"Es gibt noch Lehrstellen, die zu besetzen sind"

Der Direktor des Freiburger Arbeitgeberverbandes spricht über die aktuellen Herausforderungen auf dem Lehrstellenmarkt.

Ob als Bäckerin oder als Florist: Eine Lehre öffnet auch in Zukunft viele Türen, meint Reto Julmy. © Keystone / UPCF

In 24 Kantonen findet vom 13. bis 17. Mai die Woche der Berufsbildung statt. Ziel ist es, Unternehmen dazu zu ermutigen, durch die Einstellung von Lehrlingen den Nachwuchs zu gewährleisten und junge Menschen ins Berufsleben zu integrieren. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Erfolg des schweizerischen Systems der beruflichen Bildung und auf der Rolle, die Eltern und Lehrer als Einflussfaktoren bei der Berufswahl junger Menschen spielen.

Reto Julmy ist der Direktor des Freiburger Arbeitgeberverbandes. Er spricht im Interview davon, dass eine Lehre alle Türen öffnen würde.

Frapp: Herr Julmy, wie ist die Lehrstellensituation im Kanton Freiburg aktuell?

Reto Julmy: Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt Freiburg ist sehr vergleichbar mit den letzten Jahren. Es gab sogar eine leichte Zunahme der Lehrstellen von rund 2 Prozent. Natürlich gibt es Berufe, die beliebter sind. Andere Berufe kommen im zweiten Anlauf. Es gibt aber schon noch Lehrstellen, die zu besetzen sind.

Gibt es da vielleicht sektorielle Unterschiede?

Was die Lehrstellen anbetrifft, gibt es Bereiche, die beliebter sind. Die kaufmännische Lehre ist nach wie vor sehr beliebt. Auch die medizinischen Berufe werden immer beliebter. Im Bau-Nebengewerb werden gewisse Bereiche weniger beliebt. Oder werden erst, nachdem die erste Wahl nicht möglich gewesen ist, in einem zweiten Schritt angegangen und gewählt.

Lehrstellen anzubieten, bedeutet, dass man sich beim Staat anmelden muss. Wie gross ist der bürokratische Aufwand? Gibt es da vielleicht Betriebe, die sagen, das sei zu kompliziert, das mache ich gar nicht?

Ich glaube, es gibt einen gewissen administrativen Aufwand. Aber der ist sicher zu bewältigen. Was natürlich ist, es braucht Energie und Motivation, um die Jungen im Betrieb zu begleiten und zu unterstützen. Aber es gibt viele Unternehmer, die das mit Leib und Seele machen. Und die wissen natürlich auch, die heutigen Lehrlinge sind die morgigen Fachkräfte.

Wenn wir gerade bei der Ausbildung der Lehrenden bleiben, die gehen ja teilweise in die Schule, teilweise machen sie praktische Arbeiten im Betrieb. Gibt das vor allem Vorteile für Betriebe oder gibt es da auch Nachteile?

Das sehe ich als absoluten Vorteil an. Also überhaupt die Lehre, wie sie in der Schweiz angeboten wird, ist für mich der Königsweg in die Berufswelt. Weil, wie gesagt, erst einmal arbeiten sie im Lehrbetrieb, dann kommen noch die überbetrieblichen Kurse dazu, die ja auch eine praktische Ausbildung sind, und dann gehen sie in die Schule. Aber nach drei oder vier Jahren, je nach Lehrzeit, wissen die jungen Mitarbeitenden, worum es geht. Die kennen ihr Beruf, die wissen, wie es im Unternehmen läuft. Und die sind natürlich gleich mehr oder weniger sofort einsetzbar in den Unternehmen.

...und sie sind billige Arbeitskräfte.

Klar, die Lehrlingslöhne sind natürlich nicht so hoch wie von jemandem, der ausgebildet ist. Zum Glück sind die aber auch angehoben worden. In gewissen Berufen sogar markant. Und man muss nicht vergessen, es braucht natürlich schon sehr viel Herzblut, eben wie gesagt, Investitionen auch vom Betrieb. Am Anfang ist es sicher viel mehr das Geben als das Nehmen. Und im dritten Lehrjahr ist ein Lehrling natürlich auch in vielen Bereichen einsetzbar.

In aller Munde aktuell ist die künstliche Intelligenz, die KI. Wo führt das vielleicht in Zukunft auch hin, in Hinblick auf die Ausbildung der jungen Leute?

Das ist eine gute Frage. Die KI steckt eigentlich auch noch in den Kinderschuhen. Man kennt es ein wenig von ChatGPT oder von Deepl, einem Übersetzungsprogramm. Aber da ist man noch wirklich in den Anfängen. Aber klar, KI gehört zum Alltag. Und man ist sogar mit KI konfrontiert, ohne dass man es überhaupt merkt. Also das wird sicher kommen. Und vielleicht, ich habe von Fachkräftemangel gesprochen, ist KI auch hier ein Mittel, um dem entgegenzuwirken. Also ich bin sicher gespannt, wie KI noch im Berufsalltag eingesetzt werden wird.

Gegen Fachkräftemangel könnte KI eine gute Sache sein. Auf der anderen Seite kann sie Berufe aber auch völlig ersetzen.

Ersetzen oder natürlich verändern. Absolut, vor allem auch die technischen Berufe. Damit muss man rechnen. Wie das eigentlich schon immer so war. Berufe ändern sich ja ständig. Da muss man sich der Umwelt, dem Bedürfnis der Wirtschaft anpassen. Das ist natürlich ein ständiger Prozess. Und KI kann da natürlich auch gewisse Berufe beeinflussen.

Sind die Jungen fit genug, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Wenn nicht die Jungen, dann muss ich fragen, wer sonst. Ich glaube schon, die Jungen sind ja sehr technisch versiert. Sie sind mit dem Smartphone aufgewachsen. Ich glaube schon, KI ist ja häufig auch da, um uns das Leben zu erleichtern. Einerseits. Und andererseits hat es natürlich auch gewisse Gefahren. Es bringt gewisse Gefahren mit sich. Man denkt natürlich an die veränderten Bilder oder Videos. Das ist schon eine Herausforderung, wenn man ein Bild oder ein Video sieht. Um festzustellen, ist das jetzt ein echtes Bild? Hat das jetzt ein Fotograf aufgenommen? Oder ist das verändert worden?

Früher war man froh, wenn man einen Job und einen Lohn bekam. Mittlerweile will die junge Person mehr haben als früher. Es reicht als Arbeitgeber nicht mehr, einfach nur noch einen Job und einen Lohn anzubieten...

Ja, man spricht von der sogenannten Generation Z. Ich glaube, wichtig ist ja, dass die Person auch einen Beruf wählt, in dem sie sich wohlfühlt, in dem sie findet, da kann sie etwas beitragen. Und da kann ich wirklich jedem Jungen empfehlen, eine Schnupperlehre zu machen. Das ist ganz, ganz wichtig. Je früher, desto besser. Und der Freiburger Arbeitgeberverband mit dem Kanton zusammen hat eine App geschaffen. Das ist FriStage. Und das kann ich wirklich allen Jungen empfehlen. Übrigens auch allen Lehrbetrieben. Dort können die Lehrbetriebe Schnupperlehren anbieten. Und die Jungen können mit ein, zwei Klicks sich dort anmelden und in ein Unternehmen Einblick erhalten.

Es gibt ja die Möglichkeit, dass man eine Lehre macht, auf der anderen Seite an die Universität geht und studiert. Aber das heisst dann nicht, wenn man eine Lehre macht, dass man während 45 Jahren auf dem gleichen Job arbeitet?

Absolut nicht, ganz im Gegenteil. Die Lehre öffnet alle Türen. Man kann ein eigenständiges Diplom machen auf einem Beruf, mit einer Berufsmatur kann man an die Hochschule gehen, oder man kann sogar, wenn man das will, an die Universität gehen. Was ich wirklich ganz toll finde an der Lehre, nach drei, vier Jahren hat man schon mal einen Beruf. Man hat ja schon ein kleines Einkommen während der Lehre. Man hat dann wirklich einen Beruf und auf dem kann man wirklich aufbauen.

RadioFr. - Marc-David Henninger
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