Leverkusen im Hinterkopf, Sporting vor sich

YB steht in den Sechzehntelfinals der Europa League mit Sporting Lissabon ein formstarker Gegner gegenüber. Dennoch sind die Berner zuversichtlich für den nächsten Coup in einem grossen Spiel.

Trainer Raphael Wicky und Goalie David von Ballmoos schauen zuversichtlich auf die Herausforderung Sporting Lissabon © KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Es sind Sätze, die im Fussballjargon immer mal wieder fallen. So oft sogar, dass der Gehalt überschaubar ist und sie eher floskelhaft wirken. Als Raphael Wicky am Mittwochnachmittag auf dem Podium im Innern des Berner Wankdorfstadions sitzt, diktiert er sie auch ins Mikrofon, diese Sätze. Der YB-Trainer sagt, er könne nur beeinflussen, wie seine Mannschaft auftreten soll, er könne nur seinen Spielern Anweisungen und Ratschläge auf den Weg geben. Entsprechend wolle er sich auch nicht zu sehr damit beschäftigen, was der Gegner wohl werde tun wollen, was sein Antipode an der Seitenlinie wohl für Schwachstellen im YB-Kollektiv ausgemacht haben könnte, oder wie dieser Gegner zuletzt in der heimischen Liga aufgetreten ist.

Wer will, kann Wickys Vorgehensweise als Selbstschutz interpretieren. Denn würde er sich eingehend damit auseinandersetzen, wie das Team, das die Young Boys am Donnerstag (18.45 Uhr) im Sechzehntelfinal-Hinspiel der Europa League erwartet, zuletzt aufgetreten ist, könnte die Zuversicht des Wallisers durchaus sinken, was die Erfolgschancen seines Teams angeht.

Beeindruckender Gyökeres

Sporting Lissabon steigt als Favorit in das Aufeinandertreffen mit den Young Boys. Der 19-fache portugiesische Meister führt die Tabelle in der heimischen Liga derzeit punktgleich mit dem Stadtrivalen Benfica an und hat noch eine Partie weniger ausgetragen. Die Mannschaft von Ruben Amorim hat die letzten sieben Spiele allesamt gewonnen, zuletzt 8:0 und 5:0. Wicky sagt, Sporting sei eine Top-Mannschaft, die technisch versiert sei und schnell nach vorne spiele.

Als ein portugiesischer Journalist die Einschätzung des YB-Trainers zu Viktor Gyökeres wissen will, hält sich Wicky diplomatisch und meint, bei der Analyse eines Gegners gehe es für ihn nie um einen einzelnen Spieler, sondern immer um das ganze Team. Dass der schwedische Stürmer in den Reihen von Sporting an der Medienkonferenz aber speziell Erwähnung findet, ist kein Zufall.

Im Sommer stiess der 25-Jährige aus der zweiten englischen Liga von Coventry City in die portugiesische Hauptstadt. Die rund 21 Millionen Euro sind die höchste Transfersumme, welche Sporting je an einen anderen Klub überwiesen hat. Entsprechend gross waren die Erwartungen an den neuen Angreifer. Und Gyökeres scheint diese vollauf erfüllen zu können: In seinen bisher 29 Spielen für Sporting Lissabon hat er 27 Tore und 11 Vorlagen geliefert.

Problemzone Abwehr

Es sind Zahlen, die im Lager portugiesischer Medienschaffender eine grosse Zuversicht entfachen. Und die Überzeugung, dass die Young Boys keine ernstzunehmende Hürde sein können für dieses Sporting, das im letzten Jahr bis in die Viertelfinals der Europa League vorstiess und dort an Juventus Turin scheiterte. "Warten Sie nur, bis Sie Gyökeres auf dem Feld gesehen haben", ruft einer leicht euphorisiert und vorfreudig in den Raum.

Es könnte wieder ein Moment sein, in dem Raphael Wicky die Zuversicht verliert. Schliesslich machte gerade die Defensive zuletzt in Lugano (3:3) nicht den sattelfestesten Eindruck. Nach dem Ausfall von Loris Benito, der wegen eines Kreuzbandrisses noch lange fehlen wird, und der Rückkehr von Mohamed Ali Camara vom Afrika-Cup, ist die Abwehr der Young Boys aktuell noch in der Findungsphase. Wicky sagt: "Ich habe vollstes Vertrauen in alle Spieler, die da sind."

Höchstens Teileinsatz für Elia

Der 46-jährige YB-Trainer weiss auch, dass seine Mannschaft in dieser Europacup-Saison immer dann die besten Spiele abgeliefert hat, wenn es wirklich darauf ankam. Das war in den Playoffs gegen Maccabi Haifa (0:0, 3:0) so, was den Bernern die dritte Teilnahme an der Gruppenphase der Champions League ermöglichte. Und es war in den beiden Duellen gegen Roter Stern Belgrad (2:2, 2:0) so, womit YB erstmals von der Champions League aus europäisch überwintern konnte. Deshalb glaubt Wicky an eine nächste Sternstunde auf internationalem Parkett - auch wenn das Team mittlerweile ein paar Spieler verlassen haben und Meschack Elia nach seiner Rückkehr vom Afrika-Cup, wo er mit der Demokratischen Republik Kongo den 4. Rang erreichte, höchstens für einen Teileinsatz in Frage kommt.

Es ist das zweite Mal, dass die Young Boys in dieser Phase des zweithöchsten europäischen Wettbewerbs stehen. 2021 hiess der Gegner Leverkusen, und die Berner setzten sich unter Gerardo Seoane überraschend durch (4:3, 2:0). David von Ballmoos stand da schon im Tor der Berner, und der 29-Jährige sagt, er habe versucht, diese schönen Erinnerungen in die Mannschaft hineinzutragen. Von Ballmoos ist überzeugt: "Mit Hilfe des Publikums werden wir sicher auch in diesem Spiel eine Chance haben."

SDA
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