Tennismatches bis in die Morgenstunden

Tennismatches bis um 2 oder 3 Uhr morgens - das will keiner. Und doch fallen am US Open wieder die (Negativ-)Rekorde. Andy Murray spricht vom "totalen Chaos", Lösungen sind keine in Sicht.

Begeisterung oder Erschöpfung: Nachtmatches am US Open haben etwas elektrisierendes, wenn sie zu lange dauern, gefällt es aber keinem © KEYSTONE/AP/Frank Franklin II

Montagmorgen, 02.15 Uhr. In der Neuauflage des Olympiafinals gewinnt Zheng Qinwen den dritten Satz und damit die Partie gegen Donna Vekic 6:2. Im riesigen Rund des Arthur Ashe Stadiums verlieren sich noch ein paar hundert Fans. In der vergangenen Woche begann das Drittrundenspiel der Australian-Open-Siegerin Aryna Sabalenka um sieben Minuten nach Mitternacht - vor ebenfalls nicht mehr vielen Fans.

Es geht aber auch anders. Als Jannik Sinner am Montagabend kurz vor Mitternacht seinen Achtelfinal gegen den Amerikaner Tommy Paul beendete, brodelte das grösste Tennisstadion der Welt. "Das ist grossartig", schwärmte die Nummer 1 der Welt. Hätte er statt in drei in fünf Sätzen gewonnen (oder verloren), wäre auch diese Partie nach 2 Uhr zu Ende gegangen - so wie der US-Open-Rekord, als Sinner 2022 gegen Carlos Alcaraz um 2:50 Uhr verlor.

Heikel für Fans und Spieler

Der Grat ist schmal. Die Nachtmatches, die es in New York und Melbourne schon lange und beim French Open seit zwei Jahren gibt, begeistern durch eine elektrisierende Atmosphäre. Wird es aber zu spät, bekommen die Zuschauer Probleme mit dem öffentlichen Verkehr oder der Arbeit am folgenden Tag und leiden die Spieler. Sie kommen frühestens gegen 5 Uhr morgens ins Bett, der Schlafrhythmus ist auf Tage hinaus aus dem Lot.

Andy Murray platzte nun der Kragen. "Der Tennis-Spielplan ist ein totales Chaos", schrieb der kürzlich zurückgetretene dreifache Grand-Slam-Champion auf X. "Es sieht absolut amateurhaft aus, wenn Matches bis 2, 3 oder 4 Uhr dauern. Löst das!"

Erhöhtes Verletzungsrisiko

Und die Spielergewerkschaft PTPA verweist auf das erwiesenermassen erhöhte Verletzungsrisiko. "Die Gesundheit der Spieler muss mehr in den Fokus rücken", fordert ihr Vertreter Romain Rosenberg gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. "Es ist kein Wunder, dass Spieler bei Turnieren kaputt sind und verletzt. Die physische und mentale Müdigkeit ist real." Und: "Es braucht mehr Vorhersagbarkeit, wann die Profis spielen."

Da liegt der Kern des Problems. Die Dauer von Tennisspielen ist gerade bei den Major-Turnieren extrem schwer vorhersehbar. Ein Best-of-5-Match kann zwischen eineinhalb und fünf Stunden dauern. Selbst bei den Frauen ist zwischen einer und drei Stunden alles möglich. Das Problem ist erkannt, eine Lösung nicht absehbar.

Das US Open führte auf dieses Jahr eine Regelung ein, dass Partien, die bis 23.15 Uhr nicht begonnen haben, auf einen anderen Platz verlegt werden können. Passiert ist dies nicht, auch weil gerade die Starspieler lieber auf den grossen Plätzen antreten. Ausserdem ist die Wahrscheinlichkeit eines Endes nach 2 Uhr ziemlich gross, wenn ein Spiel der Männer um 23 Uhr beginnt,.

Teil des Reizes

Und so wirklich scheinen die Organisatoren das Problem nicht angehen zu wollen, schliesslich klingeln die Kassen gerade bei den grossen Turnieren. "Es ist Teil des Reizes. Es ist etwas, das unsere Fans lieben", sagte Lew Sherr, Geschäftsführer des veranstaltenden US-Tennisverbands - und verweist auf den Werbespruch New Yorks. "Es ist die Stadt, die niemals schläft." Zum Leidwesen der Tennisspieler.

Die Lösung, die Murray fordert, ist also nicht in Sicht. Das Gegenteil ist der Fall. Sechs der neun längsten Nächte in der Geschichte des US Open passierten in den letzten drei Jahren, am French Open vor drei Monaten endete die Drittrundenpartie von Novak Djokovic um 3.06 Uhr. Drei Tage später und nach einem weiteren langen Fünfsatz-Match erklärte der Serbe mit einer Knieverletzung Forfait für den Viertelfinal.

Gleichberechtigung versus Planbarkeit

Die Night Session früher zu beginnen, ist keine Option. Mit 19 Uhr geht es am US Open schon sehr früh los. In Paris wird jeweils nur ein Spiel angesetzt, und weil für ein potenziell nur gut eine Stunde langes Fraueneinzel schlecht die teuren Tickets verkauft werden können, ist es praktisch immer ein Spiel der Männer. In New York wird hingegen viel Wert auf die Gleichberechtigung gelegt. Es finden immer ein Männer- und ein Frauenspiel statt, abwechslungsweise erst die Männer oder die Frauen. Eine Ende in den Morgenstunden ist also fast unvermeidbar.

Die Tendenz zu immer späteren Veranstaltungen gibt es in vielen Sportarten, man will ja das Publikum dann erreichen, wenn es nach der Arbeit Zeit hat. Im Tennis mit seiner unberechenbaren Dauer, sorgt dies für besonders viele Probleme.

SDA
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