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Ukraine-Krieg fordert Schweizer Behörden

Die faire Verteilung der vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchteten auf die Kantone und die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt stellt die Behörden vor Herausforderungen. Die Lage ist laut Experten aber unter Kontrolle.

Der Bund bemüht sich um eine möglichst faire Verteilung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen innerhalb der Schweiz. (Archivbild) © KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Bis Donnerstag sind laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) 43'014 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert worden. Den Schutzstatus S erhalten haben 35'928 Geflüchtete. Aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet sind seit Kriegsbeginn 5,4 Millionen Menschen.

96 Prozent der Antragssteller sind ukrainische Staatsangehörige. Insgesamt seien rund achtzig Nationalitäten vertreten, sagte Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), vor den Medien in Bern. Zuletzt hätten 1580 Personen nicht die ukrainische Staatsangehörigkeit gehabt.

Ungleiche Verteilung über die Kantone

Neben der Abklärung, ob diese Personen den Schutzstatus S erhalten, stellt insbesondere die faire Verteilung der Geflüchteten die Behörden vor Herausforderungen. Die Kantone Bern und Tessin haben gemäss einer SEM-Erhebung je um die 800 Flüchtlinge mit Schutzstatus S mehr aufgenommen, als sie vom Verteilschlüssel gemäss Einwohnerzahl her aufnehmen müssten.

Über dem Soll liegen auch Basel-Stadt und Thurgau. Im Minus liegen die grossen Kantone Aargau, St. Gallen, Waadt, Genf, Wallis und Luzern. Für die Ungleichgewichte gebe es verschiedene Gründe, sagte David Keller, Leiter Krisenstab Asyl im SEM. Ein Grund könnten viele vorhandene private Unterkünfte sein, oder aber ein Kanton sei für einen anderen kurzfristig eingesprungen.

Die Ungleichgewichte sind laut Keller allerdings bereits etwas korrigiert worden. Seit Montag werden die Geflüchteten aus der Ukraine gemäss Verteilschlüssel und entsprechend der Einwohnerzahl den Kantonen zugewiesen.

Bund und Kantone verfügen nach eigenen Angaben zurzeit über genügend Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Von den gut 9000 Betten des Bundes sind derzeit rund 5000 belegt, wie das SEM schrieb. Auch die Kantone hätten genügend Reserven, um die ihnen zugewiesenen Menschen mit Schutzstatus S aufzunehmen.

Beschränkte Ressourcen in den Städten

Nicht nur die Kantone, sondern auch die Städte sind seit Kriegsbeginn mit neuen, anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert. Im Fokus steht die Wohnungssuche für Geflüchtete. Ziel der Städte ist es, in Kollektivunterkünften möglichst schnell wieder Kapazitäten zu schaffen, um weitere Geflüchtete beherbergen zu können. Das sagte Nicolas Galladé, Vertreter des Schweizerischen Städteverbandes.

Die Herausforderungen, erst einmal alle zu erfassen, seien gross. Da viele Geflüchtete Städte vorzögen, seien eben auch die Städte stark belastet. Der Aufnahmeprozess gestalte sich mindestens zu Beginn sehr aufwendig, sagte Galladé weiter.

Sorgen bereitet Galladé die Unterbringung in Zukunft. Es sei anzunehmen, dass die Gastfamilien ihre eigenen vier Wände mit der Zeit wieder für sich haben wollten. Dann müssten die Städte auch auf dem privaten Markt Wohnungen suchen. Zudem stellten sich Fragen zur längerfristigen Integration und im Schulbereich.

Über 200 Geflüchtete arbeiten

Wegen fehlender Sprachkompetenzen sei eine Eingliederung der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt zuweilen schwierig, sagte Philipp Berger, Abteilungschef Zulassung Arbeitsmarkt im Staatssekretariat für Migration (SEM). Insgesamt seien die beruflichen Qualifikationen von Ukrainerinnen und Ukrainern mit S-Status aber "vergleichsweise gut". Sie liessen sich mit jener der ersten Einwanderergeneration vergleichen.

Die Auswertung des SEM stützt sich auf Angaben einer Kurzbefragung der Geflüchteten bei deren Registrierung. Es handelt sich laut Berger um eine Stichprobe. Diese sei nur "bedingt aussagekräftig".

Aktuell haben nach Angaben von Berger landesweit über 200 Personen aus der Ukraine eine Arbeitsstelle in der Schweiz angetreten. Bisher fanden sie in etwa 15 Branchen Arbeit. Das Bild sei heterogen, sagte Berger. Die meisten von ihnen arbeiteten in der Sparte Planung, Beratung und Informatik sowie in der Gastronomie, der Landwirtschaft und im Unterrichtswesen.

Politik sucht nach Lösungen

Auch aussenpolitisch steht der Ukraine-Krieg im Zentrum. Bundespräsident Ignazio Cassis erörterte bei einem Besuch in London mit dem britischen Premierminister Boris Johnson, wie das Vereinigte Königreich und die Schweiz weiteren finanziellen Druck auf die russische Regierung ausüben könnten.

Derweil verteidigte die Parlamentsdelegation um Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne/AG) nach ihrer Rückkehr aus der Ukraine ihre Reise dorthin. Die Schweiz sei nicht instrumentalisiert worden. Die Gegenseite wisse und akzeptiere, dass die Schweiz neutral sei.

Die Erkenntnisse der Reise würden auch helfen, die Ukraine-Konferenz von Anfang Juli in Lugano vorzubereiten, gab Kälin zu bedenken. Beim Anlass soll es schwerpunktmässig auf die Wiederaufbauhilfe gehen. Zudem könne die Schweiz der Ukraine bei der Demokratisierung und der Dezentralisierung helfen.

SDA
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