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Und wieder zogen die Schafe durchs Dorf

Jeden ersten Donnerstag im September wird Riffenmatt zum angesagtesten Ort der Region. Die Schafscheid zieht rund 170 Marktstände ins Dorf.

Die Schafscheid zieht dann jeweils tausende von Besuchenden und rund 170 Marktstände ins Dorf. © Charles Ellena

Seit über 360 Jahren trifft sich gefühlt die ganze Gantrisch-Region zur Schafscheid in Riffenmatt. Was früher der Alpabzug der Schafe war, an dem die Tiere nach der Sömmerung "geschieden" und ihren Besitzerinnen und Besitzern zurückgegeben wurden, ist heute ein Volksfest mit einem grossen Markt. Jeweils am ersten Donnerstag im September ist die ganze Ortsdurchfahrt gesperrt und von etlichen Marktständen gesäumt.

Der Herbst ist da

So auch vergangene Woche. Es herrscht kühles Herbstwetter, der Himmel ist von Wolken bedeckt. Die meisten Leute, die schon um 8 Uhr morgens den Weg nach Riffenmatt gefunden haben, tragen Regenjacken oder warme Pullis. Die mit Tischen und Stühlen gefüllte Turnhalle ist noch fast leer, das Frühstücksbuffet in Vorbereitung.

Plötzlich ertönen aus der Ferne helle Klänge, die nach und nach lauter werden. Es sind die Glocken von rund 50 Schafen, die auf den Weiler zurennen. Die Hirten führen sie allerdings direkt in den Pferch unterhalb der Dorfstrasse und nicht erst durch den Weiler. Dennoch ist die Freude bei den Besucherinnen und Besuchern gross. Am Holzzaun stehen stets neugierige Kinder und Erwachsene, die die Juraschafe einer genaueren Betrachtung unterziehen.

Die Schafe sind nur eine der Attraktionen der Schafscheid. Charles Ellena
CaptionDie Schafe sind nur eine der Attraktionen der Schafscheid.
Bild: Charles Ellena

Die Leute sind allerdings nicht nur wegen der Schafe hier. An jeder Ecke ist ein "Hallo!", «Hoi!" oder "Salut!", zu hören, meistens auf Berndeutsch, manchmal auch in einem anderen Dialekt oder auf Französisch. Es kommen immer mehr Leute, die Strassen füllen sich langsam, überall bilden sich Grüppchen von alten Bekannten.

Seit 100 Jahren dabei

Auffällig oft grüssen die Vorbeilaufenden einen Verkäufer mit knallroten Arbeitshosen an der Strasse direkt vor der Turnhalle. Viele kommen auf einen Schwatz vorbei, fast durchgehend steht jemand vor dem Stand: Ein Anhänger aus Holz, der sich wie ein Schrank öffnen und schliessen lässt. Ein Blick dahinter offenbart einen blassgrünen, etwas angerosteten Oldtimer-Traktor.

Der Traktor stammt aus dem Jahr 1971. Bild: Martina Schmid
Der Traktor stammt aus dem Jahr 1971. Bild: Martina Schmid

Dieser stamme aus dem Jahr 1971, erklärt Ernst Sinzig, der hier seine Ware veräussert: selbstgedrehte Seile, unter anderem Halfter und Halsringe, um die Rinder auf der Alp anzubinden. Schon als Kind haben er und seine Geschwister das Seildrehen gelernt: "Damals gab es keinen Motor, wir machten alles von Hand", erinnert sich der 74-Jährige. Seine Familie komme seit über 100 Jahren an den Markt in Riffenmatt – er selbst habe den Stand nach dem Tod seines Vaters vor rund 20 Jahren übernommen.

Für ihn sei das Herstellen von Seilen, inzwischen vor allem aus Polypropylen, schon immer ein Hobby gewesen. Sonst fahre er weiterhin Lastwagen, seit 56 Jahren. "Der Seiler stirbt aus", bemerkt Sinzig. Ab und zu habe er noch Grossbestellungen, aber immer weniger bräuchten seine Ware, da sie Tiere nicht mehr festbinden müssen: "Die meisten haben jetzt Laufställe."

Essen, Schmuck, Kleider

Doch nicht nur er versucht heute, seine Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Im Dorf stehen rund 170 Stände. Von Schmuck, Hirtenstöcken, Kleidern und Traumfängern, über Glocken, Sattel, Zaumzeug, Landmaschinen und Motorsägen bis zu Plüschtieren, Spielzeugen, Putzlappen und Hundefutter - heute ist hier alles zu kriegen, was das Herz begehrt.

Wer möchte ein Plüschtier? Bild: Charles Ellena
Wer möchte ein Plüschtier? Bild: Charles Ellena

Die Händlerinnen und Händler hätten es nicht einfach, wie Marktchef Bruno Bracher erklärt: «Das Marktwesen ist ein hartes Geschäft.» Früher hätten die Leute extra auf den Märit gespart. Heute sei die Konkurrenz, vor allem vom Onlinegeschäft, zu gross. Seit rund 25 Jahren ist Bracher verantwortlich für den Anlass. "Es hat Zeiten gegeben, da habe ich über 100 Absagen erteilt", erinnert er sich. Heute seien es weniger. Einzig Food-Stände gebe es mehr als genug. Er schaue jedoch darauf, dass möglichst alles nur einmal im Angebot stehe.

Der Marktchef Bruno Bracher sammelt die Standgebühren ein.
Bild: Charles Ellena

Schafe und ein Monsun

Um 10.45 Uhr erklingen auf einmal wieder die Glocken. Dieses Mal bleibt allerdings wenig Zeit, sich auf den Umzug vorzubereiten. In einem Affentempo- oder eben Schaftempo - schreitet die Hirtenfamilie mit über hundert Tieren mitten durch den Markt. Schnell springen die Besucherinnen und Besucher zur Seite, während die knapp zehn Herdenhunde dafür sorgen, dass keines der Walliser Landschafe falsch abbiegt. Einmal gezwinkert, und das Spektakel ist schon wieder vorbei.

Als er angefangen habe, seien noch rund 600 Schafe durch Riffenmatt gerannt, erinnert sich Bracher. "Seit der Wolf ins Spiel gekommen ist, machen viele nicht mehr mit." Dennoch, mit den rund 200 Schafen kann sich die diesjährige Ausgabe sehen lassen. Gegen Mittag jagt ein Regenschauer sowieso den Grossteil des Publikums in die Turnhalle, unters Festzelt, ins Restaurant – oder in die Guggershörnli-Bar. Ob die Gäste letzterer vor Freitagmorgen wieder herausgefunden haben, ist diesem Medium nicht bekannt.

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Martina Schmid
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