Jean-François Kpaï: "Mein Job ist mein Gott"

Der ehemalige Fussballprofi und heutige Pflegehelfer kritisiert vieles in seiner Branche und erzählt seine bewegte Geschichte in einem Buch.

"Le Pflegehelfer – Leben im Alter" heisst das Buch von Jean-François Kpaï. © RadioFr. / Tobias Brunner

"Das war nicht geplant", sagt Jean-François Kpaï auf die Frage, wie er im Kanton Freiburg gelandet sei. Der heute 55-Jährige wurde in der Elfenbeinküste geboren und hat das Land mit 24 verlassen, um in Deutschland als Profifussballer tätig zu werden.

Gut zehn Jahre später kam er nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr in die Elfenbeinküste nach Düdingen. "Per Zufall", wie er sagt. An das Senslerdeutsch habe er sich erst gewöhnen müssen – "das war komisch und hat für mich erst wie ein englischer Dialekt geklungen". Vertraut war ihm am neuen Ort hingegen von Beginn an der Fussball – er spielte bei Belfaux in der zweiten Liga und trainiert bis heute junge Talente beim Freiburger Fussballverband (Team AFF-FFV).

Balance halten und Würde respektieren

Den Austausch mit jungen Menschen sieht Kpaï als idealer Ausgleich zu seinem jetzigen Beruf. Nach seiner Ausbildung zum Pflegehelfer arbeitet er heute in der Senevita Résidence Beaulieu in Murten mit betagten Menschen. "Ich lerne von ihrer Erfahrung und kann nur profitieren." Bei der Bewältigung seiner teils sehr anstrengenden Arbeit als Pflegehelfer würden ihm auch seine zwei Kinder und seine Frau helfen. "Diese drei machen mich stark und stabil", so Kpaï.

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"Die Kultur der Schweiz habe ich durch die älteren Menschen erfahren", sagt er, der viel Zeit mit den Bewohnenden der Résidence verbringt. Eben habe er mit einer Bewohnerin in seiner Freizeit einen Kaffee getrunken. "Für mich ist das ein kleines Geschenk und es soll nicht immer ums Geld gehen", ist er überzeugt. Er spricht die Bewohnenden mit Namen an, als wir durch die Räume schreiten, plaudert und lacht kurz mit einer Bewohnerin, berührt einen Bewohner sanft an den Schultern und fragt nach seinem Befinden.

Alles, was ich mache, mache ich bewusst und kann danach erklären, warum ich entsprechend reagiert habe.

Dass die Würde von älteren Menschen nicht genug respektiert werde, dass es zwischen Personal und Betagten auch wegen mangelnder Empathie und Geduld oft Missverständnisse gebe oder dass Hierarchien unter Mitarbeitenden vielmals ausgenützt würden, sei ihm schon in seinen Anfängen als Pflegehelfer aufgefallen. Vor sieben Jahren hat er beschlossen, seine Erlebnisse, seine Ansichten und Visionen in einem Buch festzuhalten. "Leider sind meine Vorstellungen nicht bei jedem Management gleich gut angekommen", bedauert er.

Jean-François Kpaï ist überzeugt: Alle in der Pflege Tätigen könnten mit betagten Menschen so umgehen, wie er. "Alles, was ich mache, mache ich bewusst und kann danach erklären, warum ich entsprechend reagiert habe." Beim Rundgang durch die Résidence wird er gerufen, um einer Bewohnerin aus dem Bett in den Rollstuhl zu helfen. Ein paar einfühlsame Worte, Geduld, geübte Handgriffe und die zuvor aufgebrachte, nun sitzende Bewohnerin beruhigt sich wieder.

Zu viele Medikamente und die richtige Organisation

Der Pflegehelfer ist überzeugt, dass älteren Menschen zu schnell und zu viele Medikamente verabreicht werden. Er frage sich manchmal, warum jemandem nach ein paar Stunden Schlaf etwas zum Weiterschlafen gegeben werde. "Vielleicht braucht die Person nur etwas Licht oder hat einfach ausgeschlafen, fertig." Um herauszufinden, was ein Mensch braucht, helfe es, dessen Blick zu interpretieren, aktiv zuzuhören und ihn – professionell – zu berühren.

Ich habe Spass am Leben, denke nicht so weit und lebe heute.

Wie aber lässt sich das bei zunehmendem Zeitdruck und Personalengpässen alles bewerkstelligen, und kann man das alles von Pflegekräften erwarten? Für ihn gehe es um die richtige Organisation und Kommunikation, so Kpaï. "Ich hole mir die Informationen, was vor meiner Schicht geschehen ist, mache eine Runde und erst dann fange ich an zu arbeiten." Wichtig sei für ihn, dass er die Biografien und Gewohnheiten der Bewohnenden kenne, "so habe ich weniger Stress und automatisch mehr Zeit".

Und wie stellt er sich seinen eigenen Lebensabend vor? "Ich habe Spass am Leben, denke nicht so weit und lebe heute", sagt Kpaï. Was danach kommt, wisse er nicht – sein Gott sei sein Job.

RadioFr. - Tobias Brunner
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