Adieu, merci: Kirchenaustritte auf Allzeithoch

Seit Mitte September sind so viele Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten, wie normalerweise in einem ganzen Jahr.

Immer mehr Menschen treten aus der katholischen Kirche aus. © Keystone

Am 12. September 2023 wurden über 1000 vertuschte Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche publik. Seither haben so viele Mitglieder der Kirche ihren Austritt eingereicht, wie sonst in einem Jahr.

Kirchenaustritte rasant gestiegen

Zwischen Mitte September und Ende Oktober 2023 sind in den fünf grössten Pfarreien in Deutschfreiburg so viele Personen aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten, wie sonst in einem Jahr. Das zeigen die Zahlen der Pfarreien Murten, Düdingen, Plaffeien, Tafers und Wünnewil-Flamatt. 

Die Zahlen der Kirchenaustritte sind relativ zur Grösse der Pfarreien. Murten als grösste Pfarrei in Deutschfreiburg verzeichnet mit 75 Austritten in sieben Wochen die meisten Kirchenaustritte, gefolgt von Düdingen als zweitgrösste Pfarrei mit 51 Austritten und Plaffeien mit 37 Austritten. Bei den Pfarreien Tafers und Wünnewil-Flamatt sind es rund 30 Austritte seit Mitte September.

Ein Überblick der Zahlen vom 13. September bis 31. Oktober 2023:

  • Pfarrei Murten, 5270 Mitglieder, 75 Austritte
  • Pfarrei Düdingen, 4527 Mitglieder, 51 Austritte
  • Pfarrei Plaffeien, 2541 Mitglieder, 37 Austritte
  • Pfarrei Tafers, 2280 Mitglieder, 28 Austritte
  • Pfarrei Wünnewil-Flamatt, 2162 Mitglieder, 31 Austritte

So viele Austritte, wie sonst in einem Jahr

Insgesamt sind in den fünf grössten Pfarreien in Deutschfreiburg zwischen Mitte September und Ende Oktober 222 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Im Jahr 2022 sind insgesamt 261 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ebenso hoch war die Zahl bereits 2021.

Während der Pandemie lag die Zahl ebenfalls bei 261 Kirchenaustritten. Das habe zum Teil mit den Corona-Massnahmen zu tun, wie die bischöfliche Delegierte von Deutschfreiburg, Marianne Pohl-Henzen erklärt:

Die Zahl hat während Corona stark zugenommen. Darunter waren vor allem Corona-Skeptiker, die nicht mit den Massnahmen einverstanden waren, die auch in der Kirche galten.

Für das Jahr 2023 rechnet das Bistum Freiburg, Lausanne und Genf mit gut doppelt so vielen Kirchenaustritten als im letzten Jahr.

Kirchenaustritte seit Jahren zunehmend

Wirft man einen Blick auf die letzten 15 Jahre, so gab es bereits 2009 einen Peak bei den Kirchenaustritten. Damals hatte sich der Papst erstmals öffentlich wegen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche entschuldigt, welche in Kanada und Irland aufgedeckt wurden. Die Folge: Eine erste Welle an Austritten. In den darauffolgenden Jahren hat sich diese Welle wieder etwas gelegt.

Vor rund zehn Jahren, also 2013, war die Zahl der Kirchenaustritte noch rund fünfmal tiefer als heute. Seither haben die Austritte aus der Kirche stetig zugenommen.

Gründe für Austritte sind vielfältig

Auch wenn die unter den Teppich gekehrten Missbrauchsfälle Auslöser für viele Kirchenaustritte waren, sind diese nicht der einzige Grund der Menschen, aus der katholischen Kirche auszutreten. 

Ein Grund für die steigende Zahl der Austritte ist im Kanton Freiburg unter anderem die Kirchensteuer, sagt Marianne Pohl-Henzen:

In anderen Kantonen zahlen die Mitglieder der katholischen Kirche keine Kirchensteuer.

Im Kanton Waadt beispielsweise zahlt der Kanton jeder Glaubensgemeinschaft pro Mitglied einen bestimmten Beitrag. Finanziert wird dieser durch die Kantonssteuer. Die Bevölkerung finanziert damit indirekt die verschiedenen Kirchen mit, dies aber ohne direkte Kirchensteuer. In den Kantonen Genf und Neuenburg hingegen erhält die katholische Kirche keine direkten finanziellen Mittel vom Staat. Auch dort gibt es keine Kirchensteuer. 

Und in eben jenen Kantonen, in denen die Kirchensteuer nicht direkt erhoben wird, seien die Zahlen der Kirchenaustritte nicht markant gestiegen, so Pohl-Henzen weiter.

Nicht zuletzt haben sich auch die Gesellschaft und ihre Strukturen verändert. Früher galt die Kirche als sozial herrschendes Konstrukt. Heute sind viele Menschen kirchenfern, heiraten nicht mehr kirchlich und lassen auch ihre Kinder nicht mehr taufen. Auch deswegen treten immer mehr Menschen aus der katholischen Kirche aus.

Partieller Austritt möglich

Trotz der steigenden Austritte in der katholischen Kirche bleiben viele Menschen dem Glauben treu. Auch im Kanton Freiburg treten einige zwar aus der Kirche aus, weil sie diese nicht mehr finanziell unterstützen wollen. Trotzdem glauben sie auch weiterhin an die christlichen Werte.

Hier ist ein partieller, statt ein vollständiger Austritt möglich. Der Unterschied: Der vollständige Kirchenaustritt wird im Taufbuch der austretenden Person vermerkt und man tritt damit voll und ganz aus der Glaubensgemeinschaft aus. Bei einem partiellen Austritt hingegen fällt der Schritt mit dem Taufbuch weg und man bleibt Teil der Gemeinschaft, einfach ohne die Kirchensteuer zahlen zu müssen.

Ein Kirchenaustritt ist aber nicht per se endgültig und kann gemäss dem katholischen Kirchengesetz jederzeit rückgängig gemacht werden.

RadioFr. - Vanja Di Nicola
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