Quereinsteiger – ja, aber...

19 von über 1200 Lehrpersonen in Deutschfreiburg sind quer eingestiegen. Sie verdienen deutlich weniger und müssen hohe Hürden nehmen.

Akuter Lehrermangel in Deutschfreiburg und trotzdem kaum Quereinsteiger. © Keystone

Letzten Sommer war der Lehrermangel im Kanton in aller Munde –  Quereinsteiger wurden gesucht. Viele gibt es an unserer Volksschule trotzdem nicht. Gemäss Marianne Meyer Genilloud, der Sprecherin der kantonalen Direktion für Bildung und kulturelle Angelegenheiten, unterrichten im laufenden Schuljahr an Deutschfreiburger Schulen nur neun Quereinsteigerinnen und –quereinsteiger auf Sekundarstufe I und zehn auf Primarstufe. Dies bei insgesamt 862 Lehrpersonen auf der Primarstufe und 363 auf der Orientierungsstufe. Diese Personen verdienen weniger als ihre diplomierten Kollegen. Auf der Primarstufe müssen sie laut Meyer Genilloud Abstriche von rund 20 Prozent des Lohnes in Kauf nehmen, auf der Orientierungsstufe sind es rund 30 Prozent. Auf der Sekundarstufe II wiederum gibt es kaum Quereinsteiger, aber auch keinen Lehrermangel, wie François Piccand, Vorsteher des kantonalen Amts für Unterricht der Sekundarstufe II, gegenüber Radio Freiburg bestätigt.

Sind Quereinsteiger nicht willkommen?

Hört man sich um, ertönt das Gegenteil – mit bestimmten Vorbehalten. "Ich denke, dass diesbezüglich ein grosses Umdenken stattgefunden hat", sagt etwa Mathias Aeby, selbst Quereinsteiger und Lehrperson an der OS Düdingen. Er kommt selbst aus dem KV-Bereich und kann sein Wissen, gerade wenn es um Bewerbungen oder Lebensläufe geht, sehr gut einbringen. Dass man in Freiburg als Quereinsteiger innert drei Jahren sein Zielstufendiplom vorweisen müsse, hält er indes für richtig. Denn "ohne jegliche Vorbildung ein grosses Pensum zu übernehmen, kann zu herausfordernden Situationen führen".

"Vielleicht kann es irgendwo mal als Notlösung funktionieren, aber flächendeckend finde ich es schlecht, und für das Bildungsniveau sicher nicht förderlich, ohne Zieldiplom zu unterrichten", ergänzt Aebys Kollege Lukas Birbaum, ebenfalls Quereinsteiger. Auch er unterrichtet an der OS Düdingen. Eine Schnellbleiche sei sicher problematisch. Es gebe Gründe, weshalb ein Studium an der Pädagogischen Hochschule normalerweise fünf Jahre und nicht nur ein Jahr dauert.

Schnellbleiche ist sicher problematisch.

Sehr positiv tönt es auch seitens der Schulleitungen. Christoph Mäder, Direktor der OS Wünnewil, habe selbst "sehr gute Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht", wie er gegenüber Radio Freiburg sagt. Deren Kenntnisse der Privatwirtschaft seien eine echte Bereicherung für die Schulen. Und auch Delphine Etienne-Tomasini, Rektorin der PH Freiburg, spricht von "exzellenten Erfahrungen" mit den Quereinsteigern. "Es handelt sich um sehr engagierte, motivierte Studierende, die wissen, wieso sie hier sind."

Tolerant und spontan 

Was muss ein erfolgreicher Quereinsteiger mitbringen? "Man muss sehr gut auf Kinder eingehen können und Situationen annehmen, wie sie sind", sagt Christiane Köstinger, Primarlehrerin in Flamatt. Auch sie kam als Quereinsteigerin ins Schulzimmer. "Man muss tolerant und sehr spontan sein - auch gegenüber Ereignissen, die sich unmittelbar vor der Schule ereignen und die Kinder schliesslich mit ins Klassenzimmer bringen", erzählt sie. "In einem solchen Fall darf man nicht an seiner Feinplanung festhalten; denn es muss für alles Platz in der Schule haben."

Ähnlich sieht dies Andreas Maag, Vorsteher des kantonalen Amts für deutschsprachigen obligatorischen Unterricht. "Man muss Freude und Spass haben, aber auch Respekt vor methodisch-didaktischen Anforderungen und Lehrmitteln", sagt er. "Die Schule mit ihrer Vielfalt an Herausforderungen ist kompliziert." Oft gelte es, als Lehrperson innert kürzester Zeit adäquate Lösungen zu finden. Nicht zu unterschätzen sei auch das Einlesen in die Materie beim Quereinstieg.

Berufsbegleitende Lösungen nötig

Der Weg zum gewünschten Zieldiplom kann steinig sein. Denn Studiengänge an den Pädagogischen Hochschulen waren traditionellerweise als Vollstudium für junge Maturanden gedacht. Für jemanden, der schon eine Generation älter ist und bereits mitten im Leben steht und vielleicht eine Familie zu unterhalten hat, kann dies eine echte Herausforderung darstellen. Zwar bemüht sich die Pädagogische Hochschule Freiburg mit ihren anfangs Jahr kommunizierten Reformen in den Bereichen des Zweitsprachnachweises und der Studiendauer, den Quereinsteigern entgegenzukommen. Dennoch wandern immer noch viele Deutschfreiburger Studierende an die PH Bern ab. Auch Mathias Aeby konnte sie nach einem nur sechsmonatigen Vorkurs besuchen, während er in Freiburg die zwölfmonatige Passerelle hätte besuchen müssen. "Diesbezüglich ist die PH Bern momentan sicher viel besser aufgestellt", sagt er. Und auch Lukas Birbaum hat "abgeschreckt, dass man an der PH Freiburg an Vorlesungen der Universität Freiburg teilnimmt". Er würde es grundsätzlich sehr begrüssen, wenn man für Quereinsteigende bessere "berufsbegleitende Lösungen ermöglicht".

Auf offizieller Seite stossen diese Ideen auf offene Ohren. "Wenn man Bedingungen schafft, dass Quereinsteiger ihr Studium auch ohne Aussetzen des Geldverdienens abschliessen können, sind wir sicher auf einem guten Weg", so Andreas Maag. Im Übrigen würde auch das heilpädagogische Institut der Universität seine Ausbildung im kommenden Herbst flexibilisieren. "Wir wünschen uns sehr, unsere Quereinsteiger zu unterstützen, da wir tatsächlich einen Lehrermangel haben", sagt auch die zuständige Staatsrätin Sylvie Bonvin-Sansonnens. Die Möglichkeiten hierfür seien vielfältig. Der Erfolg eines Quereinstiegs hänge aber auch von der Erstausbildung der Betroffenen ab.

RadioFr. - Jean-Claude Goldschmid / Mario Corpataux
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