Ukrainischer Drohnenangriff trifft Moskau
Erstmals in fast zweieinhalb Jahren Krieg hat die Ukraine mit einem massiven Drohnenangriff empfindliche Schäden in und um die russische Hauptstadt Moskau angerichtet.
Im Südosten der Millionenstadt Moskau verursachte ein Treffer einen Brand in der grossen Raffinerie Kapotnja - nur 16 Kilometer Luftlinie vom Kreml entfernt. Auch ein Kraftwerk südlich von Moskau sowie ein Kraftwerk etwa 100 Kilometer entfernt im Gebiet Twer wurden nach russischen Berichten getroffen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, nachts seien 158 ukrainische Drohnen über 15 verschiedenen russischen Regionen abgefangen worden. Die Zahl ist nicht unabhängig überprüfbar, es ist aber die höchste bislang gemeldete Zahl für einen ukrainischen Drohnenangriff. Trümmer von Drohnen fielen im Umland von Moskau nieder, wie Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram berichtete.
Die Kämpfe in der Ukraine gingen mit unveränderter Härte weiter. In der Stadt Kurachowe im Gebiet Donezk wurden nach Angaben der Regionalverwaltung durch russischen Raketenbeschuss mindestens vier Menschen getötet und acht verletzt. Auch die Grossstadt Charkiw wurde mehrmals bombardiert, dort gab es den Angaben nach mehr als 30 Verletzte. "Russland terrorisisert Charkiw wieder. Schläge auf zivile Infrastruktur, einfach auf die Stadt", schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj im Netzwerk X. Russische Truppen rückten nach eigenen Angaben im donbass in heftigen Gefechten weiter vor. Der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj gestand eine Überlegenheit der Russen an Soldaten und Material an diesem Teil der Front ein.
Drohne fliegt ungehindert über Moskau
Bisher hatten ukrainische Drohnenflüge gegen Moskau eher symbolische Bedeutung und verursachten kaum Schäden. Der Einschlag der Drohne in die Raffinerie wurde in der Millionenstadt von mehreren Personen mit Handys gefilmt. Danach flog das einem Modellflugzeug ähnliche Gerät völlig ungehindert von der eigentlich eng gestaffelten Luftabwehr um Moskau weiter; es waren nur Gewehrschüsse zu hören.
Der Brand in der Ölanlage wurde zuerst in die höchste Schwierigkeitsstufe eingeordnet, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete. Danach hiess es schnell, das Feuer sei eingedämmt. Nicht authentifizierte Videos in sozialen Netzwerken zeigten auch Einschläge in das Kraftwerk Kaschira südlich von Moskau. Im Gebiet Twer teilte die Verwaltung mit, durch Drohnen sei im Kreis Konakowo ein Brand verursacht worden. Dieser sei vollständig gelöscht worden. Auch hier zeigten Videos, dass es in dem grossen Kraftwerk von Konakowo an der Wolga brannte.
Die Angriffe wirkten wie eine Antwort der Ukraine auf die grossflächigen Zerstörungen, die Russland an ihrer Energieversorgung angerichtet hat. Um die öffentliche Stimmung in Russland zu beeinflussen, werde die Ukraine verstärkt kritische Infrastruktur angreifen, schrieb der polnische Sicherheitsexperte Konrad Muzyka auf X. Er rechnete mit einer "grösseren und langen Kampagne, die auf das russische Energiesystem abzielt".
Russische Truppen rücken im Donbass vor
Bei den Bodenkämpfen in der Ukraine meldete das russische Militär die Eroberung des Ortes Wyjimka im Norden des Donbass nahe der ukrainisch kontrollierten Stadt Siwersk. Der ukrainische Generalstab berichtete zwar von neun russischen Sturmangriffen seit Samstag an diesem Frontabschnitt, darunter auch auf Wyjimka. Sie seien aber abgewehrt worden, hiess es. Beide Darstellungen waren bislang nicht unabhängig überprüfbar. Auch bei der derzeitigen Hauptangriffsrichtung auf die ukrainische Stadt Pokrowsk nahm das russische Militär Geländegewinne für sich in Anspruch.
Ukrainischer Oberkommandeur: Wir machen, was wir können
Der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj gestand auf Telegram ein, dass die Lage seiner Truppen im Donbass schwierig sei. "Aber alle notwendigen Entscheidungen auf allen Ebenen werden ohne Verzögerung getroffen", erklärte er - vermutlich ein Hinweis darauf, dass in der Ukraine die angeblich unzureichend vorbereitete Verteidigung und das Zurückweichen auch kritisiert wird. "Trotz der Tatsache, dass der Feind bei der Zahl der Waffen und der Menschen im Vorteil ist, erleidet er dank unserer Soldaten erhebliche Verluste. Der Kampf um die Ukraine geht weiter", schrieb Syrskyj.