Der eigenen Haltung entsprechen

Sieben Jahre lang hat Dave Jegerlehner solo Musik veröffentlicht. Nach einer längeren Pause folgten neue Alben als Hora Lunga. Was ist anders?

"New Age Music I" ist ein Mixtape voller wundersamer Momentaufnahmen. © Hora Lunga

Irgendwann entsprach die Sache nicht mehr der eigenen Entwicklung. Was darauf folgte, war eine dreijährige Phase des Hinterfragens, Suchens, Erkennens und Musikschaffens. „Es gab dann ein-zwei Klickmomente, wonach es für mich wieder Sinn ergab, etwas zu veröffentlichen“, so Dave Jegerlehner. Die Zeit des musischen Sinnierens hat offensichtlich gefruchtet.

Nebst wunderbaren Projekten, wie beispielsweise WIRREN - einem drone-lastigen, viszeral schwingenden, noise-kammermusikalischen Imaginarium mit einer haste-nich-gesehn Palette an Mitwirkenden - hat Jegerlehner als Hora Lunga mit New Age Music I eine neue Album-Serie lanciert. Das im vergangenen Herbst veröffentlichte Album zeugt von obgenannter Findungsphase des Musikers und Produzenten, der hier mit stilistischer Eintönigkeit bricht. „Früher, bei Dave Eleanor, hatte ich vielfach das Gefühl, ein Image bedienen zu müssen und habe mich stilistisch oft eingeschränkt. Die Bandbreite der Musik, die ich machen will, passt nicht zu den meistens stilistisch sehr homogenen Ansprüchen an ein Album oder ein Projekt“, so Jegerlehner.

Eher zufällig kam es im Rahmen eines Abends des Labels BlauBlau Records im Berner Dachstock zum ersten Gig. Repertoire: Songs und Tracks, die über einen längeren Zeitraum im Studio von Jegerlehner entstanden sind. „Danach war für mich klar, dass ich diesen Mixtape-Charakter unbedingt beibehalten möchte“. So klingt’s auch, wenn wir etwa auf dem Openertrack „Autogrill“ durch kultige Roadmovie-Szenarien brettern und tarantinoesque Figuren in fremden Zungen durch den Telefonhörer schreien, nur um auf „Oh Daddy“ unter trip-hop-rhythmisierte Nebelstösse zu tauchen und Hora Lunga geisterhaft unaufhörlich adieu winkt. Bref, New Age Music I folgt keinem strengen Konzept, ist eher Trackcollage als Album, Funkenschläge aus dem kreativen Kosmos Hora Lunga.

Eine Klangwelt, die zudem mit zahlreichen befreundeten Musikschaffenden bevölkert ist, mit denen Dave Jegerlehner in seinem Studio zusammengearbeitet hat und oft en passant Songideen aufgenommen hat. „Es war ein ziemlich natürlicher Prozess, dass während der Studioarbeit mit Künstler*innen auch gleich Kollaborationen entstanden sind – eine Art human sampling“, so Jegerlehner. Von Saxofonist Tapiwa Svosve, über Evelinn Trouble, bis hin zu Valentin Baumgartner, der im Sommer 2021 tragisch verunglückt ist, birgt New Age Music I aussergewöhnliche Momente der ephemeren Zusammenarbeit, die trotz des Mixtape-Charakters des Albums ein emotionales Narrativ ergeben. So wechselt New Age Music I nach dem erschütternden Track „Brüele / Portrait II“ spürbar den Aggregatszustand, worauf ein fast lethargisches Schwelgen im Nachglühen folgt. „Eine gefühlvolle Dramaturgie erzeugen“, wie Jegerlehner es beschreibt. Wunderbar.

Am Ende von New Age Music I, nach zelebriertem Stileklektizismus und emotionalen Kreuz- und Querfahrten, hören wir zwei Versionen des Stücks „Exit Music“, die das Mixtape/Album mit einem bittersüssen Grinsen abschliessen. „Es ist aber auch ein motivierender Song,“ meint Jegerlehner, „es geht ja auch darum, shit hinter sich zu lassen, was ich ja teilweise auch möchte. Ich habe aber auch mehr als früher das Bedürfnis nach Inhalt. Das kann einerseits mega persönlich sein oder auch politisch etc. Es geht mir vor allem darum, das zu tun, was meiner Haltung entspricht." 

RadioFr. - Valentin Brügger
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