Ein Geschenk für das Schweizer Eishockey
Am Sonntag spielen Zug und die ZSC Lions in einer Finalissima um den Meistertitel - mit klaren Vorteilen für die Zuger.
Zugs Coach Dan Tangnes sagte den Satz gleich zweimal: "Jeder in der Schweiz, der das Hockey objektiv verfolgt, hat dieses Spiel sieben verdient." Ausser für die Zürcher, die nun drei Chancen verpasst haben, ihren zehnten Meistertitel zu holen, ist diese Finalissima das Beste, was passieren konnte. Nicht nur das viel zitierte Momentum, auch sonst spricht am Tag der Arbeit vieles für Zug.
Der Final-Mythos Genoni
Die Final-Bilanz von Zugs Goalie Leonardo Genoni ist geradezu surreal. In sechs Playoff-Finals mit Davos (3), Bern (2) und Zug ging er noch nie als Verlierer vom Eis. Im Spiel 6 am Freitag war es ausgerechnet der ehemalige ZSC-Junior Genoni, der die Zürcher zur Verzweiflung trieb. Zuvor in den ersten drei Spielen war es der Lions-Keeper Jakub Kovar gewesen, der geradezu übermenschlich hielt, während Genoni einfach nur gut war.
Nun hat sich das Blatt gewendet. Der Tscheche ist immer noch hervorragend, doch nun ist Genoni die Wand, gegen die es kaum ein Durchkommen gibt und die damit die gegnerischen Stürmer den möglicherweise entscheidenden Sekundenbruchteil zu lange überlegen lässt.
ZSC zu stark von Malgin abhängig
Seit dem zweiten Spiel haben für die ZSC Lions nur noch zwei Spieler Tore geschossen: die Linienpartner Denis Malgin und Sven Andrighetto. Im sechsten Finalspiel (0:2) blieben die beiden erstmals ohne Skorerpunkt, und von den Teamkollegen konnte keiner in die Bresche springen. Malgin steht - wie Jan Kovar, sein Topskorer-Pendant bei Zug - über 20 Minuten pro Match auf dem Eis und investiert mit seinen Rushes viel Energie. Zuletzt haben die Zuger Malgin aber immer besser in den Griff bekommen. Es stellt sich die Frage, ob er noch genug Kraft hat, um den Unterschied zu machen.
Bei den Zugern ist die Last breiter verteilt. Fünf verschiedene Spieler - ohne die Treffer ins leere Tor - steuerten die Goals zur Wende mit drei Siegen in den letzten drei Spielen bei. "Unser Vorteil ist, dass wir viele Spieler haben, die den Unterschied machen können", strich Tangnes am Freitagabend heraus. "Im letzten Spiel waren es Kovar und Simion, heute Genoni, die uns getragen haben."
Tangnes gewinnt das Duell der Coaches
Der zweifache schwedische Weltmeister-Coach Rikard Grönborg wird in diesem Final von Dan Tangnes an der Zuger Bande regelrecht ausgecoacht. Der smarte Norweger fand die perfekte Mischung, verfiel angesichts des 0:3-Rückstands nicht in Panik, setzte aber mit dem Tausch der Flügelstürmer Fabrice Herzog und Grégory Hoffmann in der ersten und zweiten Sturmlinie den entscheidenden Impuls. "Das sieht jetzt aus wie ein Geniestreich", gibt sich Tangnes bescheiden. "Aber da steckt nicht so viel dahinter."
Es hat auf jeden Fall gewirkt. Grönborg hielt hingegen mehrheitlich an seiner Aufstellung fest. Enttäuschend sind bisher die Leistungen der ausländischen ZSC-Stürmer. Vor allem Justin Azevedo fiel nach seinem Siegtor zwei Sekunden vor dem Ende des ersten Spiels fast nur noch mit dem ungeschickten Eigentor zum 0:1 am Freitag auf, dem sein Team vergeblich nachjagte. Am Sonntag dürfte deshalb erstmals John Quenneville eine Chance erhalten. Vielleicht kommt der Wechsel aber zu spät.
Momentum und Glück haben gewechselt
Das viel zitierte Momentum kann eine sehr launenhafte Göttin sein. Fielen in den ersten drei Partien fast alle Pucks zugunsten der Zürcher, hat dies mittlerweile komplett gewechselt. Sowohl im Spiel 4 als auch im Spiel 6 fiel der Zuger Siegtreffer durch ein kurioses Eigentor. Am Freitag dominierte der ZSC wie in keinem anderen Spiel der Finalserie (36:21 Schüsse). "Manchmal macht Hockey keinen Sinn", musste Grönborg konstatieren.
Nun sehen sich die Zürcher mit einer neuen Situation konfrontiert. Sie dürfen nicht mehr gewinnen, um den Meistertitel zu holen, sie müssen gewinnen. Für Grönborg steht einiges auf dem Spiel. Der erste Coach zu sein, der in einem Schweizer Playoff-Final eine 3:0-Führung verspielt, würde sich schlecht im Lebenslauf des ehrgeizigen Schweden machen.
Hoffnung für den ZSC
Für den ZSC spricht, dass er am Freitag abgesehen vom Toreschiessen vieles richtig machte. Auch die Statistik ist überraschenderweise eher auf seiner Seite. Neun Mal gab es bisher eine Finalissima um den Titel, sieben Mal setzte sich das Auswärtsteam durch. Und sieben von neun Mal triumphierte am Ende das Team, das die zweitletzte Partie verloren hatte.
Besonders gerne werden sich die Zürcher an den letzten Titel vor vier Jahren erinnern. Da hatten sie 3:1 geführt, vergaben zwei Meisterpucks und siegten am Ende in Lugano 2:0. Sieg-Torschütze war Patrick Geering. Neben dem heutigen Captain sind vier weitere Spieler noch dabei.