Schweizer "Rückkehr" ins Waldau-Stadion

Das Schweizer Nationalteam ist am Montag kurz nach 14.30 Uhr in Stuttgart eingetroffen. Trainiert wird während der EM auf einer kleinen Anlage mit grosser Geschichte.

Das Schweizer Nationalteam mit Trainer Murat Yakin wird in Stuttgart vom Hotel-Staff empfangen © KEYSTONE/PETER KLAUNZER

In der Chronik des Waldau-Stadions spielt die Schweiz eine grosse Rolle. Vor 113 Jahren, am 26. März 1911, bestritt die Schweizer Nationalmannschaft im Stuttgarter Stadion ihr neuntes offizielles Länderspiel. Zum vierten Mal war das Nationalteam des Deutschen Kaiserreichs der Gegner, vor 8000 Zuschauern unterlagen die Schweizer 2:6. Das Spezielle daran: Es war das erste und einzige A-Länderspiel, das je in diesem Stadion ausgetragen wurde.

Nun ist wieder ein Schweizer Nationalteam zu Gast. Während der Endrunde wird die Equipe von Trainer Murat Yakin im Stadion auf der Waldau, das knapp 12'000 Fans Platz bietet und seit 2004 aufgrund des Sponsorings eines Molkerei-Unternehmens den Namen "Gazi-Stadion" trägt, ihre Trainings bestreiten.

Die südlich der Stadtmitte, im Bezirk Degerloch, gelegene Anlage wird seit der Eröffnung 1905 von den Stuttgarter Kickers genutzt. Der Klub weist gerne darauf hin, dass kein anderer Verein in Deutschland so lange am selben Ort spielt wie er. Es ist das älteste noch genutzte Stadion Deutschlands.

Die Kickers spielen inzwischen in der Regionalliga. Zwei Saisons lang gab es im Waldau-Stadion aber auch Bundesliga-Fussball zu sehen: 1988/89 sowie 1991/92 konnten sich die Kickers in der höchsten Liga Deutschlands messen, sie stiegen jeweils nach der einen Spielzeit wieder ab. Berühmte Aushängeschilder des Vereins sind die Europameister von 1996 Jürgen Klinsmann und Fredi Bobic. Beide waren während der Juniorenzeit bei den Kickers und machten dort auch ihre ersten Profi-Erfahrungen.

Zwei weitere Standorte besucht

Dass die Schweizer während der EM in der sechstgrössten Stadt Deutschlands logieren, war einerseits die Wahl der Verantwortlichen, hing aber auch mit der Gruppenauslosung zusammen. Die sechs Gruppen wurden in drei geografische Gebiete aufgeteilt (Nord-Ost, Zentral-West, Zentral-Süd), um die Wege möglichst kurz zu halten. Mit dieser ökologischen Massnahme fielen bei der Auslosung schon mehrere mögliche Basislager-Orte weg.

Die SFV-Delegation besuchte gleich am Tag nach der Auslosung die Standorte Klosterpforte und Wuppertal. Am zweiten Tag ging es weiter nach Stuttgart, das die Verantwortlichen nach interner Besprechung überzeugen konnte. "Für Stuttgart sprach das perfekte Paket mit einem schönen, in der Grösse überschaubaren und familiären Hotel, das schon Erfahrung mit dem DFB-Nationalteam hat", schreibt der Verband auf Anfrage. Die Nähe zur Schweiz sei noch ein zusätzliches Plus gewesen.

Das Waldhotel in Stuttgart steht dem Schweizer Nationalteam während des Turniers exklusiv zur Verfügung. Heisst, dass sich die Spieler frei und abgeschirmt von der Öffentlichkeit bewegen können. Das Trainingsfeld ist bloss fünf Gehminuten entfernt.

Fernsehturm wird nicht geschlossen

Ein Wahrzeichen des Gebiets ist der 217 m hohe Fernsehturm, der 1956 eröffnet wurde. Weil dieser unter anderem Aussicht auf das Waldau-Stadion bietet, kam es im Frühling zu Medienberichten, in denen es um die Spionage-Gefahr ging. Tatsächlich sei die SFV-Delegation aber bereits beim Besuchstag im Dezember proaktiv darauf hingewiesen worden, dass die Trainings - wie auch von der UEFA gefordert - ohne Beobachtung stattfinden können, teilt der SFV mit. "Die Stadt Stuttgart und die UEFA haben uns in den letzten Monaten diverse Lösungen aufgezeigt."

Entschieden haben sich die Beteiligten für einen Kompromiss. Der Fernsehturm muss nicht geschlossen werden; auch nicht teilweise. Dafür wird während den Trainings eine Patrouille dafür sorgen, dass im Restaurant niemand mit einem Feldstecher am Fenster klebt oder Aufnahmen der Übungen macht. Da der Fussballplatz nur aus bestimmten Winkeln zu sehen ist, halte sich der "zu bewachende Bereich" in Grenzen, so der Verband. "Wir machen uns diesbezüglich keine Sorgen." Daran soll der erhoffte Einzug in die K.o.-Runde nicht scheitern.

SDA
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