„Man hat keine Freunde in internationalen Beziehungen“

Seit gestern ist der neue Präsident der USA im Amt. Für den Freiburger Ständerat Christian Levrat als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Bundesparlaments eine gute Nachricht.

Christian Levrat ist in erster Linie erleichtert, dass die US-Institutionen noch da sind. (Archivbild) © RadioFr.

Die internationale Gemeinschaft erwartet von der neuen US-Regierung eine ruhigere Zusammenarbeit als mit Vorgänger Donald Trump. Wie haben die hiesigen Politikerinnen und Politiker die Amtseinführung von Biden und Harris aufgenommen. RadioFr. fragte beim Freiburger Ständerat Christian Levrat nach.

RadioFr.: Nun wurden Joe Biden und Kamala Harris offiziell ins Amt eingeführt. Was sind Ihre Reaktionen darauf?

Christian Levrat: Ich bin vor allem erleichtert, dass die US-Institutionen noch immer da sind. Das nach vier Jahren unter einer Trump-Regierung, die praktisch alle Spielregeln missachtet hat. Für die Schweiz ist es ebenfalls wichtig, dass die USA starke Institutionen haben und sich in einer Krise bewähren, denn unsere Institutionen sind sehr ähnlich. Wir sprechen nicht umsonst von einer Schwesternrepublik. Nicht wegen unserer Grösse oder der Macht, sondern wegen der Institutionen. Die Schweiz hat quasi die amerikanische Verfassung abgeschrieben.

Sie haben das demokratische Symbol der Amtseinführung erwähnt. Trotzdem hatte diese Zeremonie einen gewissen Beigeschmack, denn Trump war nicht dabei. Ist das ein Symbolbild für die letzten vier Jahre?

Das ist ein Symbolbild für seine Funktionsweise. Er hat sich immer als Systemgegner positioniert. Es gab, glaube ich, in Washington eine gewisse Erleichterung, dass die Ära Trump vorbei ist. Die Probleme allerdings bleiben, denn die innenpolitischen Schwierigkeiten wurden nicht durch Trump geboren. Ein jahrzehntelanger Prozess hat zur Spaltung zwischen Republikanern und Demokraten geführt. Das ist jetzt die Hauptbaustelle der Biden-Administration.

Kann Biden Amerika wieder versöhnen?

So positioniert er sich zumindest. Aber es gehört zum Standard bei diesen Antrittsreden, dass man versucht über die politischen Grenzen hinweg zu arbeiten, das Land wieder zu einen. Es ist ausserordentlich schwierig. Wenn wir von einem gespaltenem Land reden, bedeutet das nicht, dass Ihr Nachbar anders wählen würde als Sie, sondern dass das Land regional unterschiedlich tickt. Es gibt Städte quasi ohne Republikaner, wo bis zu 95 Prozent der Stimmen an die Demokraten gehen. Umgekehrt gibt es ganze Regionen quasi ohne Demokraten. Die Wiedervereinigung dieser Bevölkerung ist eine sehr wichtige, aber ausserordentlich schwierige Aufgabe.

Was kann die internationale Politik nun unmittelbar von der US-Regierung erwarten?

Dort wird sich der Unterschied zwischen Trump und Biden sehr schnell bemerkbar machen. Die USA sind bereits gestern wieder dem Pariser Klimaabkommen und der WHO beigetreten. Er hat gestern auch betont, dass er die Allianz zwischen Europa und den USA wiederbeleben will. Das ist sehr wichtig für uns. In der öffentlichen Diskussion wird das zwar kaum mehr erwähnt, aber die Stabilität, der Frieden und die Sicherheit in Europa hängen immer noch zum Teil vom amerikanischen Schutzschirm ab. Die Weltordnung muss durch Recht und multilaterale Kooperation geregelt werden, und nicht durch Macht.

Die USA ist für die Schweiz ein wichtiger Handelspartner. Welchen  Einfluss hat der Kurswechsel der USA auf die Schweiz in diesem Bereich?

Vorab werden die USA international wieder eine Rolle spielen. Die Demokraten setzen traditionell auf Multilateralismus. Sie werden in den grossen internationalen Organisationen wieder ihren Platz einnehmen. Doch man darf nicht vergessen: Die USA werden in diesen Gremien auch ihre Interessen verteidigen. Biden ist zwar ein Internationalist, aber er wird in erster Linie versuchen, die Interessen der USA zu behaupten, vor allem gegenüber China. Er wird es aber in einer Art und Weise tun, die für die Schweiz wahrscheinlich vielversprechender ist als die Trump-Regierung. Unter Trump wollten die USA  einfach ihre Position durchsetzen, ohne auf Recht, Fallzahlen oder internationale Abkommen zu achten.

Also hofft die Schweiz, dass die internationalen Organisationen wie WHO und WTO wieder vorwärts machen können?

Als Kleinstaat brauchen wir klare Regeln. Und die Regeln werden durch diese Organisationen gesetzt. Es ist in unserem Interesse, dass sich die «Elefanten» in diesen internationalen Organisationen nicht zu sehr streifen. Denn wenn die Globalisierung nicht geregelt wird, zahlen wir den Preis.

Haben die Schweiz und Europa nun einen neuen Freund in Biden? Oder ist das mehr eine Scheinbeziehung?

Man hat keine Freunde in internationalen Beziehungen, man hat Interessen. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass die USA aus Liebe zur Schweiz oder zu Europa ihre Position ändern würde. Die Grundhaltung der Demokraten ist für uns aber viel vorteilhafter, weil sie auf Recht und Zusammenarbeit basiert. Das eröffnet für uns Perspektiven, die meines Erachtens vielversprechender sind als unter der Trump-Administration, die auf die Innenpolitik fokussiert war. 

Das Gespräch führte Philipp Bürgy.

RadioFr. - Philipp Bürgy / mac / rb
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