Führung durch den ersten Konsumraum im Kanton Freiburg
Die Stiftung Le Tremplin ist vor knapp zwei Wochen ins Pérolles-Quartier umgezogen und hat nun ihre neuen Räumlichkeiten sowie den ersten Konsumraum im Kanton Freiburg vorgestellt.
Zeughausstrasse 16d im Pérolles-Quartier der Stadt Freiburg: So lautet nun offiziell die neue Adresse von Le Tremplin. Am 19. August hat die Freiburger Stiftung dort ihre neuen Räumlichkeiten auf rund 2000 Quadratmetern eingeweiht und gleichzeitig den ersten Konsumraum im Kanton Freiburg eröffnet. Der Konsumraum ist eine Massnahme der Gesundheitsdirektion des Kantons Freiburg, die darauf abzielt, Suchtkrankheiten zu bekämpfen.
Ein sicheres Umfeld
Lara Ribeiro, die den Konsumraum mit aufgebaut hat, zeigte und erläuterte den Medien am Montagvormittag bei einem Rundgang das neue Angebot. Mit dem Konsumraum soll das Infektionsrisiko beim Drogenkonsum reduziert und die Sicherheit der Betroffenen erhöht werden. Ziel ist es, den Suchtmittelabhängigen ein sicheres Umfeld für den Drogenkonsum zu bieten. Der neue Konsumraum besteht aus vier Räumen. Einem Empfangsraum, einem Behandlungsraum, einem Inhalationsraum und einem kombinierten Injektions- und Sniffraum. Seit der Eröffnung am 19. August haben bereits viele Menschen den Konsumraum besucht und genutzt. «Letzten Freitag hatten wir 43 Konsumationen», sagt Ribeiro. Das sei der Rekord. Bis zu 64 Konsumationen pro Tag seien möglich. «Die Konsumierenden schätzen das Angebot bisher sehr.»
Der Ablauf
Zunächst müssen die Konsumierenden – Erwachsene aus dem Kanton Freiburg, die stark und täglich mittels Injektion, Inhalieren oder Sniffen Substanzen konsumieren – sich am Empfang anmelden. Die Konsumierenden müssen die Substanzen selbst mitbringen, sie den Mitarbeitenden zeigen und die Art des Gebrauchs angeben. «Wir können sie auch abweisen, wenn sie schon zu viel konsumiert haben oder aus anderen Gründen», sagt Ribeiro. Ist alles geklärt, stellen die Mitarbeitenden die Konsumutensilien bereit. Die beiden Räume, in denen die Drogen konsumiert werden, wirken steril und karg. Nur Stühle und Tische, Desinfektionsmittel und Handtücher. Das Material wird auf einem kleinen Tablett gereicht. «Sie müssen die Drogen selbst nehmen. Das Personal darf nicht helfen», betont Olivier Dousse, Sektorchef von Le Tremplin. Cannabis und gespritztes Ketamin sind im Tremplin verboten. Suchtmittelabhängige dürfen sich maximal 30 Minuten im Konsumraum aufhalten und werden dabei vom Personal von Le Tremplin betreut, um einen sicheren Konsum sicherzustellen. Danach müssen sie den Tisch reinigen, das Material entsorgen und den Raum verlassen.
Sie können den Konsumraum jedoch mehrmals täglich nutzen. Rund 95 Prozent der Konsumierenden sind Männer. Frauen konsumieren eher im Verborgenen.
Die neuen Räumlichkeiten
Neben dem neuen Konsumraum sind auch die bestehenden Angebote des Tremplin umgezogen. So befindet sich das Tageszentrum Le Seuil direkt neben dem Konsumraum. In der Cafeteria werden täglich bis zu 120 Mahlzeiten zubereitet und ausgegeben. Auch der Sozialdienst befindet sich gleich nebenan. Hier kümmert sich die Verantwortliche, Aurélie Morand, mit ihrem Team um Menschen, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Suchterkrankung haben oder sich in prekärer sozialer Situation befinden. «Die Menschen, die zu uns kommen, sind zwischen 18 und 95 Jahre alt», sagt Morand. Rund 100 Personen werden derzeit betreut.
Am neuen Standort befinden sich auch Equip’Apparts (ambulante Leistung für Zugang zu betreutem Wohnraum) und die Ateliers. Letztere sind noch im Aufbau. Hier können Menschen in einer Suchtsituation oder in grosser sozialer Prekarität arbeiten und unter anderem Holzspielzeuge oder Rucksäcke herstellen. In einer Boutique und über den Onlineshop können diese danach verkauft werden.
Ein Suchtkranker erzählt
A.P.* ist 51 Jahre alt, Vater von zwei erwachsenen Kindern und wohnt in Freiburg. Seit seinem 33. Lebensjahr konsumiert er Drogen. «Die Menschen leiden, die Welt ist hart. Das ist meine Art, mir selbst zu helfen und weiterzumachen», antwortet er auf die Frage, warum er Drogen nimmt. Er konsumiert Heroin. Für fünf Gramm zahlt er 100 Franken. Das sei nicht viel, meint er, nimmt einen Schluck Bier und setzt sich lässig auf den Stuhl.
Zweimal in der Woche geht er in den neuen Konsumraum von Le Tremplin. Der gefällt ihm gut. «Das ist eine gute Sache», sagt er. Er raucht die Droge. «Ich kann sie nicht spritzen. Ich respektiere meinen Körper», sagt er und zeigt auf seine Unterarme, die frei von Narben sind. Wenn er das Heroin nicht im Konsumraum nimmt, dann zu Hause oder in der Öffentlichkeit. Aber das mag er eigentlich nicht. «Ich will mich nicht zeigen. Kinder könnten mich sehen.» Das könnte den Menschen Angst machen.
* Name der Redaktion bekannt