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Vergewaltigung wird neu definiert

Auch anale und orale Penetration werden als Vergewaltigung anerkannt. So sollen die Formen des Missbrauchs weniger verharmlost werden. Ein Opfer äussert sich.

Zusätzlich zu dieser neuen Definition stellt das Strafrecht auch Revenge Porn, also die nicht einvernehmliche Verbreitung intimer Bilder, und Stealthing, das diskrete und nicht einvernehmliche Entfernen des Kondoms, unter Strafe. © Keystone

Das Schweizer Strafrecht entwickelt sich weiter und bietet eine inklusivere Definition von Vergewaltigung. Neu werden alle Formen der Penetration als Vergewaltigung anerkennt, unabhängig davon, ob sie vaginal, oral oder anal erfolgt. Diese Änderung stellt einen bedeutenden Fortschritt für die Anerkennung von Opfern sexueller Gewalt dar.

Heidi Duperrex, Vorsitzende der Gesprächsgruppe Amor Fati in Freiburg, ist zufrieden mit dieser Entwicklung: "Das wird vielleicht dazu führen, dass andere Handlungen im Vergleich zu einer vaginalen Penetration weniger verharmlost werden."

Für mich persönlich ist es genauso traumatisch, zu Oralsex gezwungen zu werden, wie durch eine sogenannte Standardpenetration vergewaltigt zu werden.

Julie Hugo, ebenfalls Mitglied von Amor Fati und Vergewaltigungsopfer, betont, wie wichtig diese neue Definition ist. "Es ist noch keine genaue Definition dessen, was man im Moment einer Vergewaltigung erlebt. Aber es geht zumindest voran und fühlt sich gut an".

Nur Ja heisst Ja

Die neue Gesetzgebung beinhaltet ausserdem die Anerkennung von jenem Zustand, in dem das Opfer zu schockiert oder verängstigt ist, um "Nein" zu sagen. Der Nachweis dieses Zustands bleibt jedoch eine Herausforderung.

Laut Inès Marthaler, Mitglied des Feministischen Streiks Freiburg, ist es gut, dass dieser Zustand Wehrlosigkeit in Zukunft berücksichtigt wird. "Es bleibt aber noch abzuwarten, wie dieser Zustand definiert wird und was er bedeutet." Viel wichtiger als ein "Nein" des Opfers zu hören, sei es, zuerst die Zustimmung einzuholen, ganz nach dem Grundsatz "nur Ja heisst Ja". Die Frage der Zustimmung müsse wieder in den Mittelpunkt gerückt werden, ist Inès Marthaler der Meinung.

Heidi Duperrex hingegen bleibt vorsichtig, was die tatsächlichen Auswirkungen dieser Anerkennung auf die Opfer betrifft: "Man wird sich die Frage stellen, wem schlussendlich geglaubt wird. Es ist ein bisschen wie eine Lotterie."

Ich bin mir nicht sicher, ob sich durch das Hinzufügen des Zustands Wehrlosigkeit für die Opfer viel ändert.

"Für uns als Opfer ist es nur ein Mini-Sieg, aber es ist trotzdem ein Sieg", schliest sich Julie Hugo mit gemischten Gefühlen an. "Es ist immer noch nichts im Vergleich zu dem, was wir erleben, und das darf man nicht vergessen."

Ergänzend zu dieser neuen Definition stellt das Strafrecht auch Revenge Porn under Strafe. Dabei handelt es sich um die nicht einvernehmliche Verbreitung von intimen Bildern. Ebenso gilt das sogenannte"Stealthing", also das diskrete und nicht einvernehmliche Entfernen des Kondoms, neu als strafbar.

Die Freiburger Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass es noch zu früh ist, um vorherzusagen, wie sich die Zahl der Anklagen und Verurteilungen mit dieser neuen, erweiterten Definition von Vergewaltigung entwickeln wird.

La Télé - Cloé Pichonnat / pn
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