Daniela Ryf greift nach sechstem WM-Titel
Daniela Ryf bestreitet in der Nacht auf Sonntag ihre wohl letzte Ironman-WM auf Hawaii. Trotz nicht optimal verlaufener Vorbereitung strebt die 36-jährige Solothurnerin ihren sechsten WM-Titel an.
3,86 km Schwimmen im Pazifik, 180 km Radfahren entlang der Kona- und Kohala-Küste, 42,195 km Laufen: Der Ironman auf Hawaii ist nicht nur das älteste, sondern gilt auch als das weltweit härteste Rennen seiner Art. Vier ihrer fünf WM-Titel hat Daniela Ryf auf der Insel im Zentralpazifik geholt, den letzten vor fünf Jahren, als sie zum vierten Mal in Serie triumphiert und den bis heute gültigen Streckenrekord aufgestellt hatte.
Nun folgt die Derniere am Ort, der sie geprägt hat. "Die vergangenen zehn Jahre hat mir Hawaii unglaublich viel gegeben. Jetzt versuche ich, alle Eindrücke nochmals aufzusaugen und auf mich wirken zu lassen. Deshalb bin ich schon am 21. September direkt nach Kona geflogen." Im nächsten Jahr findet die WM der Frauen in Nizza statt. Daniela Ryf kann sich vorstellen, auch dann nochmals am Start zu stehen. Danach soll jedoch Schluss sein.
Viele Favoritinnen
Einen Platz in den Geschichtsbüchern hat die Solothurnerin bereits auf sicher, nicht "nur" ihrer fünf WM-Titel wegen. Im Juni stellte die Schweizer Sportlerin der Jahre 2015 und 2018 beim Triathlon-Klassiker im mittelfränkischen Roth in 8 Stunden, 8 Minuten und 21 Sekunden einen Weltrekord auf. Anschliessend sprach sie vom "geilsten Rennen", das sie je bestritten habe, und davon, dass alles gepasst habe. "Ich lebe dafür, Grenzen zu verschieben."
Selbstredend gehört Daniela Ryf nach ihrer Weltbestzeit in Roth auf Hawaii zum Favoritenkreis. Der ist jedoch gross und reicht von Vorjahressiegerin Chelsea Sodaro aus den USA über die exzellente britische Schwimmerin Lucy Charles-Barclay bis hin zu den starken Deutschen Anne Haug und Laura Philipp.
Ein Déjà-vu
Es ist jedoch nicht in erster Linie die Konkurrenz, die Daniela Ryf Kopfzerbrechen bereitet. Vielmehr stehen Fragezeichen hinter ihrer körperlichen Verfassung. In der Vorbereitung, die sie grösstenteils in der Höhenluft von St. Moritz absolvierte, musste sie einen Rückschlag hinnehmen. Anfang August fing sie sich eine starke Erkältung und eine Lungenentzündung ein – wohl eine weitere Corona-Infektion, vermutet sie selber. In der Folge musste Daniela Ryf den Trainingsumfang stark reduzieren. Sie war total übermüdet, brauchte täglich bis zu 14 Stunden Schlaf. "Ich bin nun schneller ausser Atem, der Puls ist höher als vor der Erkältung", sagt sie.
Keine guten Voraussetzung, zumal die gesundheitlichen Probleme für Daniela Ryf ein Déjà-vu waren. Bereits letztes Jahr infizierte sie sich vor der WM mit dem Coronavirus. Dennoch sind die Vorzeichen andere: "Vor einem Jahr reiste ich in sehr guter Form an und fühlte mich erst Tage vor dem Rennen nicht gut. Vielleicht kann ich es jetzt umdrehen und ein perfektes Rennen machen."
Im Vorjahr reichte es nur zum enttäuschenden 8. Platz. Bei ihrem vermutlich letzten Rennen auf Hawaii strebt Daniela Ryf eine Rangierung ganz vorne an. "Ich glaube, am Tag X ist alles möglich. Die Vorbereitung ist wichtig, am Ende muss aber am Renntag alles zusammenpassen."
Natascha Badmann auf den Fersen
Mit sechs WM-Titeln würde die Solothurnerin zu Natascha Badmann aufschliessen. Einen Sieg mehr auf dem Konto hat nur Paula Newby-Fraser. Um den Rekord der "Queen of Kona" aus Simbabwe zu egalisieren, müsste Ryf nicht nur am Sonntag, sondern auch in einem Jahr in Nizza triumphieren.
"Erfolg bedeutet nicht, alles zu gewinnen, sondern aus jeder Situation das Beste zu machen". In Anbetracht ihres Mottos besteht kein Zweifel daran, dass Daniela Ryf bei ihrem letzten Rennen auf Hawaii erfolgreich sein wird. Verschiebt sie in Kona nochmals Grenzen und kommt ein sechster WM-Titel hinzu, wäre dies das I-Tüpfelchen auf ihre Karriere.