Grosse Fiesta der Argentinier

Argentinien atmet auf. Dank Lionel Messi verhindert der zweifache Weltmeister das Fiasko und träumt wieder.

Lionel Messi und seine Argentinier sind nach schwierigen Tagen wieder auf Kurs © KEYSTONE/AP/Jorge Saenz

Die Erleichterung war riesig bei den Argentiniern. Die Fans blieben noch lange Zeit im Stadion von Lusail und sangen aus tiefster Kehle, während die zuvor noch zahlreicheren mexikanischen Anhänger die Tribünen längst mit hängenden Köpfen verlassen hatten. Später zogen die Argentinier weiter Richtung Altstadt von Doha und belagerten dort die Strassen.

Gleichzeitig feierten auch die Spieler in der Garderobe ausgelassen diesen 2:0-Sieg gegen Mexiko, der nach dem blamablen 1:2 gegen Saudi-Arabien die grosse Erlösung darstellte. Verteidiger Nicolas Otamendi teilte auf den sozialen Medien ein Video, das zeigt, wie die ganze Mannschaft auf Bänken und Tischen hüpft und ein Lied zu Ehren von Argentinien und speziell zu Ehren von Lionel Messi und Diego Maradona singt. "Ich will die dritte gewinnen, ich will Weltmeister werden", heisst es unter anderem.

Kein Wunder, war es schon tiefe Nacht, als Lionel Messi, der Mann des Spiels, sich zu den 90 Minuten äusserte, die die argentinische Stimmung so sehr ins Positive gedreht hatte, nur vier Tage nachdem sie am Tiefpunkt angelangt war. "Wir haben einen wichtigen Schritt gemacht", sagte der 35-Jährige nüchtern. Besser auf den Punkt brachte es Trainer Lionel Scaloni: "Wir haben eine schlechte erste Halbzeit gespielt... Und was ist dann passiert? Die Nummer 10 hat getroffen."

Alles dreht sich bei Argentinien um die Nummer 10, um Messi. Längst nicht alles gelang dem sechsfachen Weltfussballer gegen Mexiko, oft blieb er in dieser spielerisch höchsten mittelmässigen Partie an einem Gegner hängen. Aber als er für einmal etwas Platz in der Nähe des gegnerischen Strafraums vorfand, nahm er den Ball blitzschnell an und schoss präzise in die untere Torecke. Es war sein 93. Tor im 167. Länderspiel und vor allem das 8. WM-Tor, womit er mit Diego Maradona gleichzieht. Maradona, so sangen es die völlig losgelösten Spieler in der Kabine, ist im Himmel und unterstützt Messi.

Tränen von Aimar

Auch Trainer Scaloni gehörte zu den Singenden. Später klatschte er mit allen ab. Aber mehr noch als diese Szenen brachten Bilder von ihm und seinen beiden Assistenten, dem Ex-Basler Walter Samuel und dem früheren Spielmacher Pablo Aimar, nach dem 1:0 zum Ausdruck, wie viel Last von deren Schultern abfiel. Aimar, dessen Mutter vor einigen Wochen verstorben ist, verdeckte sein Gesicht und war von den Emotionen überwältigt. Später sass auch Scaloni mit feuchten Augen auf der Trainerbank.

Bei aller Begeisterung, die der Sport in Europa auslösen kann, in Süd- und Mittelamerika ist die Fussball-Welt nochmals um einiges emotionaler. Die Tage nach der Pleite gegen Saudi-Arabien seien für die argentinischen Spieler lang gewesen, gestand Messi. Aus der Heimat kam aber anders als auch schon in solchen schwierigen Situation fast nur Positives.

Noch ist nichts gewonnen

Und jetzt? "Argentinien ist aufgewacht", schrieb die Zeitung "Pagina12" und brachte damit die Aufbruchstimmung im Land zum Ausdruck. Für Scaloni und auch Messi, Taktgeber und Sprachrohr der Mannschaft, kommt jetzt eine neue Phase. Noch ist nichts gewonnen, noch nicht mal die Achtelfinals sind gesichert. Gegen Polen braucht es zum Abschluss der Vorrunde am Mittwoch mindestens ein Unentschieden, womöglich sogar einen Sieg. Für die Polen um Robert Lewandowski dürften die Jubelgesänge der Argentinier eine zusätzliche Motivation sein.

Scaloni leitete die nächste Phase der WM schon bald nach dem Schlusspfiff ein. Der mit 44 Jahren jüngste Nationalcoach in Katar meinte: "Man muss gesunden Menschenverstand haben, es ist nur ein Fussball-Match. Das müssen auch die Spieler begreifen. Ansonsten wird jedes Spiel so, wie dieses gegen Mexiko. Die Sonne geht auch auf, wenn man verliert. Wichtig ist, wie man etwas tut." Selbst ein Argentinier kann nicht alle vier Tage solche Emotionen wie am Samstagabend durchmachen.

SDA
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