Wer nicht mitzieht, ist weg

Am Mittwoch empfängt Zürich im Cup-Viertelfinal Winterthur. Der radikale Umbruch gefährdet Saisonziele, doch der FCZ sieht sich auf gutem Weg. Die neuen Schlagworte heissen Biss und Intensität.

Milos Malenovic, der neue starke Mann beim FCZ, vollzieht den Philosophie-Wechsel im Klub kompromisslos © KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Ein paar hauseigene Reporter und keine Handvoll Journalisten: Das Medieninteresse am Pressetermin in den FCZ-Räumlichkeiten auf der Sportanlage Heerenschürli ist überschaubar an diesem Dienstagmittag. Das dürfte vor allem daran liegen, dass der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Sportchef Milos Malenovic, der neue starke Mann im Klub, sein Schweigen vor einigen Wochen abgelegt und seither reichlich geredet hat - viel über die neue Philosophie, die beim FCZ Einzug halten soll, wenig über das "Wie".

Malenovic verfolgt die glasklare Vision einer einheitlichen Klub-Strategie, einer Leistungskultur, die "von den Pampers bis zu den Profis" reicht, wie es seither schön gesagt wurde - ganz nach dem erfolgreichen Modell von Ajax Amsterdam oder den Klubs des Red-Bull-Geflechts. Ziel ist es, das Profiteam aus einer starken Nachwuchsabteilung heraus mit Talenten zu füttern und diese dann einträglich zu verkaufen. So wie bei vielen, vielen anderen Klubs, aber entschlossener, energischer und darum erfolgreicher.

Allmächtiger Dirigent

Das "Wie" muss aus den Vorgängen im Klub herausgelesen werden, und das geht inzwischen relativ gut: Der Wandel vollzieht sich kompromisslos auf allen Stufen, mit Milos Malenovic als Dirigent, der sich vor Arbeit nicht scheut, der fast alle Fäden zieht und seine Ideen ohne Rücksicht auf individuelle Befindlichkeiten umsetzt. Akribisch neben dem Platz, intensiv auf dem Platz soll es sein. "Hart aber fair", sagt der 39-Jährige selbst.

Dass Malenovic nun auch an den Mediengesprächen vor den Spielen teilnimmt, die normalerweise zum Pflichtprogramm von Trainern und ausgelesenen Spielern gehören, passt so gut ins Bild des allmächtigen Dirigenten wie, dass der Sportchef inzwischen auch an den Spielen auch auf der Betreuerbank sitzt. Zwar betont Malenovic wiederholt, dass die Trainer die Aufstellung machen. Es wirkt aber, als führte er zumindest die beiden interimistischen Nachfolger von Bo Henriksen an der Leine. Diese heissen übrigens Murat Ural und Umberto Romano.

Als gäbe es einen Saustall auszumisten

Seit Malenovic das Amt des Sportchefs angetreten hat, wurden Trainer und Staff im Klub in so grosser Zahl und hohem Tempo ausgetauscht, dass es wirkt, als gäbe es einen verkommenen Saustall von Grund auf auszumisten und den Totalzerfall gerade noch abzuwenden. Dabei war der FCZ vor zwei Jahren Meister und führte er die Super League, als Malenovic die Arbeit Anfang Oktober offiziell aufnahm, mit 19 Punkten aus 9 Spielen an.

Seit der Däne Henriksen vor zwei Wochen nach Mainz weitergezogen ist, wurde der Schnitt auch beim Personal auf dem Platz deutlich sichtbar. Beim 0:2 gegen Lugano gehörten am letzten Wochenende unbekannte Namen wie Cheveyo Tsawa und Amadou Dante zum ersten Mal zur Startelf. Auch Nils Reichmuth, Junior Ligue und Armstrong Oko-Flex, deren Einsatzzeiten unter Henriksen überschaubar waren, liefen von Beginn weg auf.

Einige Rochaden, etwa jene von Tsawa im zentralen Mittelfeld, waren personellen Engpässen geschuldet, andere Vorsichtsmassnahmen vor dem vier Tage später anstehenden Cup-Viertelfinal. Malenovic betont indes: "Es haben die fittesten Spieler gespielt. Die, die wir für die besten elf für dieses Spiel hielten." Der Output in der Offensive sei sehr mager gewesen, räumt der Sportchef ein und fordert mehr Ideen und Kreativität im letzten Drittel. An der gezeigten Mentalität und Intensität gebe es aber nichts auszusetzen: "Wir haben in den letzten Spielen gegen Lugano und Luzern (1:0) Rekorde verzeichnet bei den Intensitätswerten."

Ein rauerer Wind

Darum geht es also: um mehr, und länger anhaltende, Intensität. "Mit Henriksen hatten wir seit dem Jahreswechsel immer höchstens eine gute Halbzeit, wenn überhaupt. Die Botschaft ist jetzt: Wir wollen zwei Halbzeiten mit höchster Intensität!", sagt Malenovic.

Ja, es weht jetzt zweifelsohne ein anderer Wind im Klub. Und die neuen Schlagworte kommen nach der Zeit des sich Gernhabens unter Henriksen eiskalt daher: Biss und Intensität, auf allen Stufen. Wer nicht mitzieht, ist weg.

War Bo Henriksen stets um ein starkes Wir-Gefühl bestrebt ("Wir lieben uns alle. Wir sterben alle füreinander"), soll man sich im neuen FCZ jetzt "durchbeissen". So fordert es Malenovic, der sich als in einfachen Verhältnissen aufgewachsener Junge selbst hatte durchbeissen müssen auf seinem Weg zum international erfolgreichen Spielerberater. Hart aber fair.

Eine weggeworfene Saison?

Angesichts der seit Dezember signifikant schlechter gewordenen Resultate stellt sich die Frage, wie hoch der unmittelbare sportliche Preis für den mitten in der Saison lancierten einschneidenden Kurswechsel ist. Stand jetzt scheint das Szenario am wahrscheinlichsten, eine vielversprechende Saison, der die Mannschaft nach 15 Spielen an der Spitze der Super League stand, ohne Not weggeworfen zu haben.

Am Mittwoch spielt der FCZ im Letzigrund gegen den in den letzten neun Spielen nur einmal geschlagenen FC Winterthur um den Einzug in die Cup-Halbfinals. Hapert es erneut mit dem Toreschiessen oder reicht die Luft nicht für mehr als 90 Minuten höchster Intensität, wird die Saison des radikalen Schnitts eine ohne Titel sein.

SDA
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