Wieso meldet die Polizei nicht alle Unfälle?
Die Kantonspolizei Freiburg meldet einen Unfall mitten in Freiburg nicht - und startet drei Monate später einen Zeugenaufruf. Das wirft Fragen auf.

Ob die Kantonspolizei Freiburg einen Verkehrsunfall meldet oder nicht, hängt als allererstes davon ab, ob die Polizei überhaupt Kenntnis über den Unfall hat. Ist dies der Fall, analysiert die Polizei, ob es sich um einen schlimmen Unfall handelt und ob sie Sofortmassnahmen ergreifen muss. Dazu gehört zum Beispiel das Informieren der Bevölkerung zu möglichen Strassensperren.
Bevor grundsätzlich kommuniziert wird, muss die Freiburger Polizei weitere Punkte abklären. Eine Medienmitteilung muss allgemein einen Mehrwert für die Bevölkerung haben. Entweder soll sie nämlich alarmiert oder informiert werden. Ausserdem geht es manchmal auch um Marketing, erklärt der Mediensprecher der Freiburger Kantonspolizei Bernard Vonlanthen:
Die Leute zahlen Steuern und möchten wissen, was die Polizei damit macht.
Auch wenn die Polizei Erfolge erzielt, wird dementsprechend darüber kommuniziert.
Zu viele Unfälle, um alle zu melden
Bevor die Polizei einen Unfall kommuniziert, muss sie sich die Frage stellen, ob sie das überhaupt dürfen. Es gilt auch, den Daten- und Persönlichkeitsschutz zu beachten. Gerade bei schweren und tödlichen Unfällen sei es wichtig, dass die Angehörigen der involvierten Person die Informationen von der Polizei erhält und nicht aus den Medien.
Bernard Vonlanthen betont aber, dass es nicht möglich sei, alle Unfälle zu melden. Pro Jahr gibt es um die 1'000 Unfälle im Kanton Freiburg. Deswegen müssen diese gefiltert werden. Dafür kommt es auch auf die Art und Weise des Unfalls darauf an.
Ein Unfall muss etwas bieten, was andere nicht können, um diesen zu melden.
Das ist beispielsweise ein spektakuläres Bild, etwas, was bei den Medien nicht untergeht.
Ein schwerer Unfall, der nie gemeldet wurde
Mitte Oktober letzten Jahres ereignete sich in der Avenue de la Gare ein Unfall zwischen einem E-Bike-Fahrer und einem TPF-Bus. Die Online-Zeitung Infosperber berichtete darüber und startete eine Recherche. Die Kantonspolizei verwies damals auf die Staatsanwaltschaft.
Obwohl dieser Unfall nie gemeldet wurde, lancierte die Kantonspolizei Freiburg drei Monate später einen Zeugenaufruf. Das wirft einige Fragen auf, die Mediensprecher Bernard Vonlanthen beantwortet.
Zum einen macht er deutlich, dass es an diesem Tag - dem 11. Oktober 2022 - über 24 Verkehrsunfälle gab, davon waren neun gravierend. Ein schwerer Unfall hielt die Polizei an diesem Tag auf Trab, denn auf der A12 gab es Schwerverletzte und eine Autobahnsperre. Deswegen wurde der Unfall zwischen E-Bike und Bus nicht gemeldet, erklärt Vonlanthen:
Dieser Unfall war in diesem Kontext nicht mehr relevant, um darüber zu informieren, da wir für die Ermittlungen die nötigen Angaben hatten.
Doch dann, drei Monate nach dem Unfall in der Avenue de la Gare, versendet die Kantonspolizei Freiburg eine Medienmitteilung mit einem Zeugenaufruf - zu genau diesem Unfall. Bei der Polizei war der Fall längst abgehackt und bereits der Staatsanwaltschaft überreicht worden. Wieso gab es also noch einen verspäteten Zeugenaufruf? Auch dafür hat Bernard Vonlanthen eine Erklärung:
Die Staatsanwaltschaft hat die Untersuchungen nochmal in Angriff genommen und in diesem Zusammenhang einen Zeugenaufruf gewünscht.
Der Unfall von letztem Oktober ist also Sache der Freiburger Staatsanwaltschaft. Auf Anfrage heisst es, dass es sich bei diesem Fall um ein laufendes Verfahren handelt und sie darüber keine Auskunft geben können.