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Als vor 95 Jahren der Blitz in den Kirchturm Giffers schlug

Heute genau vor 95 Jahren hat ein Blitz in den Kirchturm von Giffers eingeschlagen. Was dann geschah, hat Giffers viele Jahre beschäftigt.

Die Dorfkirche Giffers heute. © FN- Charles Ellena

Wer heute die Kirche Giffers vor sich sieht, ahnt nicht, was für eine bewegte Geschichte sie, vor allem aber der Kirchturm, hinter sich hat. Die Kirche, die zwischen 1778 und 1781 erbaut und 1908 vergrössert worden war, verfügte bis 1930 über einen Turm mit einem markanten Schindeldach. Am Abend des Freitags, 13. September 1929, ging ein heftiges Gewitter mit starken Blitzen über das Sense-Oberland. Einer davon schlug abends um etwa 21 Uhr in den Kirchturm der Pfarrkirche von Giffers sein. In den FN von hiess es damals: «Es war ein sogenannter kalter Blitz, sodass sich glücklicherweise nichts entzündete. Immerhin beschädigte er die eine Seite des Turmhelms beträchtlich und riss ihn auf. Im Dorfe selbst wurden durch den Schlag die meisten Sicherungen der Licht- und Telefonanlagen zerstört.»

Der durch Blitzschlag beschädigte Kirchturm von Giffers vor 95 Jahren
Bild: Pfarreiarchiv

Der Blitzschlag passierte also auf den Tag genau vor 95 Jahren. Normalerweise hätte die Pfarrei nach so einem Ereignis den Schaden aufgenommen und einen auf Schindeln spezialisierten Dachdecker mit der Reparatur beauftragt. Doch in Giffers lief das anders, wie Josef Bapst erzählt. Er kennt die Geschichte der Pfarrei sehr gut, war er doch von 1962 bis 2014 Pfarreikassier und -schreiber und von 1966 bis 1982 Mitglied des Pfarreirats Giffers-Tentlingen.

So sah der Kirchturm von Giffers zwischen 1839 und 1929 aus.
Bild: Pfarreiarchiv

Eine Idee des Pfarrers

Er erzählt, dass der damalige Pfarrer von Giffers, Alfons Riedo, nach dem Unglück mit einer Idee an den Pfarreirat herantrat, die weit über eine normale Sanierung ging. Er schlug vor, den ganzen spitz zulaufenden Turm mit einem Neubau zu ersetzen. Nicht mit irgendeinem Turm, sondern mit einem recht wuchtigen viereckigen pyramidenförmigen Bauwerk mit Ziegeldach.

Nach dem Blitzschlag erhielt die Kirche Giffers einen ganz neuen Turm.
Bild: Pfarreiarchiv

Damals begeistert

Wie er die Mitglieder des Pfarreirats damals überzeugen konnte, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Die 22 Stimmbürger, die an der ausserordentlichen Pfarreiversammlung vom 22. Juni 1930 teilnahmen, waren gegenüber dem Projekt auf jeden Fall sehr positiv gestimmt. Josef Bapst hat das Protokoll von damals herausgesucht. Dort steht: «… Eine vom Herrn Architekt Devolz entworfene Zeichnung des Turmes wurde den Anwesenden vorgezeigt, welche mit sichtlicher Zufriedenheit die elegante, majestätische, schöne Zeichnung (Linien) des neuen Oberturmes bewunderten.» Die Kosten von rund 9000 Franken machten dem damaligen Pfarreirat offenbar auch keine Sorgen. Im Protokoll heisst es dazu: «… Hingegen bei der bekannten Freigebigkeit der Pfarreiangehörigen für ihre Kirche wird diese Summe leicht aufzubringen sein, und die Pfarrei Giffers wird dann die Ehre haben, eine der schönsten Kirchen im Kanton zu besitzen.»

Damals waren alle begeistert: Das Protokoll der Pfarreiversammlung 1930.
Bild: Pfarreiarchiv

Das war wohl das letzte Mal, dass so positiv über den neuen Turm gesprochen wurde. Projekt und Kostenberechnung wurden einstimmig genehmigt. Der Turm war wohl das letzte grosse Projekt von Pfarrer Alfons Riedo. Er verliess die Pfarrei Giffers-Tentlingen nach dem Ende des Neubaus und wurde neuer Pfarrherr in Wünnewil. Dort war er ebenfalls massgeblich am Kirchenneubau beteiligt. Keine Überraschung ist, dass er auch dort einen wuchtigen viereckigen Turm vorschlug.

Bürger unzufrieden

Aber zurück nach Giffers. Als die Kirchturmsanierung fertig war, machte sich in der Bevölkerung allgemeine Unzufriedenheit breit. «Sehr vielen Leuten gefiel dieser mächtige Turm nicht. Er passte irgendwie auch nicht auf den Grundbau, der unverändert geblieben war», sagt Josef Bapst. In den Beiträgen zur Heimatkunde fasste German Kolly in den 1930er-Jahren wie folgt zusammen: «Mit dem alten Turm ist ein stimmungsvolles, echt heimatlich schönes Bauwerk aus Dorf und Landschaft geschwunden, um einem kalten, modernen Steinbau Platz zu machen, mit dem sich weder Einheimische noch Fremde, weder Kunstkenner noch Laien versöhnen können.»

Im Laufe der Jahre gewöhnten sich die Giffersnerinnen und Giffersner an den neuen Kirchturm. Doch so ganz vergassen sie nie, dass der alte Turm viel besser zu ihrer Kirche gepasst hatte.«Das Thema kam immer wieder auf», sagt Josef Bapst im Gespräch mit den FN. Da aber viele Jahrzehnte lang keine Bauarbeiten an der Kirche nötig waren, ergab sich nie eine Gelegenheit, den früheren «Fehler» zu korrigieren.

Architekt und Ingenieur Kurt Wilhelm Kengeter zeichnete 1976 die Pläne für den neuen Kirchturm.
Bild: Pfarreiarchiv

Eine gute Gelegenheit

Das änderte sich 1975, mitten in der allgemeinen Finanzkrise und in einer Zeit, als die Arbeitslosigkeit hoch war. «Der Bund hat damals für die Wiederankurbelung der Wirtschaft Gelder gesprochen für ausserordentliche Bauten. Wenn der Bund Geld dafür sprach, dann gaben auch die Kantone Subventionen», erklärt Josef Bapst. Nicht alle im Pfarreirat hätten damals einen erneuten Kirchturmbau angesichts der Wirtschaftslage als sinnvoll und nötig eingestuft, obwohl die finanzielle Lage der Pfarrei damals recht gut gewesen sei, sagt das damalige Pfarreiratsmitglied. Er selbst sei davon überzeugt gewesen, dass es Zeit war, dass Giffers wieder den alten Kirchturm zurückerhielt. «Ich habe mit meinem Cousin über die Sache gesprochen, und er konnte mir einen Fachmann empfehlen», erinnert er sich.

Bei diesem Fachmann handelte es sich um Kurt Wilhelm Kengeter, einem Ingenieur und Architekten aus Deutschland, der in Le Mouret wohnte und in der Region einige Bauten, oft in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege, realisiert hatte. «Er hat die Kenntnisse um verleimte Bauten von seinem Heimatland in die Schweiz gebracht», erzählt Josef Bapst. Kengeter erstellte Pläne für den Turm nach dem Vorbild des alten, berechnete die Materialkosten und legte dem Pfarreirat ein Projekt vor.

Einstimmiges Ja

Die ausserordentliche Pfarreiversammlung vom 20. August 1976 stimmte dem Neubauprojekt zu, das mit Kosten von 186‘000 Franken budgetiert war. Wieder waren es nur wenige Pfarreimitglieder, die über ein wichtiges Projekt bestimmten. Gerade einmal 60 von rund 1000 Stimmfähigen sagten einstimmig Ja zum Vorhaben.

Der neue Turm war unbestritten, es gab nur einige kritische Stimmen, die es bedauerten, dass künftig die Uhr am Turm weiter unten befestigt werden musste und so weniger gut sichtbar war. Das legte sich aber rasch.

Innerhalb kurzer Zeit wurde die Holzkonstruktion des neuen Turms erstellt und montiert.
Bild: Pfarreiarchiv

Noch im gleichen Jahr

Da die Pfarrei etwa 145‘000 Franken beiseite gelegt hatte und es Ankurbelungssubventionen von 18‘000 Franken gab, reduzierte sich der Restbetrag für die Pfarrei. «Voraussetzung war jedoch, dass die Arbeiten noch im selben Jahr ausgeführt werden», erklärt Josef Bapst. Also hiess es, Gas geben. «Es war nicht schwierig, fertig zu werden, denn es war wenig Arbeit vorhanden, und deshalb war es leicht, Leute zu bekommen.»

Anfang Oktober 1976 fingen die Arbeiten an, indem zuerst der Dachstuhl und das oberste Stockwerk des alten Turms abgebrochen wurden. Unter Anleitung von Architekt Kengeter waren vor allem die Kenntnisse des Giffersner Zimmermanns Bruno Bapst und des Oberschroter Dachdeckers Felix Baeriswyl gefragt. Kengeter selbst verlangte für seine Arbeit, die auch die Begleitung und Überwachung der Bauarbeiten umfasste, ein recht bescheidenes Honorar von 5000 Franken.

Seit 1976 hat die Giffersner Bevölkerung wieder den «alten» Kirchturm.
Bild: Charles Ellena

15‘500 Schindeln

Die neue Turmspitze wurde am Boden konstruiert und am 25. November 1976 mit einem Spezialkran an ihren neuen Platz auf 18,5 Metern auf das Mauerwerk befördert. Sie hatte eine Länge von 20 Metern und wog etwa sieben Tonnen. Rund 15‘500 Kupferblech-Schindeln waren nötig, um den Turm einzudecken. Der neue Turm hatte damit eine Länge von 39 Metern, zehn Meter mehr als der alte. Das alles geschah vor 48 Jahren. «Seither waren keine grösseren Arbeiten mehr am Turm notwendig», sagt Josef Bapst.

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Imelda Ruffieux