Massenflucht im Gazastreifen geht weiter
Israels Vorrücken gegen die islamistische Hamas zwingt erneut Tausende palästinensische Zivilisten zur Flucht innerhalb des abgeriegelten Küstenstreifens.
Die von Israel angeordnete Evakuierung des mittleren Gazastreifens führe zur "erzwungenen Vertreibung" weiterer Bewohner, schrieb das UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA auf der Plattform X (vormals Twitter). Mehr als 150.000 Menschen - Kinder, Frauen mit Babys, Menschen mit Behinderungen und Ältere - könnten "nirgendwo hin". Derweil gehen die Kämpfe auch in Chan Junis im Südosten weiter. Dort will der Palästinensische Rote Halbmond ein Flüchtlingslager bauen, teilte der Rettungsdienst am Donnerstag mit.
Damaskus: Israel greift Ziele in Syrien an
Unterdessen hat Israel nach Angaben aus Damaskus auch erneut Gebiete im benachbarten Syrien angegriffen. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete unter Berufung auf Militärkreise am späten Donnerstagabend, Israels Militär habe "die südliche Region" aus der Luft attackiert. Syriens Luftverteidigung habe einige der abgefeuerten Raketen abgefangen. Es habe Sachschäden gegeben.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, dass auch Gebiete nahe dem Flughafen von Damaskus von israelischen Raketen getroffen worden seien. Das israelische Militär prüft die Angaben derzeit. Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele in Syrien. Israel will verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in Syrien ausweiten. Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens.
US-Militär schiesst Drohnen und Raketen der Huthis über Rotem Meer ab
Das US-Militär schoss derweil im Süden des Roten Meeres eigenen Angaben zufolge erneut eine Drohne und eine Rakete der im Jemen basierten Huthi-Rebellen ab. Sie seien am frühen Donnerstagabend Ortszeit von den Huthis abgefeuert worden, teilte das zuständige Regionalkommando des US-Militärs am Freitagmorgen auf X mit. Berichten zufolge sei bei dem Vorfall am Donnerstag keines der 18 Schiffe in der Umgebung beschädigt worden. Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs greifen die Huthis immer wieder Schiffe im Roten Meer mit Drohnen und Raketen an und feuern Geschosse auch direkt auf Israel.
Minister: Nächste Kriegsphase wird für Hamas heftig
Israel setzt ungeachtet dessen den Kampf gegen die Hamas in Gaza fort. Nach einem Besuch des Südkommandos der Armee sagte Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, laut einem Bericht der Nachrichtenseite Ynet, die Streitkräfte seien bereit für die nächste Phase im Krieg gegen die Hamas. Diese Phase werde kraftvoller sein als "die Hamas sich vorstellt", wurde Gantz am Donnerstag zitiert.
Angesichts der hohen Zahl auch ziviler Todesopfer im Gazastreifen ist der israelische Militäreinsatz international stark kritisiert worden. Wenn sich die Hamas "sofort von allen Zivilisten" entfernen würde, "wird die humanitäre Krise ein Ende haben", sagte Doron Spielman, Sprecher der israelischen Armee, in der Nacht zum Freitag dem Sender CNN. Israel wirft der Terrororganisation vor, Zivilisten im Gazastreifen gezielt als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
UN warnen vor Hungerkatastrophe
Laut dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA sind 40 Prozent der Bevölkerung von einer Hungerkatastrophe bedroht. "Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben, um das Finden von Nahrung und Wasser", schrieb der Gaza-Direktor von UNRWA, Thomas White, am Donnerstag auf X. "Die einzige verbleibende Hoffnung ist ein humanitärer Waffenstillstand." Der abgeriegelte Gazastreifen ist kaum grösser als die Stadt München.
Der Palästinensische Rote Halbmond will in Chan Junis im Südosten zunächst 300 Zelte für vertriebene Familien errichten. Später solle die Kapazität auf 1000 Zelte erweitert werden, um Hunderten von vertriebenen Familien in der südlichen Region des Gazastreifens eine Unterkunft zu bieten, teilte der Rettungsdienst auf X weiter mit.
Israel vermutet, dass sich in Chan Junis die Führungsspitze der islamistischen Hamas versteckt hält. Auf diese Region konzentriert die Armee derzeit ihre Kämpfe. Bei einem weiteren israelischen Angriff auf ein Gebäude in der Nähe des Al-Amal-Krankenhauses in Chan Junis seien am Donnerstag zehn Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden, hatte der Palästinensische Halbmond mitgeteilt.
Bericht: Hunderte demonstrieren in Israel gegen Gaza-Krieg
In Israel haben derweil Hunderte Menschen in der Stadt Tel Aviv einem israelischen Medienbericht zufolge gegen den Krieg demonstriert. Sie forderten am Donnerstagabend ein Ende der Kämpfe, die Freilassung der noch festgehaltenen Geiseln sowie eine Ende der israelischen Besatzung, wie die Zeitung "Haaretz" berichtete. Auch in Jerusalem demonstrierten demnach Hunderte für die Freilassung der nach israelischen Informationen noch knapp 130 festgehaltenen Geiseln.
Armee: Schlechte Sicht, Panzerlärm bei versehentlicher Geiseltötung
Nach der versehentlichen Tötung dreier Geiseln im Norden Gazas durch israelische Soldaten vor zwei Wochen hat das Militär neue Erkenntnisse zu dem Vorfall veröffentlicht. Der Soldat, der zunächst zwei der Geiseln tötete, habe nur eingeschränkte Sicht auf die Geiseln gehabt, teilte die israelische Armee am Donnerstag mit. Zudem hätten zwei Soldaten den Befehl, das Feuer einzustellen, wegen Panzerlärms nicht gehört und später den dritten Mann erschossen.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels am 7. Oktober, bei dem Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen rund 1200 Menschen in Israel ermordeten und rund 240 weitere in den Gazastreifen verschleppten. Israel reagierte auf die verheerenden Terrorangriffe mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei bislang rund 21 320 Menschen getötet.
Was am Freitag wichtig wird
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiter katastrophal. Tausende Zivilisten sind erneut auf der Flucht vor den andauernden Kämpfen.