Deutschfreiburg - wie weiter?

Unter diesem Motto tagte das Wirtschaftsforum von seisler.swiss am Donnerstag. Die Quintessenz: Die Sensler haben alle Trümpfe in der Hand, können aber nicht jassen.

Eine muntere Gesprächsrunde, in welcher über die Zukunft der Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburger gesprochen wurde. © RadioFr.

"Immer mehr Senslerinnen und Sensler zieht es für die Ausbildung, den Job oder die Freizeit nach Bern. Freiburger Berufs- und Fachhochschulen müssen deutsch- oder zweisprachige Lehrgänge streichen. Wo liegt überhaupt die Zukunft von Freiburg?" Diese Fragen standen im Zentrum des Wirtschaftsforums von seisler.swiss. 

Rudolf J. Merkle eröffnete den Abend mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: "Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen. Wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht." Dies machen die Freiburger, fuhr er fort und legte ein paar Zahlen nach. 2011 seien rund 4000 Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburger von Bern nach Freiburg gependelt. Den umgekehrten Weg machten aber 17'500 Menschen aus Deutschfreiburg. Und an den Universitäten Freiburg und Bern würde das Gleichgewicht auch klar in die Richtung der Hauptstadt kippen. 

Die Sensler sind ein bescheidenes Volk

Lukas Schneuwly, Co-Direktor von Frapp, übernahm als Moderator des Abends das Wort und zeigte ein SRF-Film aus dem Jahre 1977. In Plaffeien wurden damals Leute befragt, wo sie arbeiten. In Freiburg oder Bern, es gebe hier ja nichts, war die Antwort. Am Ende waren ein paar Buben am Jassen und einer sagte: "Putze tüemer nid, aber usi chämemer!" Das Motto der Sensler, das Mittelmass ist gut genug. 

Dies bestätigte Alex Geissbühler, der Verwaltungsratspräsident der Freiburger Kantonalbank: "Der Sensler arbeitet gut und hart, jammert nicht und geht nach Hause. Dort macht er die Faust im Sack oder jammert dann am Stammtisch darüber, was in der Stadt alles schlecht ist." Die Sensler wollen eher im Hintergrund bleiben, wollen sich nicht aufdrängen. Man bleibe aber so das Gallische Dorf. Das sei zwar nicht schlecht, sagte Alex Geissbühler weiter. Doch man dürfe als Senslerin oder Sensler gut und gerne auch mehr Mut an den Tag legen und zeigen, was wir können. 

Jean-Nicolas Aebischer, der Direktor der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, pflichtete Geissbühler bei: "Wir müssen aufrecht gehen. Nicht ein "Buggeli" machen, uns nicht verstecken." Dass die Deutschfreiburger Bevölkerung sich mehr zutrauen müssen und dürfen, ergänze er mit dem Fakt, dass überdurchschnittlich viele Bestnoten von Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburgern erzielt werden.

Dies bestätigte sogleich auch Christophe Nydegger, der Dienstchef des Amtes für Ausbildung: "75 Prozent unserer Bestnoten, welche wir am Ende des Jahres küren, gehen an Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburger." Dennoch müssen immer mehr Hochschulen ihre deutschen oder zweisprachigen Kurse schliessen, weil es schlicht zu wenig Anmeldungen gibt. "Wir müssen alles versuchen, die Freiburger Hochschulen wieder attraktiver zu machen", sagte Jean-Nicolas Aebischer.

Die Chance der Sprache

Ein weiterer Punkt, welcher an dem Abend oft angesprochen wurde, ist die Chance, welche die Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburger eigentlich haben, so nahe an der französischen Schweiz zu sein. Sarah Pfander, die Geschäftsführerin der Stellenvermittlung Atec sagte dazu: "Wir Sensler sind in Bern sehr gerne gesehen - auch wegen unserer Sprachaffinität. Die Berner kriegen schon schweissige Hände, wenn sie auf dem Telefon-Bildschirm ein 026 sehen!" Alex Geissbühler fügt dazu an, dass es wirklich eine grosse Chance sei, dass viele Senslerinnen und Sensler Französisch sprechen. Nur werde dies in Bern mehr geschätzt, als in Freiburg. Dies sei ein grosses Problem. 

Hier in Freiburg habe sich das aber trotzdem verbessert, meinte David Köstinger, der Co-Direktor des Mehrzweckverbandes des Sensebezirks. "Der gelebte Bilinguismus wächst. Sitzungen, an welcher jeder seine Sprache spricht, gibt es immer häufiger. Und das funktioniert!" Und das müsse ausgebaut werden. Es sei die grosse Chance der Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburger. Oder zumindest einer der grossen Pluspunkte, welche wir auf den Tisch legen können, schloss er sein Plädoyer. 

Wie weiter?

Über viele Probleme wurde diskutiert, mögliche Lösungen dafür zu finden ist aber nicht einfach. Mehr Mut der Deutschfreiburger Bevölkerung ist sicher ein Ansatz. Aber es brauche auch die nötige Infrastruktur, dass die "Guten" auch hier bleiben, meinte Oberamtmann Manfred Raemy.

Die richtige Antwort oder Lösung hatte niemand. Oder zumindest nicht sofort. "Die grossen Sachen, über welche wir heute gesprochen haben, nehmen viel Zeit in Anspruch", sagte David Köstinger. "Wir müssen zusammen im Sensebezirk an den Lösungen arbeiten". 

Den Diskussionen folgten ein paar Wortmeldungen aus dem Publikum, wobei eine die Diskussionen des Abends zusammenfasste und den Nagel auf den Kopf traf. Ein "arroganter Zürcher, der seit 34 Jahren im Waadtland wohne", wie er sich selber mit viel Schalk ankündigte, sagte:

So viele Probleme sind hausgemacht. Ihr habt so viele Trümpfe in der Hand, nur Jassen könnt ihr nicht!

Und er forderte, wie es zuvor einige Male schon zu hören war, mehr Mut von den Deutschfreiburgerinnen und Deutschfreiburgern. 

Den Abend schloss Christian Schmutz mit einer humoristischen Zusammenfassung. Dort sagte er: "I ha gär Bärn versus ici c'est Fribourg." Die Zwickmühle mancher Senslerinnen und Sensler. Und auch er forderte: "Gehen wir aus der Mittelmässigkeit heraus!"

Das letzte Wort gehörte dann wieder Rudolf J. Merkle, welcher einen Satz des Abends aufgriff: "As isch, wis isch." Nein, sagte er dazu: "Ändern wir es!"

RadioFr. - Fabian Waeber
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