitär, was wir hier versuchen, aufzubrechen. Das Programm soll originell, anspruchsvoll und zugänglich zugleich sein». Ein Beispiel dafür ist die Aufführung von David Murgia im Oktober. Der belgische Schauspieler und Komödiant schafft es laut Coursin, ohne befremdlich zu wirken, die Grenzen zwischen Performer und Publikum zu vermischen. Das Bistro wird quasi zur Bühne. Wie bisher gibt es auch für diese Saison kein Ticketing, sondern eine Hutkollekte nach den Veranstaltungen. «Wir haben zwar einen Richtpreis, aber die Idee ist, dass Personen, die mehr haben, auch mehr geben können als andere.»

Weiter soll der Tour Vagabonde als Vermittlungs- und Begegnungsraum zwischen lokaler und internationaler Kultur dienen. Nebst vielen lokalen Acts, wie Hubeskyla, Manon Mullener oder La Duchesse, können an mehreren Abenden musikalische und künstlerische Ausdrucksformen aus anderen Ländern entdeckt werden, so etwa von SAHAD aus dem Senegal, Baskot Lel Baltageyya aus Ägypten oder Bu Nasser Touffar aus dem Libanon. «Solche Acts zu buchen ist natürlich nicht billig und oft wegen Visa mit einem grossen behördlichem Aufwand verbunden, aber wir versprechen uns davon originelle und sehr intensive Konzerterlebnisse».

Die neue Saison verspricht berauschende Abende. ©Sarah Mathon

Neue Möglichkeiten

À propos Begegnungsraum: Der Tour Vagabonde ist direkter Nachbar des Asylzentrums Poya. Laut Bassil und Coursin sollen auch hier gezielt Begegnungen stattfinden und Zugänge ermöglicht werden. «Es gab bereits Projekte und ich hoffe, dass wir es schaffen werden, ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen und sie in Aktivitäten einzubinden», so Coursin weiter.

Dank der geregelten Standortfrage für die nächsten Jahre, möchten die Verantwortlichen die Struktur auch vermehrt als Raum für Kreativität und Experimente zur Verfügung stellen. «Im Moment haben wir noch nicht die Finanzierung, um Kreationen zu unterstützen, aber es gibt mehrere lokale Kunstschaffende, die ihre Ideen mit uns teilen», erläutert der Programmator. Ein sicherlich interessantes Angebot beispielsweise für Ensembles, die nach anderen Räumlichkeiten als Equilibre und Nuithonie suchen.

Ein neuer Verein für die Bespielung des Poya-Areals

Mit der Eröffnung des Tour Vagabonde beginnt auch eine weitere Etappe der Metamorphose des Poya-Areals. Während der Zwischennutzung der kommenden Jahre werden verschiedene Akteure das über 45`000 Quadratmeter grosse Gelände bespielen. Dazu bildet «La Tour Vagabonde» zusammen mit einem neuen Angebot zwischen Gastronomie und Camping sowie «la fabrique», die Organisationen vereint, die im Bereich Wiederverwertung tätig sind, den neuen Verein «La Grande Mouette». Ziel ist es, die Aktivitäten auf dem Areal zu koordinieren, die dort wirkenden Kulturschaffenden zusammenzuführen, um als Interaktionspartner gegenüber dem Kanton agieren zu können. «Es handelt sich um eine Vereinigung von Kräften, die sehr gut zusammenpasst, weil wir alle gemeinsam einen kulturellen, sozialen und auch touristischen Aspekt beitragen», erklärt Coursin. Der Verein soll durch andere Akteure, die in Zukunft auf dem Areal aktiv sind, weiter wachsen, um mit gemeinsamer Stimme zu sprechen. «Welche anderen Projekte der Kanton genehmigt hat wissen wir nicht und was nach der Übergangsphase mit der Kaserne passiert ist auch noch nicht bekannt. Es ist enorm wichtig, dass wir uns vereinen und bei diesen Diskussionen mitsprechen können», betont Rana Bassil.

Es handelt sich um eine Vereinigung von Kräften, die sehr gut zusammenpasst, weil wir alle gemeinsam einen kulturellen, sozialen und auch touristischen Aspekt beitragen

Blaise Coursin, Programmator Tour Vagabonde

Ein erstes Quartierfest zur Eröffnung

Anlässlich der Eröffnung des Tour Vagabonde findet kommendes Wochenende auf dem Platz vor der Poya-Kaserne ein erstes Quartierfest statt. Nebst einem kleinen Markt mit Kunsthandwerk wird «La fabrique» mit ihren Mitgliedern verschiedene Aktivitäten anbieten. Zu den ausgefallensten Programmpunkten der Eröffnungssause gehören wohl die kulinarischen und sportlichen Angebote «Fritness», das Aerobic und die Herstellung von Pommes Frites vereint, und das abenteuerliche Fischen nach Sardinendosen von «La Tôlerie». Auf musikalischer Seite steht am Freitagabend Blind Butcher auf der Bühne des Tour Vagabonde. «Sie spielen einen energischen Mix aus Rock, New Wave mit einer verrückten Show, perfekt für die Lancierung des Fests», meint Coursin. Am Samstag folgt mit Wunder Tandem ein musikalisches Spektakel «mit clownesken Zügen» und anschliessend das Konzert von Ahmed Eid und seiner Band I Love Your Face. «Ahmed lebt in Ramallah und verbringt einen Teil seiner Zeit auch in Berlin. Er ist ein sehr engagierter palästinensischer Künstler, der viel tourt und viel zu sagen hat. Er ist ein sehr guter Musiker, mit einer wunderbaren Stimme» sagt der Programmator Blaise Coursin. «Ich denke das Programm passt gut zum Geist des Turms und kreiert schöne Momente für dieses erste Fest auf dem Poya-Areal».

Tour Vagabonde, Poya-Kaserne, Freiburg. Eröffnungsfest Fr., 13. Sept. und Sa.,14. Sept. Programm unter www.tourvagabonde.com

RadioFr. - Valentin Brügger
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