Weitgehendes Tabakwerbeverbot erfolgreich

Tabakwerbung darf künftig keine Kinder und Jugendliche mehr erreichen. Fast 57 Prozent der Stimmenden und 15 von 23 Ständen haben der Initiative zugestimmt.

Kinder und Jugendliche sollen nicht mehr durch Tabakwerbung zum Rauchen verleitet werden. Volk und Stände haben einem umfassenden Werbeverbot zugestimmt. (Archivbild) © KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Das Volksbegehren mit dem Titel "Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung" schaffte die Volkshürde deutlich. Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen stimmte eine Mehrheit von 56,6 Prozent der Stimmbevölkerung dafür. In absoluten Zahlen waren 1'370'100 Stimmende dafür und nur 1'050'000 dagegen.

16 Kantone sagten Ja zum Begehren, 10 lehnten es ab. Dennoch war das Rennen um das Ständemehr knapper, als der erste Blick vermuten liesse. In den Kantonen Glarus, Aargau und Solothurn gaben nur einige hundert Stimmen den Ausschlag für das Ja. Auch in Graubünden war das Votum knapp.

Insgesamt war die Zustimmung in der Westschweiz und im Tessin stärker als in der Deutschschweiz. Das deutlichste Ja gab es im Kanton Genf mit fast 75 Prozent. In den meisten Innerschweizer und Ostschweizer Kantonen wurde das Volksbegehren dagegen abgelehnt - am deutlichsten im Kanton Schwyz mit gut 60 Prozent.

Der Erfolg für die Initiantinnen und Initianten hatte sich in den vergangenen Wochen angekündigt. Die letzten Umfragen vor dem Abstimmungssonntag zeigten, dass die Befürworter klar die Oberhand hatten.

Schweiz ist kein Vorreiterstaat

Mit dem Ja zur Initiative wird Tabakwerbung in Zukunft überall dort verboten sein, wo Kinder und Jugendliche sie sehen können, zum Beispiel in der Presse, in Kiosken, an Veranstaltungen, aber auch im Internet. Erlaubt sein wird nur noch Werbung, die sich explizit an Erwachsene richtet und sich an Orten befindet, zu denen Minderjährige keinen Zugang haben.

Bislang war in der Schweiz - anders als in den meisten anderen Industrieländern - Tabakwerbung nur in Radio und Fernsehen verboten, und solche, die sich direkt an Minderjährige richtet. Kritiker führen dies darauf zurück, dass einige der grössten Tabakkonzerne ihren Sitz in der Schweiz haben. In einem Index über die Anstrengungen von Regierungen, den Einfluss der Tabakindustrie zu begrenzen, belegte die Schweiz 2021 den vorletzten Platz unter achtzig Ländern.

Das Parlament stellte bis vor kurzem dennoch konsequent gegen eine Ausdehnung des Tabakwerbeverbots. Im September 2021 rang sich die bürgerliche Parlamentsmehrheit dann doch zu schärferen Werberegeln durch. Sie verankerte im neuen Tabakproduktegesetz etwa ein Werbeverbot auf Plakaten und im Kino. Auch dürfen Tabakkonzerne keine Zigaretten mehr gratis abgeben oder internationale Veranstaltungen in der Schweiz sponsern.

Die neuen nationalen Bestimmungen orientieren sich teilweise an kantonalen Regelungen. Sie treten bald in Kraft. Mit dem Ja zur Initiative müssen die Gesetze jedoch in den nächsten drei Jahren verschärft werden.

Parlament muss über seinen Schatten springen

Jubeln dürfen die Initiantinnen und Initianten. Verschiedene grosse Gesundheitsorganisationen hatten das Volksbegehren vor Jahren lanciert - und brachten es nun mit der Unterstützung von SP, Grünen, GLP, EVP und EDU ins Trockene. Einer der prägenden Köpfe der Kampagne war der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli.

Die Befürworter der Initiative argumentierten stets mit dem Jugendschutz. Das neue Tabakproduktegesetz - von den Initianten als "Alibi-Übung" bezeichnet - reiche nicht. Der Tabakkonsum verursache jedes Jahr direkte Kosten von drei Milliarden Franken im Gesundheitswesen, lautete ein Argument des Initiativkomitees. Jedes Jahr sterben demnach 9500 Menschen in der Schweiz an tabakbedingten Krankheiten. Mehr als 14 Prozent der Todesfälle in der Schweiz seien auf den Tabak zurückzuführen.

Für die Gegner der Initiative - SVP, FDP, Mitte-Partei und die grossen Wirtschaftsverbände - waren diese Zahlen kein Rechtfertigungsgrund für ein weitreichendes Werbeverbot. Da es kaum Orte gebe, an denen sich Jugendliche nicht aufhalten, und kaum Medien, die nicht auch von Jugendlichen eingesehen werden können, führe die Initiative in der Praxis zu einem vollständigen Werbeverbot, argumentierten sie.

Bei der Umsetzung der Initiative wird die bürgerliche Mehrheit im Parlament nun umdenken müssen. Am fehlenden Willen des Bundesrats dürfte die Umsetzung der neuen Verfassungsartikel auf Gesetzesebene nicht scheitern. Die Regierung wollte bereits vor Jahren umfassende Werbeverbote zugunsten des Jugendschutzes gesetzlich verankern, wurde damals aber noch vom Parlament zurückgepfiffen.

SDA
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