Konsequenzen des Öl-Embargos für die Schweiz

Die Schweiz wird laut dem zuständigen Bundesamt spüren, wenn russisches Rohöl in Europa fehlt. Zur Überbrückung von Engpässen stehe das Mineralöl-Pflichtlager zur Verfügung. Laut Experte des Branchenverbandes ist die Versorgung aber nicht gefährdet.

Die Raffinerie in Cressier NE stellt Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl her. Ihre Produktion macht 25 Prozent aller in der Schweiz verkauften Erdölprodukte aus. (Archivbild) © KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Die Schweiz beziehe zwar kein Rohöl direkt aus Russland, doch sie importiere erdölbasierte Energieträger wie Dieselöl und Benzin zu fast drei Vierteln des Inlandsabsatzes aus der EU, schrieb das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Dienstag. Rund 50 Prozent der in der Schweiz verbrauchten Energie machen laut Webseite des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Erdölbrennstoffe und Treibstoffe aus.

Der Bundesrat fällte den Grundsatzentscheid, die EU-Sanktionen gegen Russland nach Prüfung zu übernehmen. Sobald der Rat der Europäischen Union das sechste Sanktionspaket angenommen habe und die Rechtstexte vorliegen, werde sich der Bundesrat damit befassen, schrieb das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage.

Pflichtlager für starken Mangel

Welche Folgen es für die längerfristige Versorgungssituation der Schweiz hätte, wenn die Schweiz der Sanktion der EU folgt, ist laut BWL schwierig zu beurteilen. Die Konsequenzen würden von unterschiedlichen Faktoren abhängen, wie dem Zeitpunkt des Embargos, den Transportkapazitäten und ob andere Länder ihre Rohöl-Förderung erhöhen.

Auf alle Fälle müsste sich der Markt neu organisieren und für Ersatz sorgen, schrieb das BWL. Vorbereitungen für ein solches Szenario seien seit einiger Zeit im Gang. Bei einer schweren Mangellage wäre der Bedarf an Autobenzin und Heizöl beispielsweise durch das Pflichtlager für 4,5 Monate gedeckt.

Verschiedene Exportländer

Die Versorgung der Schweiz mit Rohöl und Mineralölprodukten sei nicht gefährdet, sagte Fabian Bilger, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands der Brenn- und Treibstoffimporteure Avenergy Suisse, auf Anfrage von Keystone-SDA. Eine Übernahme des Embargos durch die Schweiz hätte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Raffinerie in Cressier NE oder die allgemeine Versorgungslage.

"Öl kann auf verschiedenen Wegen via Schiff, Zug oder Pipeline transportiert werden, und es gibt Produzenten auf der ganzen Welt", sagte Bilger bereits bei einer ersten Einschätzung Anfang Monat. Andere Produzenten auf dem Weltmarkt könnten den Wegfall eines Produzenten kompensieren. Ob und in welcher Form dies geschehen wird, kann gemäss Bilger aber nicht vorausgesagt werden.

Ölpreise reagieren

Durch das von der EU verhängte Öl-Embargo sollen mehr als zwei Drittel der russischen Öl-Lieferungen in die EU betroffen sein, wie EU-Ratspräsident Charles Michel in der Nacht zum Dienstag während eines Gipfeltreffens in Brüssel mitteilte. Auf Drängen Ungarns sollen nach Angaben von Diplomaten vorerst nur die Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden.

Die Ölpreise sind am Dienstag auf den höchsten Stand seit rund zwei Monaten gestiegen. Laut Börsianer lag der Anstieg an der Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wonach die Öl-Importe der EU aus Russland bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert werden. Denn Deutschland und Polen haben bereits deutlich gemacht, dass sie nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren wollen.

Deutschland ist gemäss BWL für die Schweiz der grösste Lieferant mit rund 44 Prozent der in die Schweiz importierten erdölbasierten Energieträgern. Der grösste Anteil stamme allerdings aus Raffinerien im Westen Deutschlands, die kaum bis gar kein russisches Rohöl verarbeiten würden, sagte Bilger von Avenergy.

SDA
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