Der vagabundierende Turm zieht weiter

Über sechs Monate hat der Tour Vagabonde im Poya-Park gastiert. Die Bilanz fällt positiv aus, aber die Zukunft bleibt ungewiss.

Der Tour Vagabonde verabschiedet sich mit einem Abschlussfest vom Publikum. © La Tour Vagabonde

"Ich bin ziemlich zufrieden mit dieser Saison, auch wenn der neue Kontext herausfordernd war," bilanziert Gina Kolly, Präsidentin der Stiftung La Tour Vagabonde. Gastspiel im Poya-Park während der Sommerzeit - ein Novum für die Verantwortlichen. Seit 2013 macht der vagabundierende Turm in Freiburg Halt und sucht stets nach Platz. Die Standortsuche in der immer dichter werdenden Saanestadt wird aber immer komplexer.

Am ersten Standort im Jardin aux Betteraves an der Route des Arsenaux steht heute der Neubau der Freiburger Fachhochschulen. Und auch beim Standort neben dem Thierryturm oder auf dem Gelände der Blue Factory war es wegen Bauprojekten oder Unvereinbarkeiten mit der Arealverwaltung nicht mehr möglich, den Turm rasten zu lassen. Im Poya-Park fanden die Verantwortlichen einen der letzten möglichen Standorte mit genügend Platz, wobei sich aber die Distanz zum Stadtzentrum bemerkbar machte. "An den bisherigen Standorten hatten wir auch viel Laufkundschaft", meint Programmator Blaise Coursin. "Die Leute wandern abends in Freiburg gerne von Lokal zu Lokal, aber der Abstecher nach Granges-Paccot war sicher vielen etwas zu weit." Sprich, das Publikum musste vor allem mit programmtechnischen Reizen angelockt werden.

Schwieriger Kontext

Da das Angebot an Live-Musik alternativer Art und somit die Konkurrenz in Freiburg sehr gross ist, setzte Coursin bewusst auf mehr Theateraufführungen, Akrobatik, Performance, etc. "Die Architektur und das Interieur eignet sich ausgezeichnet für Darbietungen dieser Kunstgattungen. Wir wollten ein Programm anbieten, das es sonst so in Freiburg nicht gibt", so Coursin. Auch wenn das Saison-Programm des Tour Vagabonde trotz dieses Standpunktes eine relativ hohe Anzahl an Konzerten aufwies und sich die Agenda der Freiburger Konzertlokale oft bei den Publikumszahlen im Turm bemerkbar machte, ging die Strategie vor allem während des Aléas Festival im August sehr gut auf.

Während einer Woche zelebrierte der Tour Vagabonde im Poya-Park multidisziplinäre Bühnenkunst mit viel Platz für Zufälle und Träumereien. "Es war finanziell und organisationstechnisch ein ziemliches Wagnis, während den Sommerferien ein solches Festival zu veranstalten, aber schlussendlich waren fast alle Spektakel und Aufführungen ausverkauft und die Rückmeldungen waren grossartig", so Kolly. Der Erfolg des Festivals kann relativ gut damit erklärt werden, dass Mitte August die meisten Leute wieder aus den Ferien zurückgekehrt sind und viele die Sommerabende an hiesigen Veranstaltungen im Freien verbrachten. Da kam das schräg-schöne Imaginarium des hyperkreativen und leicht abgedrehten Aléas Festival gelegen.

Nebst besagtem Festival hat sich auch während den anderen Monaten der vergangenen Saison gezeigt, dass die Equipe des Tour Vagabonde genau in obengenannten Gattungen der Bühnenkunst trumpfen kann. Das Publikum weiss um die Qualität der Darbietungen, dem Goût des Fondue und des lokalen Bieres sowie der atmosphère sympa et un peu magique, wie es oft von den Lippen der Besuchenden zu hören war. Erwähnenswert ist auch der Anstieg an deutschsprachigen Gästen, was aber weniger mit der Nähe zum Saanegraben zu tun hat, sondern mit der Buchung von Gruppen aus der Deutschschweiz.

Bref, der Tour Vagabonde hat sein Publikum. Und auch wenn die Sommermonate etwas schwieriger zu bespielen sind, als die für den Turm gewohnte Zeit zwischen Herbst und Frühling, haben die Verantwortlichen reüssiert. "Wir sind eine Stiftung. Das Ziel ist es nicht, Profit zu machen, sondern am Ende eine ausgeglichene Kasse zu haben und alle Involvierten korrekt zu bezahlen. Das haben wir erreicht", sagt Gina Kolly.

Ungewisse Zukunft

"Wir sind mit den Behörden in Kontakt, aber wann und wo wir nächstes Jahr einen Standort in Freiburg finden, wissen wir noch nicht", sagt Stiftungspräsidentin Kolly. Die Platzfrage bleibt das grosse Problem für den Tour Vagabonde. Der Poya-Park bleibt vorerst die beste Option, auch wenn die Nähe zur Nachbarschaft im Quartier Palatinat-Grandfey eine Hürde darstellt. Einsprachen der Voisinage haben bereits den Bewilligungsprozess für diese Saison um Monate verlängert und einige Personen im Quartier haben sich auch in den letzten Monaten über die Lautstärke einiger Anlässe beklagt. "Ein grosser Teil der Nachbarschaft unterstützt uns und wir haben auch die zeitlichen Vorgaben respektiert, aber einige Personen fühlen sich dennoch gestört", erläutert Kolly.

Oberamtfrau Lise-Marie Graden bestätigt gegenüber RadioFr., dass im Rahmen einzelner Events Lärmbeschwerden aus besagter Nachbarschaft eingereicht wurden, aber "im Allgemeinen wurden die Vorgaben von den Verantwortlichen des Tour Vagabonde respektiert", so Graden. Punkto Bewilligung für kommendes Jahr und Standortlösung verweist die Oberamtfrau auf das reguläre Prozedere, inklusive Baubewilligungsantrag mit dem Recht auf Einsprache, das die Verantwortlichen des Tour Vagabonde auch für eine nächste Saison erwartet. "Die Erfahrungen der vergangenen sechs Monate sowie die eingegangenen Beschwerden werden im Bewilligungsprozedere berücksichtigt", so Graden weiter.

Lärm des Lebens und der Kultur bleibt für einzelne Personen, die in der Stadt und Peripherie wohnen, ein Störfaktor und für Kulturlokale ein enormes Hindernis. "Auch wenn uns tausend Personen unterstützen, reicht eine Beschwerde einer einzelnen Person, um Kulturveranstaltungen zu verhindern", erklärt Coursin. Eine Frage der Koexistenz, für die es in Zukunft neue Diskurse und Ansätze benötigt. Der vagabundierende Turm will Freiburg treu bleiben, die Unterstützung des Publikums besteht, aber wo und welchen Platz Kulturlokale à la Tour Vagabonde in Freiburg haben, bleibt die Kernfrage.

Am Freitag, dem 7. und Samstag, dem 8. Oktober verabschiedet sich der Tour Vagabonde mit einem Abschlussfest vom Freiburger Publikum, bevor er in Richtung Tessin weiterzieht. Im Poya-Park installiert sich in den kommenden Wochen der Zirkus Knie. Danach? On verra.

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RadioFr. - Valentin Brügger
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