Wie hilfreich ist der Nutri-Score wirklich?
Der kleine Kleber soll darüber aufklären, wie gesund ein Lebensmittel ist. Doch was steckt wirklich dahinter?
Der Nutri-Score ist in der Schweiz noch nicht weit verbreitet. Der kleine Aufkleber, der von A bis E reicht und mit Farben des Ampel-Systems hinterlegt ist, soll Konsumentinnen und Konsumenten als Hilfestellung dienen. Und zwar geht es dabei um eine gesunde Ernährung. Oder sagen wir besser eine "gesündere" Ernährung.
Äpfel mit Äpfeln vergleichen
"Die Idee des Nutri-Scores ist eine Vereinfachung im Dschungel der Labels und Scores", erklärt Anne Buri Geissbühler, ernährungs-psychologische Beraterin der Praxis "Levitas" in Düdingen. "Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass es sich nicht um eine absolute Bewertung handelt. Ein Beispiel: Ein Schokoladen-Joghurt hat einen schlechteren Nutri-Score, weil es mehr Zucker enthält, als ein Nature-Joghurt", sagt Buri Geissbühler.
Lebensmittel können also nicht übergreifend verglichen werden, sondern nur mit ähnlichen Produkten. Also nur Joghurt mit Joghurt oder Brot mit Brot. Sind in einem Lebensmittel viel Gemüse und Früchte, Balaststoffe oder Proteine enthalten, dann ist der Nutri-Score besser, als wenn der Anteil an Fetten, Zucker oder Kalorien sehr hoch ist.
Sind gute Nutri-Scores also gleichbedeutend mit einer gesunden Ernährung? "Die Umsetzung im Alltag ist schwierig. Stress belastet unseren Alltag, wir haben unbewusste Muster oder kompensieren mit dem Essen etwas. Ein guter Nutri-Score kann helfen, dass man gesündere Produkte wählt. Aber er ist keine Garantie dafür, dass man sich gesund ernährt", sagt Buri Geissbühler. Dafür brauche es schon einiges mehr.
Drei-Drittel-Regel
Häufig spielen in unserem Alltag eben auch andere Faktoren eine Rolle und nicht nur das Hungergefühl. An dem Punkt, an dem der Hunger schon längst gestillt ist und man doch zum Schoggistängeli greift, setzt Anne Buri Geissbühler an. Tief verankerte Muster möchten aufgelöst werden.
Für eine gesunde Ernährung gibt es eine einfache Regel. "Ein Drittel des Tellers sollten Kohlenhydrate sein", rät die ernährungs-psychologische Beraterin. Hier lieber zu Vollkornprodukten greifen.
Ein weiteres Drittel besteht aus Eiweiss, wobei zweimal Fleisch pro Woche völlig ausreichen. Lieber greift man auch zu Hülsenfrüchten, Tofu oder anderen pflanzlichen Proteinquellen. Und das letzte Drittel besteht aus vielen Farben – also Gemüse und Früchte. Fünf Portionen pro Tag sind empfehlenswert, wobei drei davon Gemüse sein sollten und nur zwei Früchte.
Der Nutri-Score ist für Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten keine gesetzliche Verpflichtung. Bisher kann er freiwillig abgedruckt werden. "Gewisse Produkte haben den Nutri-Score darauf, andere nicht. Produzenten entscheiden selber", sagt Carmen Hefti, Mediensprecherin bei der Migros-Genossenschaft Neuenburg-Freiburg.
Langzeit-Ergebnisse fehlen
Beeinflusst das Ampelsystem der Lebensmittel denn auch unser Kaufverhalten? "Für aussagekräftige Ergebnisse bräuchte es noch mehr Produzenten, die den Nutri-Score abdrucken", sagt Hefti. Denn in Frankreich funktioniert dieses System bereits, wie Anne Buri Geissbühler weiss: "Man weiss, dass der Nutzen des Nutri-Scores steigt, je länger man ihn anwendet." Hierzulande wird es wohl noch dauern, bis es so weit ist.