Watkins schiesst England in den EM-Final
England steht zum zweiten Mal in Folge im EM-Final. Die Mannschaft von Gareth Southgate setzt sich im Halbfinal in Dortmund gegen die Niederlande 2:1 durch.
Am Sonntag in Berlin spielt England gegen Spanien um seinen ersten EM-Titel. Dass es die Chance auf die erste Trophäe seit der WM 1966 bekommt, lag an einer klaren Leistungssteigerung im Halbfinal verglichen mit allen Partien an dieser EM. Die im Viertelfinal gegen die Schweiz siegreichen "Three Lions" zeigten sich in Dortmund zumindest in der ersten Halbzeit so bissig und wirkungsvoll wie noch nie an diesem Turnier, das ihnen bis am Mittwochabend so viel Kritik eingebracht hatte.
Dass die enttäuschenden zweiten 45 Minuten nicht den Einzug in den Final kosteten, lag am eingewechselten Ollie Watkins. Der Stürmer von Aston Villa krönte einer der ganz seltenen gelungenen Angriffe der Engländer nach der Pause und erzielte nach Pass des ebenfalls eingewechselten Cole Palmer das 2:1, das im Dortmunder Stadion niemand mehr erwartet hatte. Die Niederländer, die nach sieben Minuten durch Xavi Simons 1:0 in Führung gegangen waren, standen dem 2:1 nach der Pause eine Spur näher. Es ist die erste Halbzeit, die den Finaleinzug der Engländer auch spielerisch rechtfertigt.
Ein englisches Spektakel
Das frühe 0:1 durch Xavi Simons brachte England nicht aus dem Tritt, obwohl ein Ballverlust von Declan Rice und eine nicht optimale Intervention von Goalie Jordan Pickford das Tor begünstigten. Im Gegenteil: Es war der Weckruf für das mit Stars gespickte Team. Es wurde kombiniert, gepresst und geschossen. Das 1:1 von Harry Kane war der eher magere Lohn, denn die Engländer investierten viel, riskierten im Angriff einiges und erinnerten in keiner Weise an das England, das sich durch die anderen fünf EM-Partien in Deutschland gequält hatte.
Es war ein Spektakel in herrlicher Fussball-Atmosphäre, für das England eine halbe Stunde lang hauptverantwortlich war. Kane gelang nach 18 Minuten mittels Penalty sein dritter Turniertreffer zum 1:1 und das sechste Tor in einem EM-K.o.-Rundenspiel, womit er diesbezüglich der alleinige Rekordhalter ist. Zuvor war er von Denzel Dumfries bei einem Halbvolley mit offener Sohle getroffen worden. Der niederländische Aussenverteidiger blieb danach in den auf das 1:1 folgenden intensiven Minuten oft im Zentrum des Geschehens: als er den Abschluss von Phil Foden auf der eigenen Torlinie klärte oder als nach einer halben Stunde einen Kopfball an die Latte setzte.
Es war der niederländische Trainer Ronald Koeman, der dem Fussballfest kurz vor der Pause ein Ende setzte, indem er mit der Einwechslung von Joey Veerman das Mittelfeld stärkte und das Zentrum verriegelte. Danach erinnerte England wieder mehr an das England, das etwas hilflos wirkungslose Pässe aneinanderreiht. Zwischen dem Weitschuss an den Pfosten von Phil Foden bis zur nächsten Torchance der Engländer vom für Foden eingewechselten Palmer vergingen über 50 Minuten. Es waren die Niederländer, die in der zweiten Halbzeit mit einem Abschluss von Verteidiger Virgil van Dijk die beste Möglichkeit besassen. Pickford parierte.
Southgates brillante Bilanz
Am Sonntag in Berlin kann sich der in den letzten Wochen so harsch kritisierte Southgate unsterblich machen, indem er sein Team zum erst zweiten grossen Titel führt, 58 Jahre nach dem WM-Triumph 1966. Auch wenn sich dieser greifbare Erfolg durch die Leistungen in den bisherigen Spielen nicht unbedingt abgezeichnet hat, so wäre er doch über die letzten Jahre gesehen logisch. Unter Southgate erreichte England einen WM-Halbfinal und zwei EM-Finals.
Erst zum zweiten Mal werden sich England und Spanien in einem K.o.-Rundenspiel eines grossen Turniers gegenüberstehen. 1996 setzte sich England im Viertelfinal der Heim-EM nach 120 torlosen Minuten dank des gewonnenen Penaltyschiessens durch. Teil der englischen Abwehr war damals Gareth Southgate.
Telegramm:
Niederlande - England 1:2 (1:1)
Dortmund- 60'926 Zuschauer. - SR Zwayer (GER). - Tore: 7. Simons 1:0. 18 Kane (Penalty) 1:1. 90. Watkins 1:2.
Niederlande: Verbruggen; Dumfries (93. Zirkzee), De Vrij, Van Dijk, Aké; Schouten, Simons (93. Brobbey), Reijnders; Malen (46. Weghorst), Depay (35. Veerman), Gakpo.
England: Pickford; Walker, Stones, Guéhi; Saka (93. Konsa), Mainoo (93. Gallagher), Rice, Trippier (46. Shaw); Foden (80. Palmer), Bellingham, Kane (80. Watkins).
Bemerkungen: Beide Teams komplett. 30. Kopfball von Dumfries an die Latte. 32. Schuss von Foden an die Latte. Verwarnungen: 17. Dumfries. 72. Bellingham. 86. Saka. 87. Van Dijk. 91. Simons.