Demokratie im Sudan in grosser Gefahr

Sudans Hauptstadt Khartum ist in dichte, schwarze Rauchwolken gehüllt.

dpatopbilder - HANDOUT - Dieses Satellitenbild zeigt zwei brennende Flugzeuge auf dem internationalen Flughafen von Sudans Hauptstadt Khartum. Foto: Uncredited/Maxar Technologies via AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits. Keine Verwendung nach dem 30.4. © Keystone/Maxar Technologies via AP/Uncredited

Immer wieder beben ganze Wohnblöcke. In dicht besiedelten Stadtvierteln wird schweres Kriegsgerät auf Einrichtungen des Militärs und der Regierung gefeuert. Am Himmel fliegen nahezu unaufhörlich Kampfjets der sudanesischen Luftwaffe. Wer kann, verschanzt sich in den eigenen vier Wänden - und hofft, dass er nicht ins Kreuzfeuer gerät.

"Die Explosionen werden immer lauter und immenser. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, nicht zu wissen, was zu tun oder zu erwarten ist, ist lähmend", schreibt Dallia, eine Augenzeugin aus Khartum, auf Twitter. Ihre Fenster hätten über Stunden nicht aufgehört, von den ständigen Explosionen zu wackeln. Ihre Familie sei im mittleren Teil der Wohnung, in der Hoffnung, dort sicher zu sein. Es gäbe keine Atempause für die Menschen, schreibt sie.

Seit Samstag kämpfen die zwei mächtigsten Generäle in dem Land um die Macht: De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der Oberbefehlshaber der Armee, und sein Stellvertreter und Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), Mohammed Hamdan Daglo. Dabei sollte Sudans Militärregierung ausgerechnet in diesem Monat einen wichtigen Schritt in Richtung Machtübergabe an eine zivile Regierung machen.

Die Leidtragenden des Gewaltausbruchs sind die 46 Millionen Sudanesen, von denen viele bereits bald fünf Jahre für eine demokratische Regierung kämpfen. Der Ruf nach Mitbestimmung begann Ende 2018 mit monatelangen Protesten gegen den autokratischen Langzeitherrscher Omar al-Baschir. Im April 2019 wurde Al-Baschir in einem Coup der Armee - unterstützt von den RSF - gestürzt.

Grosse Versprechen für eine Rückkehr zur Demokratie wurden gemacht, doch den Worten folgten wenige Taten. Das Militär riss die Macht an sich, mit nur minimaler Beteiligung der Zivilgesellschaft. Nach einem erneuten Militärputsch 2021 übernahm Al-Burhan die Macht komplett. Seitdem machte der geplante Demokratisierungsprozess kaum Fortschritte.

Viele Bewohnerinnen und Bewohner des Sudans fühlen sich vom Militär mittlerweile verraten. Dieses Sentiment macht sich auch RSF-Führer Daglo zunutze. Er beschuldigt seinen Kontrahenten Al-Burhan, Reformen zu vereiteln. Ganz unrecht hat Daglo damit nicht: "Noch immer sind viele staatliche Einrichtungen mit Loyalisten des alten Baschir-Regimes besetzt.

Diese haben den Demokratisierungsprozess von Beginn an abgelehnt", sagt Gerrit Kurtz, Sudan-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Al-Burhan soll Experten zufolge Kontakte zu Al-Baschir-Loyalisten mit islamistischer Tendenz pflegen.

Doch auch Daglo geht es weniger um Demokratie als um seinen eigenen Einfluss im Land: Die von ihm geleitete RSF müsste sich im Rahmen des Demokratisierungsprozesses in das von Al-Burhan geleitete Militär eingliedern. Das will Daglo verhindern.

Nach dem Ausbruch der Kämpfe am Samstag erklärte Daglo im Fernsehsender Al-Dschasira, Al-Burhan müsse gefangengenommen werden "oder wie ein Hund sterben". Al-Burhan forderte am gleichen Tag die vollständige Auflösung der RSF.

Nach drei Tagen heftiger Gefechte ist weitgehend unklar, in welche Richtung sich die Ereignisse weiter entwickeln. Aktuell scheine die Armee im Norden und Osten des Landes die Oberhand zu haben, während die RSF die Region West-Darfur stärker kontrolliere, erklärt Ben Hunter, Ostafrika-Analyst bei Verisk Maplecroft, einem Unternehmen für Risikobewertung. Beide Seiten hätten Zehntausende Soldaten unter ihrem Kommando; die Armee sei jedoch wesentlich besser mit gepanzerten Fahrzeugen und Luftstreitkräften ausgestattet.

Noch handele es sich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Konfliktparteien, beide buhlten aber um die Gunst weiterer politischer Akteure im Land, sagt Kurtz: "Wenn sich weitere bewaffnete Milizen oder ethnische Gruppen auf eine Seite schlagen, besteht die Gefahr, dass der Konflikt wesentliche Teile der zivilen Bevölkerung involvieren könnte."

Auch Hunter sieht eine realistische Gefahr für einen lang andauernden Bürgerkrieg: "Beide Seiten haben öffentlich ihre Absicht erklärt, den gesamten Sudan zu kontrollieren, und keine der beiden Seiten scheint bereit zu sein, einen Rückzieher zu machen." Dabei gehe es nicht nur um politischen Einfluss, sondern auch um Sudans Reichtum an Bodenschätzen, vor allem Öl und Gold.

Ob der aktuelle Konflikt das Ende für den Demokratisierungsprozess bedeutet, darüber sind sich Experten uneinig. Während einige meinen, der Weg sei versperrt, hegen andere zarte Hoffnung: "Die Sudanesen haben es auch [in der Vergangenheit] geschafft, gegen grosse Widerstände ihre politischen Ziele durchzusetzen", meint Kurtz. Eins steht jedoch fest: Der Weg dorthin ist weiter denn je.

SDA
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