Die Musik alleine ist der Sinn
Feldermelder fokussiert sich seit Jahren in kompromissloser Manier auf Musik. Mit „Euphoric Attempts“ gewährt er nun ungewohnt viel Nähe.

Die Agenda von Manuel Oberholzer alias Feldermelder ist seit beinahe zwei Jahrzehnten mit umfangreichen Produktionen, Kollaborationen, Auftragsarbeiten und Konzerten gefüllt. Seine kreative Akribie und sonische Eigenart hat dem Freiburger Soundtüftler Auftritte in Ländern, Städten, Nischen auf der ganzen Welt und an surrealen Orten wie etwa Tschernobyl ermöglicht.
Mit der Pandemie kam die Disruption. Den Frust über die abgesagten Konzerte und Reisen wandelte Oberholzer in kreative Energie um, produzierte etwa Acts für das von ihm mitgegründete Label -OUS, ging neue Kollaborationen ein, lancierte schier wahnwitzige Projekte mit ENCOR STUDIO, und arbeitete am nun erschienenen Album Euphoric Attempts. „In den Tracks auf dem Album geht es vor allem um meine Verbindung zur Musik und darum, der Weltlage Euphorie entgegenzusetzen“, so Oberholzer. Es handelt sich aber nicht um ein Corona-Album über zeitgebundene Befindlichkeit. Einige Tracks oder Fragmente sind schon mehrere Jahre alt und lagen in Oberholzers Ideencontainer. Aber genau im Reibemoment zwischen äusseren Strukturen, die uns beeinflussen und unseren inneren Strukturen, die uns festigen, liegt der Ursprung dieses neuen Albums. Kreative Expression via sensitivem Filter also, ohne konkrete politische Statements zu vertonen, was in den Tracks auf Euphoric Attempts viele offene Interpretationsräume zulässt.
Aber da ist noch mehr. Stücke wie „Fragments of Yesterday“ verweisen nicht nur namentlich, sondern auch durch die Wahl der Klangfarbe auf den Anspruch, ein Album mit bestimmten persönlichen Bezugspunkten zusammenzustellen. Besagter Track bildet beispielsweise ein Überbleibsel von Oberholzers früheren Überzeugungen und Bestrebungen. „Durch bestimmtes Sounddesign lassen sich auch ohne Worte ganz bestimmte Emotionen evozieren“.
Für Euphoric Attempts hat Feldermelder mit breiter Farbpalette gespielt. Tracks wie „Wendys Hollow Path“ oder „Perhabs Significant“ klingen sphärisch düster und lärmig-zerstäubt. Andere Momente wie „L’Ennui Hâté“ oder „Non C’é“ wirken durch fragmentierte Melodieschwünge somnambul oder fast lieblich blau. Ganz anders, als die Rhythmus-Klang-Komplexe, die Feldermelder an seinen Konzerten konstruiert, wobei er mit der Physikalität des Klangs zu jonglieren scheint und dem Publikum oftmals die Hörorientierung abhandenkommt. „Ich wollte etwas Minimales, Disharmonisch-harmonisches schaffen, das ein Kapitel meines Lebens abschliesst“, so Oberholzer.
Bei Künstler*innen, die schon sehr lange auf eigene Art eigenartige Musik machen, stellt sich oft die Frage, nach dem Schaffensprozess. Wieviel ist Konzept, Rezept oder gar blosser Versuch? Feldermelder versucht jeder Veröffentlichung eine gewisse Eigenheit zu verleihen. Auf Euphoric Attempts sind es vor allem die Momentaufnahmen, die herausstechen. „Viele Tracks sind wie Onetakes, die mit einem Instrument und aus einer Improvisation heraus entstanden sind. Es geht mir vielfach darum, den Entstehungsmoment zu fassen“, wie Oberholzer erzählt. Ein Entscheid, der auch ungewohnte Nähe zur Persona zulässt, die häufig lieber auf Koryphäendistanz geht.
Das Bild des unaufhörlich schaffenden, über die Sache sinnierenden und aussergewöhnlichen Musikers, ist im Falle von Oberholzer aber kein geschöntes Promo-Image, sondern lebenszeitfüllende Passion. „Musik ist für mich alles und Musik ist nie zu Ende gedacht. Physikalisch gesprochen ist es ein Spiel mit Wellen, mit der Vibration des Universums.“
Ein euphorisches Wachrufen des Sinns von Musik für Manuel Oberholzer. Ein Album, 15 Tracks, Hymnen auf die Bedeutung, die Musik haben kann, Hymnen auf alles und nichts.
Verlosung:
Näb de Spur verlost ein Vinyl-Exemplar von Euphoric Attempts. Interessierte können bis zum Sonntag 13. November eine Mail an valentin.bruegger@radiofr.ch senden. Das Los entscheidet. Viel Glück.